Maverick Viñales: Herausforderer für Valentino Rossi
Maverick Viñales: «Ich kam zu Yamaha, um den MotoGP-Titel zu gewinnen, nicht um Rossi zu bezwingen»
«Wir erwarten nicht, dass Valentino Rossi und Maverick Viñales die besten Freunde werden», erklärte ein Mitglied von Rossis Crew mit einem schiefen Grinsen. Kein Wunder, denn dieser Einschätzung ging ein Kommentar des Spaniers voraus, der sich sehen lassen kann. Nachdem Rossi im Qualifying von Motegi dessen Windschatten zur Eroberung der Pole genutzt hatte, zischte der Junior: «Er geht mir jetzt schon auf den Wecker!»
Rossi und Viñales werden nun nicht mehr die Kumpel sein, die sie bisher waren. Denn nun sind sie Teamkollegen und das heisst in der MotoGP nichts anderes, als dass da ein Gegner auf der anderen Seite der Box ist, den es um jeden Preis zu schlagen gilt, will man ernst genommen werden. Und Rossi weiss das nur allzu gut.
Der Superchampion dürfte mit der Ankunft von Viñales im Yamaha-Werksteam ein Déjà-vu erleben, es ist wie eine Zeitreise zurück ins Jahr 2008, als ein 20-jähriger Jorge Lorenzo zu den Japanern kam, um Rossi vom Thron zu stürzen. Und genau das hat auch Viñales vor, der in Lorenzos Fussstapfen tritt.
Auch wenn sich Lorenzo und Viñales charakterlich deutlich unterscheiden, das Ziel ist das Gleiche. Als Jorge 2008 in die MotoGP aufstieg, konzentrierte er sich ganz auf Rossi, der die Messlatte für den schnellen Mallorquiner war. Und wir alle kennen die Geschichte, die daraufhin folgte: Pole in den ersten drei Läufen und ein Sieg im dritten GP... Auf seinem Weg zum Titel musste er aber auch einige üble Stürze einstecken.
Einige davon fielen derart schmerzlich aus, dass Lorenzo dem Sport beinahe den Rücken gekehrt hätte. Doch er harrte aus und schaffte es nicht nur, Rossi vom Thron zu stürzen, sondern auch jene Box für sich zu gewinnen, die bis zu diesem Zeitpunkt unbestrittenes Rossi-Territorium war. Viñales hingegen konzentriert sich nicht auf Rossi. Sein Hauptrivale ist Marc Márquez.
«Ganz ehrlich, Marc ist mehr als nur ein Ziel», stellte Maverick unlängst klar. «Wenn ich mir seine Leistungen und Errungenschaften auf der Strecke anschaue, dann denke ich mir vielmehr: Oh, wenn er das kann, dann schaffe ich das auch. Der 21-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass Rossi und Lorenzo irgendwann einmal nicht mehr gegen ihn fahren werden. Sein echter Rivale, mit dem er in den nächsten zehn Jahren um den Titel kämpfen muss, heisst Márquez.
Für Viñales ist Rossi denn auch «nicht mehr als ein Teamkollege», betont das MotoGP-Talent. Das heisst: Der Erste, den es zu schlagen gilt – und zwar zwingend. «Ich kam zu Yamaha, um den MotoGP-Titel zu gewinnen, nicht um Rossi zu bezwingen», erklärte der Katalane schon während der Saison. «Es ist genau die gleiche Herangehensweise wie bei Suzuki, ich wollte Rennen gewinnen und nicht einfach Aleix Espargaró schlagen. Natürlich musste ich ihn schlagen, um die Siege einzufahren – ihn und alle anderen auch. Nur einer kann den Sieg holen – deshalb ist es unmöglich, dass Valentino und ich nächstes Jahr beide Erste werden.»
Man kann sich vorstellen, dass die Ankunft eines weiteren schnellen Spaniers für Rossi wie ein wiederkehrender Albtraum zu sein scheint – Lorenzo, Márquez und jetzt Viñales... Welche Qual diese Spanier doch für ihn sind. Eine Generation von jungen Wilden, die einer nach dem anderen aufgestiegen sind, um Rossi zu schlagen. Daran hat sich Rossi mittlerweile gewöhnt, doch wenn man darüber nachdenkt, merkt man, wie überwältigend das ist. Valentino hat unglaublich viel geleistet.
Der Krieg hat schon begonnen. So hat Rossi bester Freund Uccio bereits über die spanische Zeitung Marca eine Ansage platziert, die im Lager von Viñales nicht gerade gut angekommen sein dürfte. «Trau niemandem, der sagt, dass er dein Poster an der Wand hängen hat», keifte der beste Freund des neunfachen Weltmeisters. «Ich habe den grössten Respekt für Maverick, aber er sollte wissen, dass er auf der anderen Seite der Box zuhause sein wird, und wir hier auf dieser. Da ist kein Platz für Freundschaft. Wir müssen respektvoll miteinander umgehen – und zwar auf und neben der Strecke. Aber Freundschaft ist etwas anderes.»
Im Gegensatz zu Lorenzo, der aus den unteren Kategorien aufstieg und ohne MotoGP-Erfahrung ins Team kam, kann Viñales auf zwei Jahre Erfahrung in der Königsklasse der WM zurückgreifen. Er hat sein Lehrgeld auf der Suzuki bezahlt und die Experten sind sich einig, dass er auf der zweiten Yamaha, die Lorenzo in den letzten neun Jahren fuhr – sieben davon neben Rossi – als Titel-Kandidat anzusehen ist.