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Sandro Cortese: «Es kann 2017 nicht schlimmer werden»

Von Sharleena Wirsing
61 Punkte und WM-Rang 15 – die Moto2-Saison 2016 lief für Sandro Cortese nicht nach Wunsch. Mit SPEEDWEEK.com sprach der 26-Jährige ausführlich über die Gründe seiner Schwierigkeiten.

2016 erlebte Sandro Cortese seine schlechteste Saison seit seinem Rookie-Jahr in der Moto2-Klasse. Er erreichte nur den 15. WM-Rang mit 61 Punkten. Die Highlights der Saison des Deutschen aus dem Team Dynavolt Intact GP: Platz 5 in Japan und ein dritter Rang auf Phillip Island. Für 2016 hat Cortese deutlich höhere Erwartungen. 2017 wird er auf Suter antreten. Die ersten Testfahrten in Valencia mit seiner neuen Crew um Tom Lüthis ehemaligen Crew-Chief Alfred Willeke verliefen vielversprechend für den Moto3-Weltmeister von 2012. Mit SPEEDWEEK.com warf Cortese einen Blick zurück auf die Saison 2016 und die Gründe, warum er seine eigenen Erwartungen nicht erfüllen konnte.

Sandro, du hast 2016 einige Rückschläge erlitten. Was machte die Saison 2016 so schwierig?

Hmm... Im Großen und Ganzen war das wirklich meine schwierigste Saison bisher. Das hat sich in den Resultaten gezeigt, bis kurz vor dem Ende der Saison. Von technischer Seite war alles in Ordnung, aber intern hat es für mich nicht gepasst. Das war einer der Gründe, die ich nun auch so ansprechen kann. Das soll nicht wie eine Ausrede klingen, doch das machte es für mich sehr schwierig. Das war eben einer der Gründe. Darum bin ich seit dem Valencia-Test neu aufgestellt, was meine Crew betrifft. Zudem habe ich natürlich einen schnellen Teamkollegen an meiner Seite gehabt, der am Anfang sehr stark war.

Dann habe ich mir noch das Kreuzband angerissen, das war dann ein weiteres Missgeschick. Das hat sich über sechs Monate gezogen, denn ich hatte ein ‹lockeres› Knie, es bot nicht mehr so viel Stabilität. Das war sehr schmerzhaft. Sich dann wieder aus dem Loch zu kämpfen, war sehr schwierig für mich. Als wir dann am Ende der Saison zu den Übersee-Rennen kamen, als viele Entscheidungen schon getroffen waren, konnte ich ein bisschen befreiter fahren. Ich war wieder fit, es pendelte sich wieder ein. Das chaotische Rennen in Sepang war für viele Fahrer schwierig, in Valencia bin ich gestürzt, aber das passiert eben.

Der Aufwärtstrend war aber da, ich habe in Australien einen Podestplatz eingefahren und bin wieder dort gelandet, wo ich eigentlich hingehöre. Der Saisonbeginn war einfach schwierig und natürlich wurde es von Rennen zu Rennen komplizierter für mich. Diese Klasse ist einfach knallhart.

Kannst du genauer erklären, wie dich deine Knieverletzung eingeschränkt hat?

Zunächst konnte ich das Knie nicht anwinkeln, deshalb musste ich auf den Le Mans-GP verzichten. Es war stark angeschwollen und es war viel Blut im Knie, ich musste es ausgestreckt halten. Zudem hatte ich keine Kraft, das Knie war wie Gummi. Das Problem begann schon beim Draufsitzen, dann war da noch die Kraftlosigkeit, denn ich ging nur leichtes Spinning. Ich habe Monate gearbeitet, um die Muskeln wieder aufzubauen. Auch das war typisch für diese Saison. Ich hatte in Jerez Startplatz 3 erreicht, stürzte auf Platz 4 und verletzte mich. Der Frühstart in Doha... Die Saison ist eigentlich schon katastrophal losgegangen. Wenn es anders begonnen hätte, vielleicht hätte sich die Saison dann auch in eine ganz andere Richtung entwickelt. Aber so war es eben nicht.

Wenn du ohnehin Probleme hast, dann bremst dich das noch mehr ein. Immer, wenn ich kurz davor war, mich wieder aus dem Loch zu arbeiten, wie auf dem Sachsenring oder Brünn, stürzte ich – beide Male unter den Top-5. Natürlich waren es Regenrennen, aber es waren wieder Nuller. Das zu verdauen, war sehr schwierig. Doch ich glaube fest daran, dass man stärker zurückkommt, wenn man sich wieder aufrafft und arbeitet.

Ich bin sehr dankbar, dass das Team den Vertrag mit mir verlängert hat, denn natürlich ist es nach einer schwierigen Saison selten, dass ein Team weiter an dich glaubt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich ja eigentlich nichts vorweisen können. Dass mir die Teamleitung dieses Vertrauen schenkte, hat mich schon wieder selbstbewusster gemacht. Ich wusste, dass ich Rückhalt habe. Doch dann passierten wieder Sachen wie in Silverstone, als das Motorrad streikte und ich von hinten starten musste. Immer, wenn ich kurz davor war, wieder nach vorne zu kommen, ist etwas passiert. Doch auch das ist Rennsport.

