Fred Corminboeuf: «Lecuona kann Weltmeister werden»
Das Schweizer CGBM-Evolution-Moto2 Team von Fred Corminboeuf trat in der Saison 2018 zum ersten Mal ohne Schweizer Fahrer an, nachdem dort in den letzten Jahren Domi Aegerter, Tom Lüthi, Randy Krummenacher, Robin Mulhauser und Jesko Raffin engagiert waren.
Als neuer Hauptsponsor wurde die ominöse Firma «Swiss Innovative Investors» präsentiert, die zwei Akteure dieser neu gegründeten Firma, die angeblich Schweizer Start-up-Unternehmen finanziert und bisher keine Homepage hat, blieben im Hintergrund.
«Diese beiden Geschäftsleute haben mir das Geld gegeben, damit ich das Team neu starten konnte», sagte Corminboeuf beim Jerez-GP im Mai. «Aber es ist alles spät geworden, erst Ende Januar oder Anfang Februar hatten wir die Gewissheit, dass wir die Saison 2018 finanzieren können. Den Vertrag mit dem indischen Sponsor Andhra Pradesh habe ich nach einem Besuch der indischen Botschaft in Bern eingefädelt. Ich habe ihn erst Ende Januar 2018 beim World Economic Forum in Davos abgeschlossen. Die Vorbereitungen für 2018 haben sich dadurch verzögert. Deshalb hinkten wir der Zeit hinterher. Selbst die Hospitality war beim ersten Europa-GP noch nicht ganz fertig. Ich bin im Januar und Februar 2018 von Pontius zu Pilatus gelaufen, um das nötige Geld aufzutreiben. Das hat auch dazu geführt, dass wir immer noch unbezahlte Rechnungen von 2017 haben.»
Aber auch die Saison 2018 mit den Piloten Sam Lowes und Iker Lecuona war von finanziellen Ärgernissen begleitet, abermals gab es Zahlungsschwierigkeiten. «Ja, ich verhehle das nicht, die Saison 2018 die schwierigste in meinem Leben. Ich habe viele schlaflose Nächte erlebt, ich bin krank geworden, ich konnte keinen Tag Urlaub machen. Es ist alles zuzsamen gekommen.»
Nur einer der beiden SII-Teilhaber bezahlte, aus Indien kam kein Geld, bestätigte Corminboeuf. «Mit der Provinzregierung von Andhra Pradesh haben wir einen klaren Vertrag. Aber gegen staatliche Stellen zu klagen, ist problematisch.»
Sam Lowes hatte beim Saisonfinale in Valencia noch kein Geld bekommen, bei KTM wurden die restlichen 130.000 Euro erst nach der Saison bezahlt. Der erste Moto2-Test in Jerez mit Triumph konnte im Nopvewmber wegen Geldmangel nicht bestritten werden, und Jesko Raffin konnte beim Moto2-EM-Finale in Valencia nicht betreut werden. Er fuhr deshalb dort für ein anderes Team.
Dafür sorgte der erst 18-jährige Iker Lecuona für einen Lichtblick. Bei seinem 37. Moto2-WM-Start brauste er beim Valencia-GP im Regen auf Platz 2, nachdem er zwei Jahre lang meist hinter den Erwartungen geblieben war. Schon in Le Mans 2017 hatte sein Teamkollege Tom Lüthi gemeint: «Jetzt muss er langsam etwas zeigen.»
Teambesitzer Fred Corminboeuf hat hartnäckig an den jungen Spanier, der am morgigen 6. Januar 19 Jahre alt wird, geglaubt.
