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Obing: Eine Bastion des deutschen Rennsports

Von Sharleena Wirsing
Von Karl Freilinger bis Markus Reiterberger: Seit 1925 brachte das 4000 Seelen Dorf Obing im oberbayerischen Landkreis Traunstein immer wieder international erfolgreiche Motorradrennfahrer hervor.

Wir befinden uns im Jahre 2017. Ganz Deutschland ist vom Automobilrennsport besetzt... Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Bayern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dieser Übermacht Widerstand zu leisten: Obing. Wie die tapferen Gallier um Asterix und Obelix konnten auch die Motorradrennfahrer aus dem oberbayerischen Dorf nur durch einen Zaubertrank aus bedingungslosem Zusammenhalt und gegenseitiger Unterstützung ihre Fahne über Jahrzehnte hinweg hochhalten.

Seinen Anfang nahm die Rennsportgeschichte Obings mit Karl Freilinger, der 1925 das Salzbergrennen in Berchtesgaden gewann. Noch heute erinnert eine AJS-Maschine im Autohaus Freilinger, das von Sohn Fritz geführt wird, in Obing an den ersten Motorradrennfahrer des kleinen Ortes.

Mit Franz Wimmer wurde in den 1950er-Jahren die Rennsportbegeisterung in Obing fortgesetzt, er gewann Sandbahn und Straßenrennen.

Ihren Höhepunkt erreichte die Dynastie der Obinger Rennfahrer durch die Brüder Alfred und Josef Huber, die mit Seitenwagen riesige Erfolge feierten.

Die «Huaba Buam» Fred und Sepp begannen ihre Karriere 1958. «Im Winter von 1957 auf 1958 habe ich eine BWM hergerichtet, dann suchte ich einen Beifahrer. Mehrere haben sich gemeldet, doch als das erste Rennen näher kam, haben sie alle abgesagt. Dann habe ich mir gedacht: ‹Was mach ich nur?› Also habe ich meinen Bruder gefragt, er sagte: ‹Ja, dann fahre ich da eben mal mit.› Wir haben dann mit einem Gespann-Grasbahnrennen in Übersee begonnen, Fritz Albert baute den Beiwagen. Das war aber nichts, mit einem Linksbeiwagen auf der Bahn. Der Beiwagen war nicht fest am Motorrad, man musste es wie als Solofahrer umlegen. Am Sonntag vor dem Rennen probierten wir die Maschine aus. Erst fuhr Fritz mit meinem Bruder Sepp, doch sie stürzten einen zwei Meter tiefen Graben hinunter. Sepp musste nach Traunstein ins Krankenhaus. Sie konnten ihn nicht nach seinem Namen und seiner Adresse fragen, also wollten sie das am nächsten Tag machen, aber am Tag darauf war er nicht mehr da. Er fuhr per Anhalter wieder nach Übersee», lachte Fred Huber, der auch zwei Jahre Bob-Rennen fuhr.

«Das haben wir natürlich alles aus eigener Tasche bezahlt, damals hat man keine Mark von irgendjemandem bekommen», erinnert sich Sepp Huber im Nebenzimmer des Obinger Weißbräustüberl an seine Rennsportkarriere. «Auch technisch haben wir alles selber gemacht. Wir waren ganz auf uns gestellt. Doch, von einem Metzger aus Obing haben wir für die Fahrt zum nächsten Rennen mal eine große Salami bekommen. Er war also unser Sponsor», lachte er.

Noch immer sind die «Huaba Buam» ein unterhaltsames Gespann, das mit großer Begeisterung, stets mit einem Augenzwinkern und beißendem Humor von seinen Erfolgen berichtet – typisch bayerisch.

«Zusammen haben wir an 46 Sandbahnrennen teilgenommen, von denen wir 19 gewonnen haben. 1960 und 1961 nahmen wir an zwei Klassen teil: 500 ccm und 750 ccm. Fünf Mal sind wir ausgefallen, der Rest waren zweite und dritte Plätze», erklärte Fred. «Wir waren Vize-Europameister auf der Sandbahn in der 750-ccm-Klasse. 1962 waren wir Zweiter der Deutschen Meisterschaft auf der Straße. Wir hätten den Titel leicht einfahren können, denn wir hatten drei Ausfälle, die späteren Meister keinen. Natürlich fuhren wir zusätzlich auch bei Rennen im Ausland. Nach den Rennen mussten sie mich immer fast vom Motorrad heben, aber Sepp stieg aus, als sei nichts gewesen.» Sepp unterbrach: «Ich habe ja auch den ganzen Winter Leichtathletik-Training gemacht. Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer.»

