MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Mike Webb: Das Bummeln schadet Fahrern und Moto3

Kolumne von Simon Patterson
«Die Moto3-Fahrer sollen zukünftige MotoGP-Fahrer sein», fasst Race Director Mike Webb zusammen. Das Bummeln soll aufhören – und die Stewards um Freddie Spencer greifen deshalb 2020 härter durch.

«Social Distancing» und das Vermeiden von Menschenansammlungen ist in unserem Alltag erst seit einigen Wochen ein großes Thema. In der Moto3-WM ist es dagegen ein altbekanntes Problem, wenn die Fahrer in der letzten Minute der entscheidenden Trainings- oder Quali-Session alle gleichzeitig auf die Strecke gehen, auf der Suche nach dem perfekten Windschatten bummeln, sich gegenseitig im Weg stehen und im schlimmsten Fall auch noch in Gefahr bringen.

Die dafür verhängten Strafversetzungen sorgten regelmäßig dafür, dass die Moto3-Startaufstellung auf den Kopf gestellt wurde. Dem wollen die Stewards Freddie Spencer und Bill Combow 2020 entschieden entgegentreten. Am Donnerstag vor dem ersten Grand Prix in Katar wurden die Fahrer der kleinsten Klasse daher zu einem Extra-Briefing gerufen, wo einzig das Thema Bummeln behandelt wurde. «Denn in einem normalen, traditionellen Fahrer-Briefing reicht die Zeit nicht, um ins Detail zu gehen. Deshalb gab es ein separates, wo das Vorgehen und die möglichen Strafen erklärt wurden. Im Vergleich zum Vorjahr wurden einige Dinge ergänzt», erklärt MotoGP-Renndirektor Mike Webb.

Zur Erinnerung: Bis einschließlich 2018 war Webb in einer Doppelrolle tätig: Er war nicht nur Rennleiter sondern auch Vorsitzender des Stewards Panels. 2019 übernahm Spencer diese Aufgabe, seither ist er für das Verhängen von Strafen zuständig. Webb konzentriert sich auf seine Rolle als MotoGP Race Direktor.

«Ich spreche im Namen von Bill und Freddie, weil es eigentlich deren Zuständigkeitsbereich ist», schickt Webb voraus. «Uns ist allen bewusst, welches Verhalten es nicht geben sollte. Ich weiß, dass sie im vergangenen Jahr große Fortschritte gemacht haben mit einer Herangehensweise, die etwas anders war als zu der Zeit, als ich den Job hatte. Sie versuchen den Teams und Fahrern zu verstehen zu geben, was das Ziel ist und warum es für sie gut ist, wie normale Leute zu fahren und wie ein richtiger MotoGP-Fahrer an der Rennpace zu arbeiten, anstatt sich wie Dummköpfe aufzuführen. Aus meiner Sicht – von außen – habe ich das Gefühl, dass die Teams und Fahrer schon im Vorjahr mit aufgesprungen sind, es wurde besser. Diese Arbeit wird nun einfach fortgesetzt.»

Dazu gehörte auch, dass nach dem ersten Trainings-Tag in Doha auch den Teammanagern ins Gewissen geredet wurde. «Die Teams tragen einen großen Teil der Verantwortung», ist Webb überzeugt. «Wann sie die Fahrer auf die Strecke schicken und wie sie es machen – einfach das richtige Verhalten, dass sie die Teamkollegen zusammen auf die Strecke lassen, damit sie sich gegenseitig ziehen und von den Gruppen mit 20 Fahrern wegkommen, in die die Fahrer dann verwickelt werden – und dadurch in gefährliche Situationen kommen. Stattdessen sollen sie wirklich ihr Training und ihre Rundenzeiten durchziehen. Viel liegt also bei den Teams – darum ging es in einem zweiten Meeting am Freitag vor dem Katar-GP. Dort haben Bill und Freddie den Teammanagern klargemacht, dass es besser geht als das, was wir am Freitag gesehen hatten. Nach dem Motto: ‚Wir brauchen eure Hilfe, lasst uns zusammenarbeiten, damit wir dieses Problem lösen.‘»

Sollte diese Zusammenarbeit nicht funktionieren, werden es ab 2020 härtere Strafen als ein sogenannter Grid-Penalty verhängt – der Katalog reicht bis zum Ausschluss von einer Session oder einem Long-Lap-Penalty im Rennen. «Die Stewards haben alle Möglichkeiten und entscheiden, was sie machen wollen», stellte Webb klar.

Um die Schuldigen auszuforschen, werden verstärkt auch Videos studiert. Das Strafmaß soll außerdem davon abhängen, ob und wie stark die Mitstreiter durch das Fehlverhalten behindert werden. Wie bisher bereits üblich, werden die Konsequenzen für Wiederholungstäter härter ausfallen.

Einige erfahrene Moto3-Fahrer merkten trotzdem an, dass die Problematik auf Dauer nur durch ein neues Qualifying-Format gelöst werden kann. Wie steht Webb dazu? «Wir haben darüber nachgedacht und ausführlich darüber gesprochen – aus der Sicht der Rennleitung, der Stewards und Dorna, denn es ist Teil der Show. Wir versuchen ein neues Format zu vermeiden, aber wir werden vermutlich an den Punkt kommen, wo nur noch das übrig bleibt. Wir wollen versuchen, die positiven Punkte des Formats, das wir jetzt haben, zu behalten. Die zwei kurzen Quali-Sessions sind aufregend und großartig. Das soll so bleiben. Dann müssen wir einen Weg finden, das es funktioniert.»

Immerhin geht es um die Rennfahrer-Zukunft der Moto3-Fahrer. «Sie müssen zukünftige MotoGP-Fahrer sein», unterstrich der Race Director. «Und MotoGP-Fahrer verbringen ihr ganzes Leben damit, am Set-up für das Rennen zu arbeiten. Sie stellen sicher, dass sie freie Fahrt haben, damit sie das auch tun können. In der Rennpace spiegelt sich das auch wieder. Die Moto3-Fahrer sind die ganze Zeit darauf aus, eine schnelle Runde zu fahren. Und die Tatsache, dass das Rennen so langsam ist, dass du auch noch gewinnen kannst, wenn du vom Ende der Startaufstellung oder aus der Pit-Lane losfährst, ist lächerlich. Die müssen reifer werden und wirklich Motorradfahren – und wir müssen einen Weg finden, sie dazu zu bringen.»

Dass sie bei langsameren Rundenzeiten und etwas kürzeren Sessions nicht ausreichend Zeit dafür hätten, lässt Webb nicht gelten: «Im Moment nutzen sie nicht annähernd die Runden aus, die sie fahren könnten. Sie sitzen die ganze Zeit nur in der Box und warten ab. Es tut mir leid, aber dieses Argument entbehrt jeder Grundlage», winkte er schmunzelnd ab.

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