«Wir haben ihn von der spanischen Supermoto-Serie in die Moto2 gebracht. Als er erstmals auf eine Moto2-Maschine sprang, war er unglaublich gut», versichert der Teamchef. «2017 hatte er aber dann beim Wintertest einen schweren Crash in Jerez, er musste bei den ersten drei Grand von Julián Simón ersetzt werden in Jerez war er dann noch nicht wieder wirklich fit. In Le Mans 2017 war er im FP3 zehn Minuten vor dem Ende an zweiter Stelle hinter Alex Márquez, er war erst 17 Jahre alt, ist aber in diesem Training wieder schwer gestürzt, in Mugello wurde er durch Danny Kent ersetzt. Das war eine schwierige Phase für alle Beteiligten, aber wir haben nie das Vertrauen ins ein Können verloren. Wir wussten von vielen Tests, dass er unglaubliche Fähigkeiten und sehr viel Talent hat. Es fehlte ihm an Erfahrung, trotzdem wollte er etwas zeigen. Und die Medien fragten, warum wir einen Spanier in einem Schweizer Team finanzieren, er brachte ja kein Sponsorgeld mit. Wir haben immer an ihn geglaubt. Nach den Wintertest 2018 sind viele Leute zu uns gekommen und haben uns zu dieser guten Wahl gratuliert.»
Zeitweise wunderten sich die Medien, warum Iker Lecuona keinem spanischen Teamchef wie Pons, Alzamora oder Martinez aufgefallen war. Deshalb wurde er von skeptischen Blicken begleitet.
«Ich habe nie gesagt, Iker Lecuona sei der neue Marc Márquez», versichert Corminboeuf. «Solche Vergleiche habe ich nie gemacht. Ich habe nur gesagt, dass er eines Tage sehr schnell sein kann und das Zeug zum Weltmeister hat, wenn er sich nach unseren Vorstellungen entwickelt.»
Wir wurde Lecuona entdeckt? «Ich habe einen engen Freund in Spanien, der ihn in der nationalen Supermoto-Meisterschaft beobachtet hat. Er hat mir ein Video geschickt, ich war beeindruckt. Ich habe ihn dann durch einen meiner Mechaniker beobachten lassen und ihn in der CEV-Repsol-Moto2-Meisterschaft fahren lassen. Keiner kannte ihn, er ist sofort Vierter oder Fünfter geworden. Dann wurde auch Aspar Martinez auf ihn aufmerksam. Aber wir haben ihm sofort einen Zwei-Jahres-Vertrag gegeben, der inzwischen bis Ende 2020 verlängert worden ist.»
Mit Sam Lowes, der sich 2016 in der Moto2 und 2017 in der MotoGP (bei Aprilia) als Bruchpilot hervortat, wollte Corminboeuf 2018 um den Titel fighten. Aber der Brite kam über den 16. WM-Rang nicht hinaus. KTM-Pilot Lecuona schloss die Saison als WM-Zwölfter (mit 80 Punkten) ab.
«Ich bin ein positiv denkender Mensch. Ich war überzeugt, dass wir mit Sam Erfolg haben könnten, ähnlich wie mit Tom Lüthi, mit dem wir im zweiten und dritten Jahr um den Titel gekämpft haben. Klar, Sam kam nach zwei schwierigen Jahren zu uns. Er war in den GP-Trainings am Freitag und Samstag im Frühjahr jeweils sehr schnell. Aber am Sonntag habe ich dann immer einen ganz anderen Sam erlebt. Da habe ich einen anderen Menschen gesehen, weil er der ganzen Welt zeigen wollte, was er kann, er hat sich zu stark unter Druck gesetzt. Er wollte auf keinen Fall in den Rennen wieder stürzen. Aber wenn du dir das zu verbissen in den Kopf setzt, fliegst du wieder runter… Wir dachten, wir können 2018 mit ihm einen ersten Schritt nach vorne machen. Aber er war ein Jahr weg von dieser Klasse und wollte nicht akzeptieren, dass er kein Siegfahrer mehr war. In den Trainings war er über eine Runde schnell, aber in den Rennen fehlte ihm der Rhythmus und die Konstanz.»
KTM-Pilot Sam Lowes gelang beim GP von Deutschland sein bestes Saisonergebnis, aber dann musste das CGBM-Team die neuen Upgrade-Teile an KTM wieder zurückgeben, weil sie nicht pünktlich bezahlt wurden. Der ehemalige Supersport-Weltmeister kassierte dann in den neun restlichen Rennen nur zehn Punkte! Für 2019 kehrte er zu Gresini und Kalex zurück.
Corminbeouf hat sich für 2019 mit dem amerikanischen Ethan Butpul verbündet, der Joe Roberts ins Team (statt Lowes) einschleuste. Der Rennstall will künftig unter der Bezeichnung «American Team» antreten.