Adi Stadler, selbst ehemaliger Rennfahrer und nun für Honda in der Motorrad-WM tätig, betonte: «Wir sprechen hier von Rennen vor über 300.000 Zuschauern, die nicht wie bei manchen Rennen heute dreimal gezählt wurden, um auf eine große Zahl zu kommen.» Fred erinnert sich: «Auf dem Nürburgring kam es 1962 sogar zu Prügeleien um die letzten Zuschauerplätze für das Rennen.»

Sepp Huber: Zwei WM-Titel, drei «Isle of Man»-Siege

Dreimal gewann Sepp Huber als Beifahrer von Rolf Steinhausen bei der «Isle of Man», dem wohl härtesten Rennen der Welt, in der 500-ccm-Klasse der Gespanne. «Wir wussten, dass wir jederzeit sterben können, aber geglaubt haben wir es nicht», sagt er. Zwei weitere Male befanden sie sich unter den ersten Fünf. «1972 wollte ich aufhören, doch Steinhausen hatte Schwierigkeiten mit seinem Beifahrer. Man erzählte ihm, dass ich nun frei wäre. Er rief mich 1974 an, ich fuhr sofort zu ihm. Gleich bei unserem ersten gemeinsamen Weltmeisterschaftslauf wurden wir Zweiter. Eine Woche später gewannen wir in Belgien. Man will gar nicht glauben, wie viel der Beifahrer ausmacht. Es geht um die richtigen Bewegungen in Bruchteilen einer Sekunde. Das ist sehr anstrengend.»

1975 und 1976 wurden Steinhausen und Huber Gespann-Weltmeister. «Das Allergrößte war, die Isle of Man zu gewinnen. 1976 gewannen wir auf denselben Strecken wie im Jahr zuvor und wurden wieder Weltmeister. 1977 hätte es wahrscheinlich auch noch einmal geklappt, aber ich hatte einen privaten Unfall, ich war eine Woche bewusstlos und zwischenzeitlich gelähmt. Nach einem Jahr Pause habe ich es wieder versucht, doch es klappte nicht mehr, weil mein Körper einfach zu langsam war. Also musste ich den Sport aufgeben. Für das Mittelfeld hätte es gereicht, aber das wollte ich nicht», resümierte Huber.

1968: Ein herber Verlust für Obing

Wie schon George Orwell sagte: «Spitzensport ist wie Krieg ohne Schießerei.» Leider gibt es auch in diesem Krieg ohne Waffen immer wieder Gefallene. Auch die bayerische Gemeinde hatte einen herben Verlust zu betrauern. 1968 verunglückte Autorennfahrer Horst Schrankl beim Ratisbona Bergrennen in Kehlheim.

Es ist das bisher dunkelste Kapitel des Rennsports in Obing. «Er hatte einen Baum gestreift, sich überschlagen und der Porsche schlitterte auf der Seite liegend noch durch das Ziel. Direkt vor dem Rettungswagen des Roten Kreuzes kam der Wagen zum Stehen. Er hat als Toter gesiegt», erinnert sich Fred Huber. «Der Rennleiter hat dann mich gefragt, wie der Fahrer überhaupt heißt. Ich musste ihm dann Auskunft geben, dass es unser Nachbar ist. Dann riefen sie bei Horst zuhause an», berichtet Sepp Huber und fügt hinzu: «Horst Schrankls Bruder Sigi war Rallye-Beifahrer bei Hermann Gassner. Er war viermal Deutscher Meister als Beifahrer und zweimal Österreichischer Staatsmeister.»

Adi Stadler: Europameister und wichtiger Förderer

1982 startete Adi Stadler seine Rennsport-Karriere im Hercules Sachs Cup gemeinsam mit seinem Freund Otto Maier, der ebenfalls aus Obing stammt. «Wir hörten von der Ausschreibung und entschieden uns, an diesem Cup teilzunehmen. Man bekam dafür ein Set aus der 50-ccm-Herkules mit 13 PS sowie Helm, Kombi und Stiefel. Das Set kostete etwa 5000 Mark. Wir wurden nach Hannover zur Einführungsveranstaltung eingeladen, dort trafen wir Lehrlinge von Hercules, die uns erzählten, dass sich zu wenige Fahrer angemeldet hatten. Sie bekamen daher das Set umsonst, damit der Cup stattfindet. Adi sagte dann, dass wir das auch so machen wollen, der Chef-Mechaniker stimmte mit der Begründung zu: ‹Das ist jetzt auch schon egal›. Sturzteile gab es dann zum Einkaufpreis», berichtete Maier, der seine Karriere nach der Teilnahme am Herkules Sachs Cup beendete.

