MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Herbert Müller: Der kleine Schweizer als grosses Kino

Von Mathias Brunner
Er war von kleiner Statur, aber niemand hatte ein grösseres Kämpferherz als der Schweizer Herbert Müller. Endlich wird der fabelhafte Allrounder mit einem tollen Buch gebührend geehrt.

Targa Florio, damals das schwierigste Strassenrennen der Welt, eine Runde mit unfassbaren 72 Kilometern Länge und mehr als 700 Kurven, dagegen wirkte die Nordschleife des Nürburgrings wie ein Kurzfilm gegen einen Hollywood-Schinken. Sizilien also, 1969: Der Lola T70 der Scuderia Filipinetti aus der Schweiz, besetzt mit dem schwedischen Grand-Prix-Gentleman Jo Bonnier und dem Schweizer Herbert Müller, macht vor dem Start Mucken: Wegen Zündaussetzern muss Müller als Letzer ins Rennen gehen.

Was dann folgt, ist bis heute eine der grandiosesten Startrunden eines Rennfahrers: Der kleine Schweizer Herbert Müller veranstaltet grosses Kino, überholt 61 Gegner (ein-und-sech-zig!) und kommt als Dritter aus der ersten Runde zurück! Dass Herbert sich auf Sizilien auskennt, hatte er mit seinem Sieg 1966 mit Porsche und einem Rundenrekord im Ferrari 1967 bewiesen – neuer Rundenrekord. Aber 61 Gegner überholen? Das ist jenseits jede Messskala. Leider erlitt Müller später eine Reifenpanne und musste auf der Felge zu Start und Ziel zurückrattern, als Folgeschaden ging die Aufhängung zu Bruch.

Herbert Müller, aus Menziken (Kanton Aargau) nannte sich selbstironisch «professioneller Amateur». Von Amateur war beim Mann mit der roten Stoppefrisur und dem Stumpen zwischen den Lippen aber hinter dem Lenkrad wenig zu sehen: Vielmehr war Müller ein echter Allrounder, der die fabelhaftesten Sportwagen seiner Zeit fuhr – Porsche, Ferrari, Matra, Lola.

Der gelernte Metallveredler (Galvaniseur) Müller wurde zwei Mal GT-Europameister am Berg (1963 und 1965), er gewann die Targa Florio zwei Mal (1966 im Porsche Carrera 6 der Scuderia Filipinetti an der Seite von Willy Mairesse, 1973 mit dem Niederländer Gijs van Lennep mit dem Porsche Carrera RSR). Müller wurde beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zwei Mal Zweiter (1971 mit Dick Atwood im Gulf-Porsche 917, 1974 mit van Lennep im Werks-Carrera RSR in den berühmten Martini-Farben). Nur der Schritt in die Königsklasse blieb ihm verwehrt – dabei war ein Lotus 72 in Farben des Zigarrenherstellers Villiger bereits bereit.

Eine Rennkarriere von 20 Jahren Länge wird vom Fachverlag McKlein gebührend edel und üppig präsentiert. Wenn wir beim Kontrapunkt verweilen: Ein grosses Werk für den kleinen Mann mit dem grossen Kämpferherzen – fast 400 Seiten, mehr als 500 Fotos, liebevoll gestaltet.

Vierzig Jahre nach dem tödlichen Unfall von Herbert Müller auf dem Nürburgring 1981 haben die Autoren Jörg-Thomas Födisch und Rainer Rossbach den richtigen Ton getroffen, um einen Piloten zu würdigen, dem das Haus Porsche eng verbunden war. Und so erstaunt es wenig, dass dieses tolle Motorsportbuch in Zusammenarbeit mit der Edition Porsche Museum entstanden ist.

Müller spielte immer eine Doppelrolle: Er war nicht nur Vollblut-Racer, sondern auch Vollblut-Geschäftsmann, nachdem er nach dem Verlust seines Vaters schon mit 24 Jahren den elterlichen Betrieb für Metallveredelung in Reinach übernahm. Dort erinnert heute übrigens der Herbert Müller Platz an den Rennfahrer.

Müller kämpfte mit dem damals leistungsstärksten Rennwagen der Welt (dem Porsche 917/30 in der Interserie, der europäischen CanAm) und in der Sportwagen-WM gegen die besten Fahrer der Welt – und behauptete sich, immer das grosse Schweizer Kreuz stolz auf dem roten Helm tragend.

Die Autoren Födisch und Rossbach lassen viele Zeitzeugen zu Wort kommen: Herbert Linge von Porsche, sein früherer Stallgefährte Dick Atwood, Sponsor Heinrich Villiger (Stichwort Formel 1), Gijs van Lennep, Norbert Singer von Porsche, der legendäre Mechaniker Edi Wyss, der schon am Wagen von Jo Siffert gearbeitet hatte, Rennfahrer und Unternehmer Fredy Lienhard. Sie zeichnen ein facettenreiches Bild eines faszinierenden Menschen.

Kaum zu sagen, was uns besser gefallen hat, der fundiert und schmissig geschriebene Text, aus einer mitreissenden Ära des Motorsports, oder die atemberaubenden Fotos, viele von ihnen bislang unveröffentlicht. Wir würden sagen: Ein Unentschieden, an dem wir viel Freude haben. Stundenlang kann sich der Leser in Erzählungen und Bildern der berühmtesten Rennstrecken der Welt verlieren und über die grandiosen Bilder staunen.

Der Nürburgring wurde zu seiner Schicksalsstrecke: 1972 zog sich Herbert Müller bei einem Unfall im Ferrari 512M Verbrennungen an Händen, Füssen und im Gesicht zu, es grenzte an ein Wunder, dass er sich selber aus diesem Feuerball befreien konnte.

1981 kam Müller im Porsche 908/3 von Sigi Brunn beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring von der Bahn ab und prallte auf den Porsche 935 von Bobby Rahal. Das Fatale: Der spätere Indy-500-Sieger Rahal hatte seinen Porsche früh abstellen müssen, der 935er war fast vollgetankt. Bei der Kollision gingen die beiden Autos in Flammen auf, Herbert Müller starb nach Aussagen der Ärzte beim Aufprall. Das Traurige dabei: Dies sollte nach eigenen Aussagen sein letztes Rennen sein.

Herbert Müller «… alles zu langsam!» reiht sich nahtlos in eine erfreulich lange Serie fabelhafter Motorsportbücher von McKlein Publishing ein.

Das Wichtigste in Kürze

Jörg-Thomas Födisch und Rainer Rossbach: Herbert Müller «… alles zu langsam!»
Mit einem Vorwort von Marc Surer
Von McKlein Publishing
ISBN: 978-3-947156-33-7
384 Seiten, 510 Fotos
Format 30 x 24 cm, Querformat
Für 79 Euro im Fachhandel oder direkt bei rallyeandracing.com

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