Wilco Zeelenberg: «Viñales muss sitzen bleiben»
Der niederländische Ex-GP-Fahrer Wilco Zeelenberg arbeitete von 2010 bis Ende 2016 bei Movistar-Yamaha mit Jorge Lorenzo zusammen, das Duo gewann 2010, 2012 und 2015 die Weltmeisterschaft.
Dann ging der Spanier zu Ducati, der 50-jährige Zeelenberg blieb bei Yamaha und fand mit dem 22-jährigen Maverick Viñales eine reizvolle neue Aufgabe als «Track Analyst», als eine Art Riding Coach.
Der Yamaha-Neuling Viñales liegt bei Halbzeit 2017 in der WM-Tabelle mit 124 zu 129 Punkten und die Saisonsiegen knapp hinter Leader Marc Márquez.
Wilco, die MotoGP-WM verläuft sehr abwechslungsreich. Ducati hat zum Beispiel mit Dovizioso in Mugello und Barcelona gewonnen. In Assen und Sachsen fuhr «Dovi» nur auf die Ränge 5 und 8. Er pokerte mit dem weichen Hinterreifen – ein Fehler.
Ja, aber Bautista war in Deutschland mit der 2016-Ducati schnell. Er ist auf Platz 6 gelandet. Er war bester Ducati-Fahrer. Mit dem alten Motorrad!
Für Maverick ging es in diesem Jahr auf und ab. Die neue Yamaha ist auf Low-Grip-Pisten nicht konkurrenzfähig. Nach Platz 10 beim Catalunya-GP wirkte er sehr niedergeschlagen. Er war schlechter gelaunt.
Naja, er war enttäuscht, klar. Stell dir vor, du gewinnst die ersten zwei Rennen, dann kommen Rückschläge wie in Jerez, in Barcelona und Assen, wo unser Motorrad nicht gut genug war. Damit musst du zuerst einmal klarkommen.
Er war nicht happy.
Aber es kann dir nicht leicht gefallen sein, Maverick für Assen wieder frisch zu motivieren. Und dann ist er dort im Rennen gestürzt – wie in Texas.
Du musst ihn nie motivieren. Meine Aufgabe besteht eher darin, ihn einzubremsen, ihn zu beruhigen als ihn zu motivieren.
Wenn du ihn zu stark motivierst, passiert sicher ein Mist.
Maverick ist bei den Wintertests nie gestürzt. Aber der Druck in der WM, der Fight gegen Márquez und Rossi, das sind wieder andere Umstände. So passierten die Rennstürzte in Austin und Assen...
Ja, aber verflixt noch mal... Addiere mal die Anzahl der Crashes von Marc und vergleiche sie mit den Stürzen von Maverick. Dann fällt die Bilanz für uns sehr erfreulich aus.
Dazu kommt: Viñales kämpft zum ersten Mal um den MotoGP-WM-Titel. Bei Suzuki hatte er zwei Jahre keinen Druck, man hat nicht viel von ihm und vom neuen GSX-RR-Motorrad erwartet.
Das spielt sicher auch eine Rolle. Das ist sicher. Aber diesen Druck spürt auch Marc, selbst nach drei Titelgewinnen. Ist er nicht in Barcelona vier- oder fünfmal gestürzt am GP-Wochenende?
Aber in den Rennen bleibt er auf dem Motorrad sitzen.
Und das sollte auch unser Ziel sein.
I
n der Vergangenheit hat man Maverick nachgesagt, er werde unter Druck immer stärker. Das hat er uns Journalisten gegenüber auch im Winter bekräftigt. Wird er sich zu Herzen nehmen, was er in der ersten Saisonhälfte gelernt hat? Schärfst du ihm ein: Du musst sitzen bleiben!
Auf diese Frage kann ich dir erst am Saisonende eine endgültige Antwort geben...
Wir wissen, dass Maverick sehr stark ist. Aber es gibt Umstände, wo er die Dinge nicht mehr unter Kontrolle hat. In so einer Situation muss er sich künftig die Fakten vor Augen halten: «Auf dem Motorrad sitzen bleiben, ins Ziel kommen, Punkte kassieren.»
Ob du nachher mit dem Ergebnis happy bist oder nicht, du musst die Zielankunft in den Vordergrund rücken, wenn an diesem Tag nicht alles zusammenpasst.
Valentino Rossi war im Winter kein Gegner für Maverick, er fand sich mit den Reifen und dem neuen Motorrad nicht zurecht. Jetzt hat sich Valentino wieder nach vorne gekämpft, sein Triumph in Assen war phänomenal. Macht Maverick diese neue Bedrohung zu schaffen? Bringt ihn das ins Grübeln?
Maverick ist beim Deutschland-GP Vierter geworden, er hat Valentino besiegt.
Nein, ich denke, das macht Maverick nicht zu schaffen.
Natürlich war er in Assen nicht happy, als er mit einem Schlag 25 Punkte auf Rossi verloren hat. Denn er wusste, er kann Valentino in Assen schlagen.
Aber vielleicht hat Viñales nach den Wintertests nicht mit so einem Comeback von Rossi gerechnet?
Nein, nein, wir haben ihm immer eingeschärft: «Vale wird in der Rennsaison immer vorne dabei sein. Er hat entgegnet: «Ich weiß. Ich kenne ihn inzwischen.» Er kennt ihn bereits seit zwei Jahren.