Adi Stadler eroberte fünf Jahre später hingegen den Titel des Europameisters und stieg 1988 in die 125-ccm-Weltmeisterschaft ein, wo er auf Anhieb Rang 7 der Gesamtwertung erreichte. 1992 wechselte er in die 250-ccm-WM. «Obing hat eine lange Motorsporttradition die bis in die 1930er Jahre zurückreicht. Dieser Ort ist außergewöhnlich, denn man ist als Rennfahrer anerkannt und alle stehen hinter einem. Ich habe auf diese Weise viel Unterstützung erhalten», erzählt Stadler.

Fred Huber erinnert sich an dessen frühe Begeisterung für Technik: «Adi ist unser Nachbar und war schon immer daran interessiert, wenn die Motorräder auf unserem Hof gelaufen sind.» Stadler stimmte zu: «Der Kontakt zum Sport kam über diese Burschen, denn sie waren mit meinem Vater befreundet. Fred und Sepp waren natürlich als bekannte Rennfahrer ein Vorbild. Außerdem war ich mit meinem Vater auch am Salzburgring und sah dort viele Rennen.»

Adi Stadler begann seine WM-Karriere, während äußerst erfolgreiche deutsche Fahrer das Interesse am Motorradsport bereits maßgeblich gesteigert hatten: Toni Mang wurde 1987 zum fünften Mal Weltmeister, Reinhold Roth Vizeweltmeister und Karl Maier Langbahnweltmeister. «Als ich fuhr, war die Gegend von Freilassing bis kurz vor München und auch um Salzburg eine Weltmacht, was diesen Sport betrifft. Rund um den Salzburgring gab es etwa 15 internationale Rennfahrer. Dort ist heute nichts mehr davon zu sehen. Obing ist in dieser Hinsicht einzigartig.»

Stadler wurde sogar von Obinger Pfarrer zu manchen Rennen begleitet. «Unser Pfarrer war ein allgemein sehr sportbegeisterter Mensch, er ist bis heute ein großer Fan vom TSV 1860 München. Zu meiner aktiven Zeit kam er dann zum Motorradclub dazu. Er reiste als Zuschauer zum Beispiel an den Hockenheimring, als viele Obinger mit dem Bus dorthin kamen. Das Bayerische Fernsehen war auf diese Story natürlich auch scharf und machte mit unserem Pfarrer ein Interview. Der Journalist sagte zu ihm: ‹Aber heute ist doch Fronleichnam.› Er antwortete: ‹Das macht nichts, das haben wir ausfallen lassen, dafür machen wir im nächsten Jahr zwei.›»

Nach 115 Grand Prix-Starts und dem Ende seiner aktiven Laufbahn 1995 wechselte KFZ-Mechaniker-Meister Stadler auf die andere Seite der Boxenmauer und betreute für HRC nationale und internationale Meisterschaften auf technischer Ebene.

Zudem unterstützte der Bayer, der sich nun seit über 30 Jahren ununterbrochen im Motorradrennsport bewegt, stetig junge deutsche Talente wie Reinhard Stolz, Marcel Schrötter oder Michael Ecklmaier. Doch Stadler griff so ziemlich jedem aktuellen deutschen WM-Piloten zu einem gewissen Zeitpunkt seiner Karriere unter die Arme. Zudem arbeitete er eng mit Dani Pedrosa und Alberto Puig zusammen.

Thomas und Markus Reiterberger: Eine Familie mit Speed

Was nur wenige Superbike-Fans wissen: Auch Thomas Reiterberger, Vater von BMW-Pilot Markus Reiterberger, war selbst als Rennfahrer unterwegs – auf der Sandbahn. Im März 1986 absolvierte er in Plattling sein erstes Sandbahnrennen und wurde auf Anhieb Siebter, nachdem er 1985 an einem Speedway-Lehrgang in Landshut teilgenommen hatte. Doch bereits am 1. Juni 1986 brach er sich bei einem Sturz in Mühldorf vier Wirbel. 1987 schwang er sich wieder in den Sattel und fuhr verschiedene Speedway-, Gras- und Sandbahnrennen der Lizenzklasse B.

