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Endlich! KTM 690 Rally auf Erprobungsfahrt

Von Bernhard M. Höhne
Fast 20 Jahre schaute KTM tatenlos zu, wie Zubehör-Hersteller die KTM 690 Enduro R zum Dual Sport- oder Rallye-Motorrad umbauten. Nun scheint sich KTM aufzuraffen, wieder ein solches Motorrad zu bauen

KTM steckt weiter bis zum Hals in Schwierigkeiten. Ende November wurde der Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung eingebracht, nun hat die Firmenleitung 90 Tage Zeit (noch bis Ende Februar), um ein Sanierungskonzept zu erstellen. Bereits kurz vor Weihnachten wurde ein elemantares Zwischenziel erreicht: Die kurzfristige Fortführungsfähigkeit des Unternehmens wurde gerichtlich festgestellt, so lang bis das Sanierungskonzept vollends steht.

Gleichzeitig bleiben Unsicherheiten: Mittlerweile wurden insgesamt fünf Folgeinsolvenzen offiziell, vier davon innerhalb des Konzerns von KTM-Eigner Pierer Industries und eines Zulieferers. Zudem wichtig für die Arbeitskräfte: Wie lang wird der Produktionsstop in Mattighofen tatsächlich andauern? Der wahrscheinliche Weg, die Fertigungsunterbrechung am Stammwerk um mindestens einen weiteren Monat bis Ende März zu verlängern, ist noch immer nicht offiziell kommuniziert.

Auch der Verkauf der MV Agusta-Anteile von Pierer Mobility ist bislang noch nicht abgeschlossen und zu verbindlichen Geldflüssen der externen Investoren gibt es bislang ebenfalls noch keine Neuigkeiten. Das könnte sich am 24. Januar, dem Datum einer gerichtlichen Zwischenprüfung, spätestens jedoch am 27. Januar zur außerplanmäßigen Hauptversammlung der KTM AG ändern. Ende Februar soll der Sanierungsplan der Firma stehen und den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt werden. So weit, so bekannt.

Doch was dann? Kern des Sanierungskonzeptes, so viel ist klar, ist eine «Redimensionierung». Auf Gutdeutsch: Eine Gesundschrumpfung. Möglicherweise werden mittelfristig auch Modelle aus der aktuellen Modellpalette gestrichen. Damit wird es künftig Produkte brauchen, die, bei mutmaßlich zunächst geringerer jährlicher Stückzahl, ausreichend Marge generieren.

In den vergangenen Jahren hatten die Österreicher bereits eine Hand voll Modelle im Angebot, die diesen Anforderungen entsprachen: Die Brabus-Modelle auf Super Duke-Basis, die nicht straßenzulassungsfähige RC 8C und die Super Duke RR waren Beispiele dafür. Sie richteten sich zum einen allesamt an eine zahlungskräftige Kundschaft.

Ihnen gemein war jedoch auch der vergleichsweise geringe Entwicklungsaufwand. Bereits bevor die aktuellen Schwierigkeiten absehbar waren, haben die Mattighofener dies als Blaupause genommen und die Entwicklung von weiteren Motorrädern gestartet, die dieses Rezept aufnehmen. Eines davon: die 690 Rally.

Diese befand sich bereits vor Ausbruch der Firmenkrise in der Straßenerprobung, die Entwicklung läuft auch jetzt weiter. Fotos von Prototypen zeigen, dass bei dieser die technische Basis der ebenfalls bereits nahezu fertig entwickelten Nachfolgerin der 690 Enduro zum Einsatz angedacht wäre, dem geländegängigen Schwestermodell des Bestsellers 690 SMC R. Sowohl 690 Enduro als auch SMC R dürften sicher eine Zukunft haben. Zu erfolgreich waren die Modelle bislang am Markt, besonders in Europa. Und damit ist auch der Weg zur 690 Rally nicht weit.

Allen drei Modellen, SMR, Enduro und Rally ist gemein, dass im bekannten Rahmen der aktuellen 690er bereits der neue LC4-Einzylinder steckt. Daten zu diesem sind nicht bekannt. Als Reaktion zu Ducatis Superquadro Mono, der in der Hypermotard 698 zum Einsatz kommt, ist jedoch ein Plus an Hubraum und Spitzenleistung äußerst wahrscheinlich. Damit dürfte der KTM-Single wieder der stärkste Einzylinder am Markt werden: Rund 75 PS sind zu erwarten.

Das Fahrwerk teilen sich die Prototypen von Enduro und Rally, was für beide 250 mm Federweg vorn und hinten bedeutet, hinten durch ein manuell voll einstellbares Federbein. Das Gewicht der 690 Rally dürfte unter 180 kg vollgetankt liegen. Beeinflusst wird dies durch die Zusatztanks, denn ergänzend zum bekannten Tank im Heck sind am Prototyp zwei Spritfäßer vor dem Fahrer verbaut. Diese sollen die Reichweite verlängern und beeinflussen gleichzeitig die Form der vorderen Verkleidung.

Weiteres Unterscheidungsmerkmal: Die neue Front mit steiler Scheibe, standesgemäßem Infotainment und Voll-LED-Lichtern. Sie nimmt gleichzeitig den Look des Wettbewerbsgeräts 450 Rally auf, mit dem Daniel Sanders vor wenigen Tagen die Dakar-Rallye 2025 gewann.

Zu einem Termin des Produktionsstarts der neuen 690er-Baureihe lässt sich, angesichts der Lage bei KTM, nichts vorhersagen. Die gesamte Modell- und Produktionsplanung steht derzeit auf dem Prüfstand und damit auch der Entwicklungsplan. Eine sinnvolle Bereicherung des Modellportfolios wäre die 690 Rally allemal.

Letztmals bot KTM mit der 640 LC4 Adventure 2007 ein solches Dual Sport Motorrad ab Werk an. Mit dem Modellwechsel auf die 690 Enduro R überliess es KTM bis heute einschlägigen Zubehör-Herstellern, mit entsprechenden Umbaukits für die Enduro R und das Schwestermodell Husqvarna 701 Enduro gutes Geld zu verdienen. Das könnte sich bald (endlich) ändern.

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