Aprilia hält Aerodynamiker geheim: Angst vor Raub
Seit dieser MotoGP-Saison sind externe Flügel an der Motorrad-Verkleidung aus Sicherheitsgründen verboten. Die Hersteller versuchen den verlorenen Anpressdruck zurückzugewinnen – mit unterschiedlichen Ansätzen.
Während Yamaha, Suzuki und vermutlich auch Ducati Verkleidungen mit innenliegenden Flügeln konstruiert haben, hatte Aprilia eine andere Idee. Die neue Front der RS-GP gleicht den Luftschächten, wie sie in der Formel-1 verwendet werden. Der Effekt: Optimierung des Luftflusses und Schaffung von Anpressdruck.
Vergangenen Donnerstag durfte Werksfahrer Aleix Espargaró erstmals mit der neuen Verkleidung auf die Strecke, im Januar hat er sie bereits im Windkanal in Perugia probiert. «Phillip Island ist nicht die beste Strecke um zu verstehen, ob die neue Verkleidung gut ist oder nicht», urteilte der Spanier. «Ich werde sie in Katar noch einmal probieren. Bei meinem ersten Versuch hat mir das Gefühl damit nicht gefallen. Die Werte aus dem Windkanal sind sehr positiv – mehr Anpressdruck bei gleichem Topspeed.»
SPEEDWEEK.com setzte sich in Australien mit Aprilia-Rennchef Romano Albesiano zusammen, um über diese technische Errungenschaft zu reden.
Romano, bist du zufrieden mit dem ersten Test mit der neuen Verkleidung auf der Strecke?
Wir haben jetzt die Bestätigung, dass sich die Verkleidung korrekt verhält. Wir erhielten jene Ergebnisse, die wir erwartet haben. Phillip Island ist aber sehr kritisch, was die aerodynamische Neutralität betrifft. Es gibt keine seltsamen Effekte, der Anpressdruck ist höher. Das hat sich allerdings in schnellen Kurven bei Richtungsänderungen als Nachteil erwiesen. Für diese Rennstrecke ist diese Verkleidung nicht die beste Option, also gingen wir zur Standardverkleidung zurück.
Wir werden die Verkleidung noch einmal testen, auf einer gewöhnlicheren Strecke, wo das Wheelie-Problem stärker auftritt. Und mit weniger schnellen Richtungsänderungen.
Habt ihr den Anpressdruck gemessen oder geht diese Erkenntnis auf die Fahrerkommentare zurück?
Gemessen haben wir das im Windkanal. Du kannst an den Daten der Gabel aber auch etwas ablesen. Der Rest ist Fahrergefühl.
Aleix sagt, dass er diese Verkleidung nur einsetzen wird, wenn er damit keinen Topspeed verliert.
Unser Topspeed war fast gleich wie mit der normalen Verkleidung. Ich glaube auch, dass er diesen Kommentar auf Phillip Island bezogen hat.
Wir haben diese Verkleidung gebaut, um das Wheelie-Problem zu verringern. Wheelies sind auf Phillip Island aber ohnehin kein Problem.
Aleix wiederholte fünfmal, dass er die Vorteile der neuen Verkleidung gerne nützt. Aber nur, wenn er damit den gleichen Topspeed hat. Er sagt, Topspeed wäre das Wichtigste.
Da muss ich wohl noch mal mit ihm reden.
Letztlich geht es um die Rundenzeit und nicht um den Topspeed.
Wenn sich die Fahrer für Power oder Fahrbarkeit entscheiden müssen, wählen sie immer Fahrbarkeit. Wenn man gute Fahrbarkeit und sehr guten Topspeed hat, dann kann man sich glücklich schätzen.
Bringt ihr für den nächsten Test in Katar oder das darauffolgende Rennen dort ein Motor-Upgrade?
Wir haben in Australien am Freitagnachmittag unsere jüngste Motorenentwicklung eingesetzt. Diese ist eine Evolution des Motors, den wir im Sepang-Test gefahren sind.
Ihr dürft pro Saison zwei Verkleidungen homologieren. Habt ihr schon entschieden, welche ihr für das erste Rennen homologiert?
Momentan ist nur die aus dem letzten Jahr homologiert. Unsere Basis wird immer die Standard-Verkleidung sein. Wir hoffen, dass wir bis Katar in einer Position sind, dass wir jene homologieren können, die du in Australien gesehen hast. Falls nicht, arbeiten wir weiter daran und homologieren sie, wenn wir bereit sind.
Du hast gesagt, dass der interne Luftfluss die Zukunft der MotoGP-Verkleidungen sei. Arbeitet ihr auch in diese Richtung?
Das ist der einzige Weg, den du einschlagen kannst.
Die Australien-Verkleidung ist das erste Konzept, das wir entwickelt haben. Im Windkanal erhielten wir gute Ergebnisse, auf der Rennstrecke war es dahingehend nicht schlecht, dass sich die Verkleidung in keinen Punkten negativ auswirkt.
Wir müssen nun erarbeiten, auf welchen Rennstrecken man so eine Verkleidung braucht. Das ist wie im Automobil-Rennsport, da fährt man auch nicht in Monza und Monte Carlo mit der gleichen Aerodynamik-Konfiguration.
Wer hatte die Idee für so eine Verkleidung? Ihr habt einen anderen Weg eingeschlagen als Yamaha, Suzuki und wahrscheinlich Ducati.
Einer unserer Aprilia-Ingenieure. Ich verrate dir jetzt aber nicht welcher, sonst werden andere Teams auf ihn aufmerksam und kaufen ihn weg.
Wir haben bei Aprilia einige Spezialisten. Diese Idee kommt nicht von außen, wir haben sie selbst entwickelt und sind diesbezüglich auch recht bewandert. In Noale haben wir eine Gruppe von Leuten, die sich nur mit Aerodynamik beschäftigt. Sie machen auch alle Luftfluss-Simulationen. Im Windkanal überprüfen wir dann die Ergebnisse dieser Simulationen.
Aleix beendete den Phillip-Island-Test auf dem zehnte Gesamtrang, 8/10 sec hinter dem Schnellsten Viñales auf der Werks-Yamaha. Ist das eine realistische Standortbestimmung, seid ihr gut genug für die Top-10?
Wir hätten schon in Sepang so gut sein können.
Schau dir mal die Rundenzeiten an, zwischen dem Ersten und Letzten liegen nur 1,7 Sekunden. Wir haben das Potenzial, um deutlich besser als Zehnter zu sein. Aleix war am Donnerstag und Freitag nahe an den Topjungs dran, obwohl er mit dem Verhalten des Motorrades absolut unglücklich war.
Gleichzeitig ist man aber auch schnell weit hinten, wenn man vom Weg abkommt.
Stefan Bradl war letzter Jahr Achter in der Startaufstellung für den Australien-GP: Ist Phillip Island eine besonders gute Strecke für die Aprilia RS-GP?
Das glaube ich nicht, die Strecke kommt uns nicht besonders entgegen.
In Sepang waren wir 13., auf Platz 1 fehlten aber nur 0,7 Sekunden – das ist nichts.
Was die Performance betrifft, waren wir in Sepang besser, da waren wir sehr gut.