Sein erster Sieg folgte 1987 vor über 10.000 Zuschauern beim Grasbahnrennen in Berghaupten. «Der Verein Motorradfahrer Gemeinschaft Obing hat immer 90 Prozent des Jahresgewinns an die Rennfahrer ausgeschüttet. Wir haben alle davon profitiert – ich, Adi und später auch Markus Ober. Im Bahnsport war das Finanzielle nicht so dramatisch, das ist relativ günstig. Es ist auch die einzige Motorsportart, bei der man kein Startgeld zahlen muss, sondern welches bekommt. Das waren damals 50 oder 70 Mark und dann kam noch Punktgeld dazu. Das war schon anders als in der IDM heute. Daher war es der einzige Motorsport, den ich überhaupt betreiben konnte. Die Lizenzkosten wurden vom Verein übernommen. Ich wurde sehr gut unterstützt.»

«Im OMK-Pokal lag ich 1989 auf Platz 6, aber ein Lauf der Meisterschaft hätte in Lübeck stattgefunden, so weit wollte ich nicht fahren. Ich habe die internationale Lizenz nie beantragt. Ich hatte mich schon gleich in meiner ersten Saison schwer verletzt und mir vier Wirbel gebrochen. In einer Saison ließ ich dann sogar die zwei letzten Rennen aus, damit ich weiter mit der B-Lizenz fahren kann und nicht zur A-Lizenz aufsteigen muss, denn dann wäre der Sport noch teurer geworden. Man muss sich an diesem Punkt Gedanken machen, ob man den großen Schritt wagen will», erklärte Thomas Reiterberger, der sich gegen eine Profikarriere entschied.

Markus Ober: Ein Obinger in der Königsklasse

Markus Ober schaffte es als einziger Obinger in die Königsklasse der Motorradweltmeisterschaft und trat dort gegen Legenden wie Mick Doohan an. «Natürlich ist man da aufgeregt, denn diese Fahrer hingen früher auf Postern in meinem Zimmer. Und dann fuhr ich auf der Rennstrecke plötzlich mit den ganz Großen mit. Ich bin direkt von der Deutschen Meisterschaft in die 500-ccm-Klasse aufgestiegen. In der Deutschen Meisterschaft war ich nur mit 125-ccm- und 250-ccm-Maschinen unterwegs.» Ober wurde 1997 Deutscher 250-ccm-Meister, 1998 Vizemeister und stieg 1999 direkt in die Weltmeisterschaft auf.

Du hast also nicht nur den Sprung in die Weltmeisterschaft gewagt, sondern musstest dich auch noch in einer für dich völlig neuen Hubraumklasse zurechtfinden? «Das war der Deal», erklärte Ober. «Eigentlich wollte ich in der 250-ccm-Weltmeisterschaft für das holländische Team Dee Cee fahren. Das Management hatte Martin Wimmer in der Hand. Er hatte mir schon für die Europameisterschaft geholfen. Dann kam der erste Test und sie hatten noch keine 250-ccm-Maschine, daher fuhren wir mit dem 500-ccm-Bike. Der Japaner Masaki Tokudome hätte die 500-ccm-WM für das Team bestreiten sollen, aber ich war bei den Testfahrten drei oder vier Sekunden schneller als er. Also wurde mir gesagt, dass ich in der 500-ccm-Klasse fahren soll.»

«Ich habe mich dann falsch entschieden», weiß Ober heute. «Ich hätte die 250-ccm-Maschine fahren sollen, aber ich stimmte dem 500-ccm-Deal zu. Ich holte in einer halben Saison sieben Punkte, dann ging das Geld aus. Zudem brach ich mir auch noch bei einem Superbike-Lauf der Deutschen Meisterschaft die Hand, den ich nur bestritten hatte, um etwas Geld zu verdienen. Das Getriebe ging mitten in der Kurve fest. Dann war es aus. Ich habe meine Karriere dann beendet.»

