Gabriel Noderer: Offene Worte zum Racing-Rücktritt
Gabriel Noderer
Im Alter von zehn Jahren hatte Gabriel Noderer im heimischen Garten seine ersten motorisierten Runden gedreht. Jetzt, 17 Jahre später, erklärt der Franke seine Karriere als beendet. Mit einem emotionalen Video auf seinen Social-Media-Kanälen nimmt er persönlich Stellung zu seiner Entscheidung, bedankt sich bei seinen Unterstützern. Auch ein Blick in die Vergangenheit darf nicht fehlen, bevor Noderer einen positiven Blick in seine Zukunft wirft. Nicht ohne Motorrad, er gibt sein Wissen als Instruktor bei Hafeneger Renntrainings weiter, aber ohne Racing.
«Als Erwachsener hat man», beschreibt der 27-Jährge seine Gefühlswelt, «auf das Ganze natürlich einen anderen Blick. Ich habe durch den Rennsport Freunde fürs Leben gewonnen, aber auch Freunde verloren. Der Weg in den letzten 17 Jahren war steinig und von Verzicht geprägt. Wenn andere in Urlaub gefahren oder mit den Kumpels ausgegangen sind, war bei mir absoluter Fokus und Wille gefragt.»
Bis in die Weltmeisterschaft und die IDM Superbike hat Noderer dieser Fokus gebracht. «Aber Fokus, Wille und Talent reichen im Rennsport schon lange nicht mehr aus», offenbart er auch seine kritischen Gedanken. «Natürlich braucht man auch eine Portion Glück. Aber vor allem Geld und die richtigen Beziehungen gehören zum Sport genauso dazu, wie ein optimal vorbereitetes Motorrad.»
Schon im Vorjahr hatte man Noderer nicht mehr in der Startaufstellung gesehen. Er hatte für die Saison 2023 keine bezahlbare Möglichkeit gefunden, seinen Sport auf dem entsprechenden Niveau betreiben zu können. Stattdessen hat er sich beruflich weiterentwickelt, er arbeitet nach seinem Studium aktuell als Recruiter in einem Unternehmen für Personalwesen. Sportlich zog es ihn im Vorjahr in Richtung Triathlon. «Vor allem das Schwimmen ist technisch extrem schwierg. Es geht um das Wassergefühl, die Lage und auch körperlich ist es herausfordernd», schildert er.
Bis vor wenigen Tagen stand Noderer noch mit möglichen Teams für die Saison 2024 in Kontakt. Bis zuletzt hatte er noch bezüglich eines Engagements in der Langstrecken-Weltmeisterschaft verhandelt. Doch der Deal ging am Ende an einen Bezahlfahrer, der das nötige Kleingeld zum Team-Budget beitragen konnte. «Und manche Angebote sind finanziell geradezu pervers», spricht er das Problem vieler Piloten deutlich aus. «Da braucht man gar nicht in Verhandlungen einsteigen. Die Preise sind in der letzten Zeit extrem gestiegen.»
«Es gibt immer weniger Leute im Fahrerlager», weiß Noderer, «die Racing auch aus Spaß an der Freude machen, wie zum Beispiel früher Roman Raschle. Inzwischen wollen die meisten von denen, die noch da sind, Geld verdienen. Auch vom Reglement her ist zum Beispiel die IDM teurer geworden. Im Vorfeld zwei Mal testen zu gehen reicht da schon lange nicht mehr aus. Und ich verfüge nicht über die Mittel, den Winter in Spanien zu verbringen. Es geht nicht, dass man Vollzeit arbeitet und dazu noch 365 Tage mit den Vorbereitungen im Rennsport zu tun hat.»
«Ich hätte gerne mein ganzes Potenzial gezeigt», erklärt er. «Aber es war und ist ein hartes Geschäft. Man hat es als Einzelkämpfer neben dem Studium und der Arbeit sehr schwer. Fakt ist, dass in den ganzen Jahren bei mir noch nie ein Cent hängengeblieben ist. Als Rennfahrer, der alles allein macht, investiert man inzwischen 99 Prozent in die Organisation, für die Betreuung von Social Media, für die Planung, die Pflege der Sponsoren. Es wurde immer mehr Management und immer weniger Sport.»
Gabriel Noderer wollte nicht sang- und klanglos von der Racing-Bühne abtreten. «Ich wollte auch die Schwierigkeiten aufzeigen, die zu dieser Entscheidung geführt haben», so seine Begründung. «Ich höre nicht auf, weil ich zu faul bin oder mir der Rennsport keinen Spaß mehr macht. Aber ich kann die Wende im Sport zeitlich und finanziell nicht mehr mitgehen. Obwohl ich das Gefühl habe, dass die besten Rennsportjahre von der Leistung her noch vor mir liegen. Aber ich bin kein Influencer oder Youtuber und habe auch keine große Firma im Rücken.»
Doch Noderer hadert nicht mit seiner Entscheidung, auch wenn er sich sicher ist, dass mehr drin gewesen wäre. Vor allem bei gemischten Streckenverhältnissen, einer schmalen trockenen Ideallinie, und auf Strecke wie dem Schleizer Dreieck, wo Testmöglichkeiten eingeschränkt sind und dadurch die Voraussetzung für die Teilnehmenden ähnlich waren, konnte Noderer stets mit sportlichen Highlights glänzen.
«Ich möchte mich bei all meinen Unterstützern, Sponsoren und Teams aus der Vergangenheit bedanken», versichert Noderer abschließend. «Der Sport hat mir sehr viel gegeben und mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Ich blicke dankbar zurück. Doch jetzt geht der Blick nach vorne.»