Jochen Kiefer: «Ich muss den Entschluss akzeptieren»
Jochen Kiefer mit Moto2-WM-Pilot Lukas Tulovic
Teambesitzer Jochen Kiefer (51) war wie vom Blitz getroffen, als ihm IRTA-CEO Mike Trimby und Dorna-Sportdirektor Carlos Ezpeleta am Samstag um 9.30 Uhr bei einem Meeting in Brünn offenbarten, dass er keinen Moto2-WM-Startplatz für 2020 erhalten werde. Es war seit Jahren bekannt, dass das Selektions-Komitee lieber Zwei-Fahrer-Teams hatte als kleine Rennställe mit nur einem Fahrer, weil dann Platz für Trucks, Hospitality und an den Boxen gespart werden kann, außerdem wird die Logistik und die Kommunikation einfacher, wenn weniger Teams antreten.
Dorna und IRTA wollen die Anzahl der Moto2-Fahrer von 31 auf 28 oder gar 26 beschränken. Auch die Teams mit den Bezahlfahrern waren den Selektionären ein Dorn im Auge. Es galten Forward und das American Team als gefährdet. Aber jetzt wurden Tascaracing und Kiefer aus der WM befördert, ihre beiden Moto2-Slots dürften Gresini und Petronas erhalten.
Deshalb hat Jochen Kiefer für 2020 einen zweiten Platz beantragt, er nannte da Namen wie Jonas Folger, Steven Odendaal und den Schweizer Moto2-EM-Fahrer Marcel Brenner. Doch auch dieses Konzept fand keine Gnade. Trotzdem wirft Kiefer wirft die Flinte nicht in Korn. Er schmiedet bereits Zukunftspläne ohne Weltmeisterschaft, möchte sein Material künftig in der CEV Repsol-Moto2-EM (eventuell mit Tulovic) einsetzen oder im European Talent Cup. Und vielleicht gelingt eines Tages mit einem vielversprechenden deutschen Talent die Rückkehr in die WM.
Jochen, es gab keine Anzeichen, dass dein Platz in der Moto2-WM gestrichen wird? Hast du geahnt, dass du auf der Gefährdeten-Liste stehst?
Nein. Ich bin von Mike Trimby am Brünn am Freitag per Mail zu einem Gespräch Samstag 9.30 Uhr eingeladen worden. Vor mir war Tascaracing im IRTA-Office. Als ich den Teamchef rauskommen sah und mir seine lange Miene anschaute, ist mir klar geworden: Das werden keine erfreulichen Nachrichten.
Es gab nie eine Vorwarnung?
Nein, eher im Gegenteil. In Mugello haben mir Ana und Carlos Ezpeleta noch das neue Northern Talent Cup-Projekt vorgestellt. Wir wurden gefragt, ob das für uns interessant sei. Ich war mit Peter Bales bei diesem Gespräch. Wir haben gesagt: «Dieses Projekt gefällt uns richtig gut.» Und es gefällt mir immer noch gut. Ich konnte mir vorstellen, etwas zu machen. Ich habe noch einen 7,5-Tonner-Lkw daheim stehen, der wäre optimal für vier Fahrer und vier Motorräder. Ich hätte für den NTC vier Plätze genommen. Dann hätte ich für kleines Geld guten Rennsport gemacht.
Dieses Projekt wird jedoch nur GP-Teams angeboten. Es kann da nicht Herr XY kommen und ein NTC-Team machen, das geht nur über GP-Rennställe. Ich habe 2020 aber keinen mehr. Ich habe dann so eine Art Ausschreibung gemacht. Wir haben 14 Interessenten gefunden. Wir wollten uns vier Fahrer aussuchen.
Aber ich fürchte, ich kann jetzt auch das NTC-Projekt nicht planen, weil ich ja künftig kein GP-Team mehr bin.
Es passiert eigentlich nie, dass ein Team, das keine Schulden hat und dazu einen guten Ruf, einfach eliminiert wird.
Ja, das Meeting hat dann auch keine fünf Minuten gedauert. Es ist Mike Trimby nicht leicht gefallen, mir diese Entscheidung zu überbringen. Er hatte Tränen in den Augen. Mike hat mir gesagt, das sei die schwierigste Aufgabe, die er je erledigen hat müssen.
Das sei einfach beschlossen worden, und Mike war derjenige, der mir diese Botschaft überbringen musste. Auch Carlos Ezpeleta saß dabei. Ich habe ihm angesehen, dass ihm diese Sache schwer gefallen ist.
Deshalb habe ich kein Wort der Kritik geübt. Im Internet sieht es anders aus, das kann ich aber nicht steuern.
Das war eine geschäftliche Entscheidung der GP-Verantwortlichen, die müssen wir akzeptieren. Es ist ja immer so gewesen, dass wir als Team nur einen Ein-Jahres-Vertrag gehabt haben. Ist halt so. Wenn so ein Vertrag nicht verlängert wird, ist das legitim.
In den letzten eineinhalb Jahren fehlte in diesem Bereich dein Bruder Stefan, der als Teammanager den Kontakt zur IRTA und Dorna gehalten hat. Du bist jetzt alleiniger Teambesitzer, Teammanager und dazu Technical Director. Du trägst das ganze finanzielle Risiko. Für Sportpolitik, Small Talk und Pflege der Connections mit den Funktionären fehlte dir klipp und klar die Zeit.
Das ist klar. Logisch. Das hat früher der Stefan gemacht. Ich habe das nie gemacht, ich kenn’ die alle nicht. Klar.
Nach dem Tod von Stefan hast du beim Valencia-GP 2017 festgestellt: Ich bin Techniker, um das Kommerzielle hat sich bisher Stefan gekümmert, davon habe ich keine Ahnung.
Ja, das ist auch so. Ich habe mich dann reingearbeitet. Ich kann meinen Betrieb führen, das funktioniert sehr gut, zusammen mit meiner Frau. Das klappt.
Aber natürlich bin ich da nicht so versiert wie mein Bruder, der das seit 2003 in der WM gemacht hat. Er wusste, wo er hingehen muss und mit wem er zu reden hat. Dieses Wissen fehlt mir teilweise noch.