Auch Ober wurde durch die Menschen aus Obing tatkräftig unterstützt. «Obing ist brutal. Durch Adi waren die Leute frisch angesteckt. Meine Eltern fuhren schon immer zum Salzburgring, um Adi bei seinen Rennen zuzusehen, daher war auch ich als kleiner Junge immer dabei und schlich mich ins Fahrerlager. Einmal kauften wir draußen ein Brathendl und sagten am Einlass, dass wir es Adi bringen müssen, damit er nicht hungrig fahren muss. Das hat funktioniert. Auch ich wurde wirklich sehr stark unterstützt. Meine Freunde kamen fast an jede Rennstrecke mit mir. Das war super. Doch Sponsoren finden war nie einfach, die Motorradfahrergemeinschaft Obing hat schon immer darauf geachtet, dass wir Fahrer unterstützt werden. Einfach war es trotzdem nie.»

1996 griff auch Sepp Hubers Sohn Markus die Rennsporttradition in Obing auf, nachdem er die Erfolge von Adi Stadler und die Anfänge der Karriere von Markus Ober miterlebt hatte. Sein größter Erfolg war der Vizetitel im Alpe Adria Cup 2004 auf einer Honda TSR 250. Zuvor war Huber im ADAC Junior Cup und in der IDM unterwegs. «Das war die beste Zeit und zu hundert Prozent einmalig», schwärmt Huber noch heute.

Der neue Star aus Obing: Markus Reiterberger

Der aktuelle Stern am Obinger Motorsporthimmel ist Markus Reiterberger. Er ist die große Hoffnung des bayerischen Dorfes, denn der BMW-Pilot schaffte es nach zwei Meisterschaftsgewinnen in der IDM Superbike 2016 in die Superbike-Weltmeisterschaft. Die Saison 2016 verlief für «Reiti» mit Höhen und Tiefen, doch er konnte bereits mit hervorragenden Ergebnissen wie Platz 5 in Thailand glänzen. «Ich wollte eigentlich Speedway-Fahrer werden wie mein Vater, denn darum ging es bei uns tagtäglich», erinnert sich Markus.

Vater Tom ergänzte: «Wir hatten eine kleine Trainingsbahn an unserem Haus. Damals war Markus vier Jahre alt. Mit ihm fuhr auch immer Markus Ober, der damals noch als Rennfahrer aktiv war. Er ist auch Markus’ Firmpate.» «Dann sagte mein Vater, dass ich ein Moped kriege, sobald ich Rad fahren kann», lachte Markus. «Dann haben mir Markus Ober und noch ein paar das Radfahren beigebracht.»

«Markus’ erste Maschine war ein Eigenbau. Ich wollte ihm eigentlich eine PW50 kaufen, aber das war mir neu etwas zu teuer und gebraucht gab es keine in einem guten Zustand», erklärte Tom.

Markus fuhr fort: «Zuerst jagte ich nur mit dem Eigenbau bei uns ums Haus. Dann habe ich mit sechs Jahren meinen ersten Crosser bekommen. Bei mir fing dann alles mit Schnee-Motocross an. Mit acht Jahren fuhr ich dann Supermoto. Ich wollte Speedway-Fahrer werden, aber ich durfte nicht. Dann habe ich von Adi ein Minibike bekommen und fuhr im Minibike-Cup, das war 2003. Der Adi ist also Schuld», lachte Markus. Auch den 20-fachen GP-Sieger Ralf Waldmann, der ursprünglich aus Ennepetal stammt, zog es für einige Jahre nach Obing. «Jeden Dienstag waren wir in Ampfing. Damals war auch Waldi dabei. Er stammt zwar nicht von hier, hat aber bis zum vorletzten Jahr lange Zeit in Obing gewohnt.»

Markus Reiterberger hatte nicht nur bekannte Trainingspartner, sondern auch einen besonderen Firmpaten: WM-Pilot Markus Ober. Das Firmungsgeschenk hatte jedoch ausnahmsweise nichts mit Motorradsport zu tun. «Es war eine Stereoanlage», erinnert sich Reiterberger.

Auch auf schnelle deutsche Landsmänner traf Reiterberger bereits früh. «Bei den Minibikes hat Jonas Folger die 65er-Klasse gewonnen und ich die 50er, daher wurden wir von Honda zum Zwei-Stunden-Minibike-Rennen in Motegi eingeladen. Es war unglaublich, so jung nach Japan zu reisen. Ich flog mit meinem Vater und Folger mit seinem Vater nach Japan. Wir waren quasi das Honda-Minibike-Werksteam», lachte Reiterberger. «Ich war dann bei der Sichtung zum ADAC Junior Cup und wurde zusammen mit Jonas Folger und noch einem Fahrer ausgewählt. Im ersten Jahr wurde ich Vierter, dann Deutscher Meister. Wir haben ziemlich viel gewonnen. Dann kam die Sichtung für den Red Bull Rookies Cup, ich nahm zwei Jahre am Cup teil. Mit 15 Jahren war ich aber schon viel zu groß und schwer für eine 125-ccm-Maschine.»

