Über den Tellerrand hinausblicken
Richard Speiser (li.) mit Troy Corser (re.)
Zum einen stand ja die Schulter-Operation an, die sich als komplizierte herausgestellt hat und ich auch länger im Krankenhaus bleiben musste. Zum anderen bin ich mit meinem Maschinenbau-Studium am Ende angelangt und arbeite schon das ganze Jahr an meiner Diplomarbeit. Diese hält mich ganz schön auf Trab, hierfür schadet die ungewollte Freizeit überhaupt nicht.
Die OP ist jetzt acht Wochen her, die Beweglichkeit ist wieder voll da, und die Docs sind – genauso wie ich – auch voll zufrieden. Hier auch noch einmal ein grosses Dankeschön an Dr. Jehmlich und sein Team von der Orthopädischen Klinik in Markgröningen, die meine Schulter wieder zusammengeflickt haben. Wenn es nach mir ginge, könnte ich mich schon wieder auf ein Bike setzen und im Kreis herumfahren – ich muss mich aber noch bis Ende des Jahres gedulden, bis ich die Schulter wieder voll belasten kann.
Zwischendurch habe ich noch etwas in der Organisation fürs Grasbahnrennen in Memmingen ausgeholfen. Mit meinen mittlerweile 17 Jahre Rennerfahrung konnte ich doch das ein oder andere einbringen, und auch mal die «andere Seite» so einer Rennveranstaltung kennenlernen. So kann ich jetzt auch sagen, dass ich alle Vereine zutiefst respektiere, die sich so einen Aufwand antun – ich habe es ja jetzt selbst erlebt. Zum Glück hatten wir wirklich traumhaftes Wetter, viele Zuschauer und bis auf ein paar kleinere Pannen eine wirklich gute Veranstaltung. Ich sehe mich aber lieber wieder auf der richtigen Seite - auf der Rennstrecke, und nicht daneben!
Anderen beim Fahren zuschauen, und selbst nicht fahren zu dürfen, ist für einen aktiven Rennfahrer die Höchststrafe – deshalb habe ich auch bis auf das Bundesligarennen in Landshut keine Bahnsportennen besucht.
Ein wirkliches Highlight war der Besuch des Superbike-WM-Laufes am Nürburgring am vergangenen Wochenende. Es schadet ja nie über den eigenen Tellerrand mal hinauszuschauen, und so habe ich mir dank super Eintrittskarten das ganze Rennwochenende sehr genau angeschaut.
Der Aufwand der da betrieben wird, ist mit dem Bahnsport nicht zu vergleichen, die Summen, die dort bewegt werden, erst Recht nicht. Mich persönlich hat vor allem die Technik beeindruckt, die da verwendet wird – und die brutalen Geschwindigkeiten mit denen die Jungs die Start-/Zielgerade hinunterbrennen. Besonders aufgefallen ist mir, dass man als Zuschauer ständig etwas zu sehen bekommt und unterhalten wird. Man kann sich dort zwei Tage bewegen, ohne dass man sich langweilt – gerade da haben manche Veranstalter grosse Defizite. Der Zuschauer wird für sein Geld gut unterhalten und ständig mit Rennläufen, Autogrammsessions oder Pressekonferenzen berieselt.
Was dagegen im Bahnsport ein unbestreitbarer riesengrosser Vorteil ist: Man hat ständig das komplette Renngeschehen im Blick! Man verpasst keine Rennaction und sitzt nur wenige Meter vom Geschehen entfernt. Wir hatten super Sitzplätze auf der Startgeraden und konnten mehr von der Strecke sehen, als die meisten anderen Zuschauer. Trotzdem habe ich während des Rennes mein Smartphone aus der Tasche gezogen, und den Rennverlauf im Internet-Live-Stream verfolgt, wenn Melandri & Co nicht gerade mit 300 Sachen an uns vorbeigeflogen sind.
Zuschauer die das erste Mal Bahnrennen sehen bestätigen ja auch, dass sie so etwas geiles und spektakuläres noch nie gesehen haben – und kommen dann auch wieder. Das Problem ist einfach die mangelnde Präsenz und Bekanntheit unseres schönen Sports.
Auf jeden Fall war es ein sehr gelungenes Wochenende, ich konnte viele Eindrücke sammeln und auch interessante Gespräche mit einflussreichen Leuten führen. Und zu sehen, wie Christian «Hülse» Hülshorst Ex-Superbike-Weltmeister Troy Corser eine seiner Autogrammkarten in die Hand drückte und ihm ein Langmotorrad erklärte, ist mit Geld nicht zu bezahlen.
Richard Speiser aus Börwang im Allgäu wurde 2011 Langbahn-Vizeweltmeister, im Jahr davor WM-Dritter. Wegen einer Schulterverletzung ist er seit Monaten ausser Gefecht.