Neukirchner: Horror-Trip, Operationen, Zukunftspläne
Ab nächster Woche heißte es Herr und Frau Neukirchner
Die vergangene Woche war für IDM Superbike-Pilot Max Neukirchner an Dramatik kaum zu überbieten. Am Samstag den 21. Mai war er bei Testfahrten von Reifenhersteller Dunlop auf der hauseigenen Strecke in Südfrankreich schwer gestürzt. «Bei der Auswertung der Daten», erklärt Neukirchner gut eine Woche später, «wurde festgestellt, dass die Traktionskontrolle aus war.» Beim Aufstellen der Yamaha aus der nächsten Kurve raus hatte es den Sachsen dann dermaßen ausgehebelt, dass er im hohen Bogen und ohne Vorwarnung abflog.
Nach der Erstversorgung an der Strecke landete er dann im Krankenhaus von Montpellier. Im Vorjahr hatte er sich bei einem Sturz am Nürburgring am rechten Bein einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen, der mit einer Quer- und einer Längsschraube durch den Oberschenkelknocken fixiert wurde. Diese Längsschraube aus Titan war nun bei dem Sturz in Südfrankreich in zwei Teile gebrochen. Der Schenkelhals blieb unbeschadet, doch nach dem Bruch des Oberschenkels lag ein Stück des Knochens quer.
Bevor der instabile Bruch ordentlich versorgt werden konnte, musste die alte Schraube erst einmal entfernt werden. Das wollte Neukirchner, der schon die eine oder andere Verletzung hinter sich hat, nicht bei ihm fremden Ärzten in Frankreich machen lassen, sondern wollte sich wieder in die Hände seiner vertrauten Ärzte begeben. Nach Telefonaten mit Dr. Haselhoff vom Klinikum Mittleres Erzgebirge Zschopau, mit Dr. Kupfer in Chemnitz und mit Dr. Petersen, dem Operateur nach dem Nürburgring-Crash, war auch die schnellstmögliche Rückkehr beschlossene Sache, um so auch eine vollständige Genesung sicher zu stellen.
Doch die Versicherung spielte da nicht mit. Man könne die OP auch in Montpellier erledigen. Nach langem hin und her stimmte die DKV dann einem Rücktransport zu. Allerdings nur per Krankentransport mit dem Fahrzeug. Eine mehr als zehnstündige Fahrt im Krankenwagen war Neukirchner aber nur schwer zuzumuten. Da der Flug, wenn überhaupt, bis Sonntag 17 Uhr über die Bühne gehen musste, war Eile angesagt. Beim ADAC stand so schnell kein Transport-Flugzeug bereit, da Neukirchners Verletzungen nicht lebensbedrohlich waren.
Sponsor als Retter
Als Mann der Tat erwies sich dann Jan Kratochwil von der Firma KKT Kratochwil GmbH, der einen privaten Jet, ausgerüstet für Krankentransporte, organisierte und die Differenz zu den Kosten für den mühsamen Transport im Krankenwagen einmal quer durch Frankreich und Deutschland aus eigener Tasche auf den Tisch legte. Während Neukirchner dann von Montpellier nach Leipzig geflogen wurde, organisierte man in Zschopau den für die OP nötigen Spezialbohrer.
In der Notaufnahme in Zschopau angekommen, wurde Neukirchner erst noch an einer Wunde am Ellenbogen genäht und ein Bruch des Mittelfußknochens diagnostiziert. In der vergangenen Woche musste Neukirchner insgesamt drei Operationen, jeweils mit Vollnarkose, über sich ergehen lassen. In der ersten wurde die Schraube entfernt, der Bruch gerichtet und eine neue Schraube angebracht. Hatte im Vorjahr noch ein kleiner Schnitt gereicht, ziert nun eine Schnitt von oben nach unten den Schenkel von Neukirchner. Erst zwei Tage später konnte die Naht in einer weiteren OP geschlossen werden.
Am Wochenende wurde dann noch in OP Nummer 3 eine Schulter-Luxation mit einer Knochenverletzung versorgt. Dadurch ist Neukirchner auch nur eingeschränkt bewegungsfähig, da er auf Krücken noch verzichten muss. Doch daran wird beim Sachsen hart gearbeitet. Denn am 7.6. hat Neukirchner, der seit Jahren mit der Startnummer 76 unterwegs ist, eine wichtige Verabredung, von der er sich auch nicht durch seine zahlreichen Verletzungen abhalten lassen will.
«Geheiratet wird trotzdem», stellt er klar. Lediglich die Feier wird verschoben. «Aber ein anderes Datum kommt für uns nicht in Frage und sonst müssten wir ja noch ein Jahr warten.» Auch die Pläne für die Flitterwochen haben sich geändert. Da stand nämlich ursprünglich der Langstrecken-WM-Lauf mit dem Team YART im portugiesischen Portimao auf dem Programm. Stattdessen geht’s nach Chemnitz zu Dr. Kupfer, um einen Reha-Plan auszuarbeiten.
Neben seiner körperlichen Fitness kommt Neukirchner auch seine mentale Stärke zugute. «Natürlich war der erste Schreck groß, als ich mein Bein und die Schulter gesehen habe», erklärt er mehr als eine Woche nach dem Unfall. «Aber ich habe schon soviel durch, da lasse ich mich jetzt auch nicht unterkriegen. Nach jetzigem Stand kommt wieder alles in Ordnung. Ich hatte noch Glück im Unglück. Das Ganze hätte auch Schlimmer ausgehen können.»