Reiterberger schloss den Red Bull Rookies Cup 2007 auf Platz 8 ab, während der heutige Moto2-Weltmeister Johann Zarco den Cup gewann, im nächsten Jahr erreichte er nur den elften Rang. 2009 wechselte in den Yamaha-R6-Cup. «Dort haben mein Vater und ich praktisch ein eigenes Team auf die Beine gestellt.» Trotz eines Handgelenkbruchs wurde er im ersten Jahr bereits Vierter. 2010 gewann Reiterberger den Cup. «Wir wollten an diesem Punkt bereits aufhören, denn 2011 im Februar hatten wir noch kein Bike und es ging nichts zusammen. Doch mein Vater arbeitete damals für Alpha Technik, die mir einen Start in der Superstock-EM ermöglichten. Nach zwei Jahren holte mich Werner Daemen [Anm.: sein heutiger Manager] dann in das IDM-Meisterteam. Schon im ersten Jahr gewannen wir den Superbike-Titel.» 2013 dominierte Reiterberger die IDM Superbike, die er mit nur 19 Jahren zum ersten Mal gewann. 2015 wiederholte er seinen Triumph für BMW Motorrad.

Wie kam es dazu, dass du bereits in der IDM einen Cowboy-Hut statt eines Caps in der Startaufstellung getragen hast? «Das hat mit der Schlossbrauerei Stein zu tun. Das ist ein jahrelanger Sponsor von mir. Sie hatten als Werbegeschenk diese Cowboyhüte. Ich setzte sie immer gerne auf. Ich machte das BMW-Zeichen drauf, weil man mich immer gebeten hat, das Cap aufzusetzen. Das war ein Kompromiss.» Die Schlossbrauerei Stein ist etwa 13 Kilometer von Obing entfernt.

«Nun bin ich sehr froh, dass wir den Sprung in die Superbike-WM geschafft haben.» Die Unterstützung der Obinger lässt weiterhin nicht nach. «Die Unterstützung wird immer größer. Angefangen hat das schon bei den Minibikes. Es gibt viele Sponsoren, Gönner und Menschen, die mir immer helfen. Das ist einzigartig, denn von jedem, den ich kenne, bekomme ich etwas und sie helfen mir. In der Anfangszeit konnten wir beispielsweise in Obing für die Fahrt zu den Rennen gratis tanken. Ohne diese ganze Unterstützung wäre das alles nicht möglich gewesen. Jeder, der etwas geben kann, tut das hier auch», betonte «Reiti».

In Obing verfolgen bei einer Art «public viewing» stets etwas hundert Menschen Reitis Rennen. Da die Örtlichkeit nicht Platz für alle Unterstützer bietet, sehen manche sogar durch die Fenster hindurch zu. «Ich habe nun einen Fanclub, den meine fünf besten Freunde auf die Beine gestellt haben. Sie waren im vorletzten Jahr zum Beispiel mit einem ganzen Bus in Schleiz. 2016 kamen sie nach Imola und an den Lausitzring.»

Dein Traum ist die MotoGP-Klasse? «Ja, ich denke, für jeden Rennfahrer ist die MotoGP-WM der große Traum. MotoGP ist einfach die Königsklasse, es sind interessante Prototypen – echte Rennmotorräder. Aber nun müssen wir Schritt für Schritt vorgehen und schauen, dass wir in der Superbike-WM nach vorne kommen. Es gibt viele Wege, um in die MotoGP-WM zu kommen», weiß Reiterberger. Auf «Reitis» Handyhülle prangt MotoGP-Star Valentino Rossi. «Ich war schon immer Rossi-Fan, seit ich Minibike fahre.»

Mit Markus Reiterberger hat die mittlerweile 92-jährige Tradition der Motorradrennfahrer in Obing eine glorreiche Zukunft vor sich. Auf seine Heimat Obing und die Menschen dort kann sich der 22-Jährige bei seinen großen Herausforderungen immer verlassen. Die Ortschaft Obing feierte 2016 ihr 1300-jähriges Bestehen.

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