Zahlreiche Stürze waren in diesem Jahr ein großes Problem für dich.

Ja, ich hatte auch Schuld, Stürze passieren nicht einfach so. Es sind Dinge passiert, an denen keiner Schuld hat, bei den technischen Problemen kann ich keinem etwas vorwerfen, denn es waren Dinge betroffen, die normalerweise nie kaputt gehen. Doch alles kam in diesem Jahr zusammen. Natürlich stehe ich nach WM-Rang 15 nun in keinem guten Licht. Das war überhaupt nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Das ist eine Tatsache.

Aber ich sehe es so: Nachdem das alles passiert ist, kann es 2017 nicht schlimmer werden. [lacht] Ich bin zuversichtlich, dass wir– mit dem großen Umschwung im Team – 2017 eine super Saison fahren können. Ich werde umso intensiver arbeiten, vielleicht werden dann einige von mir überrascht sein.

Bei einem Interview mit SPEEDWEEK.com sagte dein ehemaliger Crew-Chief Lucio Nicastro, dass du am Kurveneingang und in der Kurvenmitte sehr schnell bist, manchmal zu schnell und daher am Kurvenausgang nicht früh genug ans Gas gehen kannst. Würdest du das so bestätigen?

Ich denke, wenn das Selbstbewusstsein kommt, dann wird man auch ruhiger. Zum Ende der Saison bin ich nicht mehr so viel gestürzt wie am Anfang. Wir haben aber in diesem Jahr eine Richtung eingeschlagen, mit der ich mich nicht wohlgefühlt habe. Wenn man schon nicht locker auf dem Motorrad ist, es aber trotzdem schaffen will, dann passieren diese Fehler, dass du eben zu schnell in die Kurven reinfährst oder solche Sachen. Wenn man es erzwingen will... Er hat mit dieser Aussage schon Recht gehabt. Ich hatte auch keine schweren Stürze, ich bin eigentlich immer über das Vorderrad ausgerutscht.

Außerdem lobte Nicastro, dass du in schnellen Kurven unglaublich schnell bist, aber in langsamen Kurven nicht genug Geduld aufbringst und dort teilweise bis zu 10 km/h schneller warst als dein Teamkollege Jonas Folger.

Ja, das stimmt. Ich war schon immer in schnellen Kurven schnell. Darum bin ich wohl auf sehr flüssigen Strecken wie Phillip Island oder Sepang schnell. Ich habe dann eher meine Probleme auf Strecken wie Austin und Le Mans. Vielleicht liegt es auch an meiner Statur, weil ich kleiner bin als ein Baldassarri oder Morbidelli. Das Motorrad ist relativ schwer, das muss man erst einmal abbremsen. Mit der Suter haben wir aber bereits eine gewisse Richtung eingeschlagen, dass wir uns in dieser Hinsicht steigern. Ich will nicht nur dort schnell sein, wo ich immer schnell bin, sondern überall.

Nicastro erklärte auch, dass du so trainieren solltest, dass du auch unter extremer körperlicher Anstrengung noch mental sehr leistungsfähig bist. Er sagte, dass du fit bist, aber dein Training vielleicht anpassen müsstest.

Ich denke, das war nicht ausschlaggebend. Ich hatte beispielsweise nie ‹arm pump›, wie es viele andere Fahrer erleben. Er hat wohl auch damit gemeint, dass ich mehr das Motorradfahren beim Training simulieren soll. Damit ich keine großen Erschöpfungsphasen haben und dadurch auf dem Motorrad lockerer bin. Das würde auch bedeuten, dass ich mehr Motocross fahre, wovon ich kein großer Fan bin, denn das ist in Deutschland schwierig. Während der kurzen Zeitspanne von Mai bis August, in der man hier gut fahren kann, habe ich schon viel trainiert, beispielsweise beim Supermoto. Aber wie in Italien oder Spanien, wo man auf vielen Strecken das gesamte Jahr fahren kann, ist es nicht. Ich denke, das hat er gemeint. Was die Fitness angeht, bin ich meiner Meinung nach auf einem sehr hohen Niveau.

Hast du schon in Erwägung gezogen, die Wintermonate in Spanien oder Italien zu verbringen und dort zu trainieren?

Monate nicht, aber ich werde mein Wintertraining vielleicht anpassen, um mit der 600-ccm-Maschine auf spanischen Strecken zu fahren. Aber unser Testplan ist im nächsten Jahr ohnehin straff, da uns nun mehr Testtage zur Verfügung stehen, als in den letzten Jahren. [Anm.: Neben den offiziellen IRTA-Tests dürfen die Moto3- und Moto2-Piloten zehn private Testtage absolvieren.] Bisher galten diese zehn Testtage ab dem Saisonfinale bis zum Finale im darauffolgenden Jahr. Nun wird ab Januar bis zum Saisonfinale gezählt, also zählen die Testfahrten im November nach dem Saisonfinale nicht. Vor dem ersten Rennen werden wir viel unterwegs sein. Und natürlich weiß man von Saison zu Saison, wie man sich noch steigern kann. Deshalb habe ich auch aus der schwierigsten Saison meiner Karriere viel gelernt.

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