Weckt Ducati mit der V21L das Interesse an der MotoE?
Roberto Canè mit der Ducati V21L
Die Testfahrten in Jerez und in Barcelona sind absolviert, am 12. und 13. Mai wird in Le Mans auch für die 18 MotoE-Stammfahrer, darunter den Schweizer Randy Krummenacher, die WM-Saison 2023 beginnen. Nicht nur der WM-Status ist in diesem Jahr neu, erstmals liefert Ducati die Einheits-Bikes für die Elektro-Serie.
Die Erwartungen an den Hersteller aus Borgo Panigale sind gemessen an den MotoGP- und Superbike-Erfolgen groß, die Skepsis einiger Motorrad-Fans aber bleibt. Denn die V21L ist mit 225 kg zwar deutlich leichter als der Vorgänger Ego Corsa aus dem Hause Energica, bei der Reichweite blieben dafür große Fortschritte aus. Immerhin: Die Ergonomie und das Fahrgefühl der Elektro-Ducati überzeugten die Fahrer auf Anhieb.
Roberto Canè, Ducatis eMobility Director, gab dazu schmunzelnd eine Anekdote vom 16. Dezember 2021 zum Besten: «Michele Pirro war der allererste, der das Bike getestet hat. Als er es in Misano zum ersten Mal gefahren ist und zurück an die Box gekommen ist, hat er sich auf den Stuhl fallen lassen und lange – für mich eine Ewigkeit – kein Wort gesagt. Ich habe mir schon gedacht: ‚Mein Gott, was wird er jetzt erzählen.‘ Nach einer Weile hat er dann aber gemeint: ‚Leute, ich weiß nicht, was ich sagen soll, es ist schon gut so. Ich habe darüber nachgedacht, bin im Kopf die Strecke noch einmal durchgegangen, aber ich wüsste nicht, was ich sagen soll.‘»
Im Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Canè nun über den aktuellen Stand der Dinge und die weiteren Pläne.
In den ersten vier MotoE-Jahren sahen wir kaum eine Weiterentwicklung. Die Erwartungen an Ducati sind in dieser Hinsicht natürlich deutlich höher. In Borgo Panigale selbst wird die V21L als die MotoGP der Elektro-Bikes bezeichnet. Roberto, was ist in Sachen Entwicklung für die Zukunft geplant?
Das stimmt, es ist die MotoGP der Elektro-Bikes und die Erwartungen sind sehr hoch. Das ist aber auch der Grund dafür, weshalb sich die Dorna an Ducati gewandt hat. Wir haben es mit der Dorna besprochen und vereinbart, dass es sich hier wirklich um ein Experimentier- und Versuchsphase handelt. Das gemeinsame Interesse von Dorna und Ducati ist, dieses Motorrad und diese Meisterschaft wachsen zu lassen.
In diesem Jahr müssen wir natürlich sehen, wie es funktioniert. Mit Sicherheit gibt es viele Dinge, an denen wir arbeiten müssen. Es wird also Evolutionen geben, aber nur dahingehend, das bestehende Bike und die Fahrbarkeit zu verbessern und kleine Probleme zu lösen, die es natürlich gibt, wenn ein Motorrad ganz neu ist. Abgesehen davon bleibt das Bike für dieses Jahr so, wie es ist.
Wir haben mit der Dorna aber bereits vereinbart, dass es dann Weiterentwicklungen geben wird. Welche da sein werden, haben wir der Dorna noch nicht vorgeschlagen, aber wir arbeiten schon eine Weile daran. Es geht um Evolutionen in allen Bereichen – beim elektrischen Antriebsstrang, beim Handling, beim Gewicht, bei der Elektronik. Wir wollen die MotoE wirklich als Prüf- und Probelauf für das Elektro-Bike sehen und wir wollen, dass es das beste Elektro-Bike auf der Rennstrecke bleibt und sich als solches weiterentwickelt.
Wann wird es erste Entwicklungen geben, schon im nächsten Jahr?
Eines ist klar: Je größer der Schritt ist, umso mehr Zeit wird dieser in Anspruch nehmen. Schon für das nächste Jahr werden wir etwas machen, aber wenig. Wir werden nichts auf den Kopf stellen. Wir planen in zwei Jahren aber schon etwas beträchtlichere Entwicklungen und wir machen uns auch schon auf lange Sicht Gedanken.
Klar ist, dass auch die Technologien mitspielen müssen. Die MotoE ist eine Probephase für uns, aber auch für die neuen Technologien. Je mehr Fortschritte die Technologien machen, umso mehr Dinge werden auch wir einführen können.
Zum Glück gehören wir zu einer großen Gruppe, der Volkswagen-Gruppe, die sehr stark an die Elektromobilität glaubt und viel investiert. Auch deshalb glaube ich, dass wir das Elektro-Bike immer auf dem Top-Level halten werden können.
Verbesserungen stehen und fallen besonders mit den Fortschritten in der Batterietechnologie.
Das größte Problem der elektrischen Motorräder ist die Batterie, die schwer und voluminös ist und lange braucht, um zu laden. Aber sobald es eine Technologie gibt, mit der die Batterie eine Performance erreicht, die es ermöglicht, Bikes zu bauen, die mindestens so leicht sind wie ein MotoGP-Bike… Das wird aber noch einige Jahre dauern.
Einer der ersten Kritikpunkte der skeptischen Motorrad-Fans ist die kurz MotoE-Renndistanz, die wie bisher nur rund acht Runden betragen wird.
Ja, die Batterie stellt ein Limit dar. Es werden zwischen sechs und zehn Runden sein, abhängig von der Strecke, wie mit der Dorna vereinbart.
Wird es trotzdem möglich sein, einen Fan der MotoGP und des traditionellen Motorsports mit Sound und Verbrennungsmotor von der MotoE zu überzeugen?
Das ist schwer zu sagen, aber viele Fans verfolgen viele verschiedene Formeln. Meiner Meinung nach ist es möglich, den Fan von Verbrennungsmotoren davon zu überzeugen, auch die MotoE zu schauen.
Die MotoGP ist sehr schön, die Superbike-WM ist wunderbar, das steht außer Frage. Ich selbst bin ein Fan davon. So, wie man unterschiedliche Meisterschaften verfolgen kann, kann aber auch die MotoE-WM wachsen.
Ich hoffe, dass die MotoE mit Ducati das Interesse auf sich ziehen kann, weil es damit eine andere Meisterschaft ist, und eben für alle interessant sein kann.