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Bradley Smith (KTM): Muss er für Kallio Platz machen?

Von Günther Wiesinger
KTM stellt Werkspilot Bradley Smith die Rute ins Fenster. Der Brite muss sich steigern, sonst könnte 2018 Testfahrer Mika Kallio (Platz 10 beim Österreich-GP) zum Stammfahrer befördert werden.

Das Red Bull KTM-Werksteam ist seit einigen Rennen mit der Performance von Bradley Smith unzufrieden, weil dessen Leistungen klar im Schatten von Pol Espargaró stehen.

Und beim GP von Österreich verlor Smith in den 28 Rennrunden sogar 16,657 Sekunden auf Kallio. Eine blamable Vorstellung.

Klar, der Engländer hat an seiner linken Hand beim Trainingscrash in Barcelona zwei kleine Finger übel beschädigt, er pausierte dann beim Catalunya-GP und war in Assen noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, auf eine Operation verzichtete der KTM-Werkspilot. Die zwei Finger sind verkrümmt, die Sehne am kleinen Finger ist seit einem Sturz 2014 in Misano abgängig.

KTM plant bisher, auch 2018 mit dem Fahrerduo Espargaró/Smith anzutreten, das schon bei Tech3-Yamaha drei Jahre im selben Stall stand.

«Wir haben zwar Bradley in den letzten Wochen sehr deutlich gesagt, dass wir uns von einem Werksfahrer bessere Leistungen erwarten», erklärte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com. «Aber irgendetwas stimmt nicht zwischen Bradley und unserem Motorrad. Und wir haben den Anspruch, das Bike so hinzukriegen, dass er mindestens wieder so stark wird wie er in der MotoGP schon gewesen ist. Wir dürfen nicht vergessen, er war 2015 WM-Sechster und hat 2016 beim Mugello-GP als Siebter nur 13,3 Sekunden auf den Sieger verloren. Bradley hat eine schwierige Zeit hinter sich, durch die schlimme Knieverletzung von Oschersleben im Vorjahr, seit Juni hat er zwei Finger lädiert. Aber entweder stimmt etwas an seinem Fahrstil nicht oder es liegt an unserem Motorrad, dass er sich auf der KTM momentan nicht so wohlfühlt.»

Beirer weiter: «Wir hatten vor dem Österreich-GP das Gefühl, dass Bradley beim Montag-Test in Brünn erste Fortschritte gemacht hat und sich wieder seinem Wohlfühlbereich nähert. Aber am Freitag und Samstag in Spielberg inklusive FP3 war keine Steigerung zu beobachten; er lag im FP1 zehn Plätze hinter Pol. Wir haben mit seinem Crew-Chief Tom Jojic inzwischen besprochen, dass es nichts bringt, wenn wir ein Detail an der Schwinge oder sonstwo ändern, solange Bradley teilweise zwei Sekunden langsamer als Pol Espargaró ist wie in Brünn. Wir brauchen einen größeren Durchbruch...»

«Viele Leute würden sich vielleicht freuen, wenn wir jetzt einen anderen Fahrer suchen», meint Beirer. «Aber wir haben einen anderen Zugang. Wir haben den Anspruch, dass wir Verträge einhalten. Wir sind überzeugt, dass Bradley das Motorradfahren nicht komplett verlernt hat. Er war 2017 schon oft sehr dicht an den Zeiten von Pol dran, auch wenn er meistens zwei Tage länger dazu gebraucht hat. Also stimmt irgendetwas in der Harmonie zwischen Fahrer und Motorrad nicht. Wir sind uns bewusst: Wir beschäftigen uns in der MotoGP mit einem neuen Projekt. Vielleicht müssen wir bei der Entwicklung künftig behutsamer vorgehen. Wenn der Fahrer fünf Wünsche äußert, sollten wir künftig vielleicht nicht mehr so schnell wie möglich alle fünf Wünsche erfüllen, sondern in kleineren und bedächtigeren Schritten vorgehen und zuerst einmal eine stabile Basis erarbeiten. Wir hoffen, dass wir Bradley in absehbarer Zeit ein Motorrad hinstellen können, mit dem er sich wohler fühlt und das ihm mehr Vertrauen gibt. Aber es wäre halt schön, wenn neben Pol und Mika Kallio auch Bradley am Freitag und Samstag etwas zur Entwicklung beitragen würde. Wir haben mit beiden Piloten Zwei-Jahres-Verträge und stehen loyal zu ihnen. Wir haben uns letztes Jahr für Pol und Bradley entschieden. Und das möchten wir jetzt durchziehen.»

Es ist aber klar zu spüren, dass bei Stefan Pierer, Pit Beirer und Teammanager Mike Leitner die Geduld mit Smith nicht ewig andauert.

Ein Szenario: Der 34-jährige Testfahrer Mika Kallio könnte 2018 statt Bradley Smith die Stammfahrerrolle im MotoGP-Werksteam übernehmen. Der Brite könnte dann als Testfahrer agieren und ein paar Wildcard-Einsätze übernehmen.

Eigentlich waren für Mika Kallio 2017 neben Sachsenring und Spielberg keine weiteren Wildcards vorgesehen. Aber inzwischen werden weitere Rennen für den Finnen ins Auge gefasst, damit er seinen Speed beweisen und Smith unter Druck setzen kann. Mike Leitner: «Wir überlegen, bei welchen Rennen wir Mika 2017 noch einsetzen könnten.» Rennen wie Misano, Aragón oder Valencia wären vorstellbar.

Offenbar wurde der Vertrag von Bradley Smith bei KTM inzwischen sehr aufmerksam durchgelesen. Falls sich KTM entscheidet, ihm die vereinbarte Gage für 2018 zu bezahlen, kann der Aufgabenbereich geändert werden, ohne dass Schadenersatzansprüche gestellt werden können. Es ist im Vertrag offenbar nirgends definiert, dass der Brite alle MotoGP-Rennen als Stammfahrer bestreiten muss.
Aber Bradley Smith wird jetzt nicht einfach abserviert. Vielleicht wird zuerst einmal der Crew-Chief ausgetauscht.

«Wir schätzen Bradley sehr. Er hat als erster MotoGP-Fahrer an unser Projekt geglaubt, als wir noch ein völlig unbeschriebenes Blatt waren», erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das haben wir nicht vergessen. Aber wir wünschen uns eine Steigerung von ihm. Wir werden bis zu den Übersee-Rennen im Oktober entscheiden, mit welchem Fahrerduo wir für 2018 planen werden. Und eines möchte ich festhalten: Wir brechen keine Verträge. Wir werden unsere finanziellen Verpflichtungen für 2018 in jeder Hinsicht erfüllen.»

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