Pit Beirer (KTM): «Stefan Pierer fordert kein Podium»
Das Red Bull KTM-Werksteam blieb beim MotoGP-Saisonauftakt in Doha/Katar punktelos – wie 2017.
Aber damals lagen Pol Espargaró und Bradley Smith in der Startaufstellung auf den letzten zwei Plätzen, sie verloren in den Trainings teilweise mehr als 3 Sekunden.
Diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an. Diesmal fehlten meist 1,5 bis 1,9 Sekunden.
KTM hat 2017 von Assen bis zum Finale in Valencia immer zumindest einen Fahrer auf den Plätzen zwischen 9 und 11 ins Ziel gebracht. Pol Espargaró stellte insgesamt zwei neunte Plätze in Brünn und Phillip Island sicher. Der Spanier büßte in Australien mit der KTM RC16 in 27 Runden nur 16,2 Sekunden auf Sieger Marc Márquez ein.
Pol Espargaró sprach im Oktober und November vom Ziel, 2018 in die Top-5 vorzustoßen, Bradley Smith nahm sich die Top-6 als Ziel.
Der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer (62) räumte ein, man habe beim MotoGP-Projekt 2017 schon jene Resultate erreicht, die man sich für die zweite Saisonhälfte 2018 als Ziel gesetzt hatte.
Trotzdem gab er die Devise aus, 2018 könnten die Fahrer manchmal «am Podest schnuppern».
Aber eigentlich sei das erst für 2019 vorgesehen gewesen, bestätigte der Firmenchef, der mit KTM und Husqvarna bis 2022 rund 400.000 Motorräder verkaufen will.
Pit Beirer befehligt als KTM-Motorsport-Direktor inzwischen nicht weniger als 79 Werksfahrer in vielen unterschiedlichen Rennserien, für dieses Unterfangen sind weltweit rund 450 Teammitglieder ein Einsatz.
Deshalb wurde bei KTM Factory Racing umstrukturiert. Robert Jonas hat bei KTM und Husqvarna die Offroad-Gesamtverantwortung übernommen, er entlastet somit Pit Beirer, dessen Road Racing-Aufgaben ständig zunehmen. «Das hat auch damit zu tun, dass mich die MotoGP zum Teil ganz schön fordert», bestätigte Pit im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
Der Schweizer Diego Clement agiert seit 2018 als Head of Motorsport bei der Zweitmarke Husqvarna und kümmert sich dort um alle Aktivitäten für Motocross, Supercross, Enduro, Extreme Enduro und SuperEnduro.
Mit 30 Millionen Euro Budget genießt die MotoGP klare Priorität – neben der Cross-WM, US Supercross und der Rallye Dakar sowie Moto2 und Moto3.
Der Katar-GP 2018 hat eine Ernüchterung gebracht. Denn Pol Espargaró lag beim zweiten Sepang-Testtag zu Mittag nur 0,479 sec zurück an vierter Stelle, dann stürzte er mit 250 km/h, verletzte sich am Rücken, verlor wegen einer Operation verlor 5,5 der neun Testtage und war in Katar wegen des Bandscheibenproblems nicht fit, obwohl er alles tat, um sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
Aber von den Top-5-Plänen ist Pol bereits abgekommen, denn die Gegner sind zu stark, auch Suzuki hat sich gegenüber 2017 deutlich gesteigert.
Teammanager Mike Leitner bleibt auf dem Teppich. «Bisher waren zwei neunte Plätze unsere besten Einzelergebnisse. Also muss zuerst einmal das Ziel sein, einen achten Platz zu erreichen», sagt der Bad Ischler.
Pit, deine Fahrer reden über Plätze zwischen 5 und 6. Mike Leitner will zuerst einmal Achter werden. Und Firmenchef Stefan Pierer will bald am Podest schnuppern. Wie lautet deine persönliche Zielsetzung?
Ich kann mir jetzt aussuchen, mit wem ich es mir verscherzen will…
Unser Chef ist Stefan Pierer. Und wenn er nicht immer die großen Visionen ausgerufen hätte, die wir nachher alle in die Tat umgesetzt haben, stünde die Firma heute nicht dort, wo sie jetzt steht.
Deshalb werde ich mich mal an seinen Vorgaben orientieren.
Aber auch Stefan Pierer ist ein bewährter Realist, und er fordert in dieser Saison von uns kein MotoGP-Podium.
Natürlich haben wir bei diesem Projekt das Ziel, irgendwann erfolgreich zu sein. Die ersten erfolgreichen Schritte haben wir 2017 gemacht.
Für mich war es zuerst einmal ein erstes Ziel, unseren zwei Werksfahrern ein Motorrad hinzustellen, das mindestens genauso gut ist wie jenes, das sie gehabt haben, bevor sie in das KTM-Abenteuer reingestürzt sind.
Mit einem stolzen Auge habe ich auf die Rundenzeiten vom Katar-Test geschaut und beobachtet, dass Pol und Bradley schneller waren als früher im Tech3-Team.
Das war ein Versprechen, dass ich ihnen gegeben habe. Ich habe gesagt: Wenn ihr uns vertraut, dann bauen wir euch ein konkurrenzfähiges Motorrad. Uns war allen klar bewusst: Am Beginn werden wir eine Talsohle erleben. Die hatten wir auch mit 2,8 Sekunden Rückstand im Katar-Qualifying 2017, das war brutal.
Beim Katar-Test 2018 lagen wir noch 1,1 Sekunden zurück, wobei sich die Losail-Rundenzeit im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 sec verbessert hat. Die Rückschau auf diese Fakten bringt aber nichts.
Wir müssen nach vorne schauen.
Ein ganz großes Ziel ist, es, dieses zweite MotoGP-Jahr so zu nutzen, das wir Ende 2018 ein konkurrenzfähiges Motorrad haben.
Wir wollen ja nicht, dass für 2019 nur deshalb ein Fahrer zu uns kommt, weil er kein anderes Motorrad bekommt oder weil wir so nette Leute sind. Sondern wir wollen einen Topfahrer davon überzeugen, dass er bei KTM ein konkurrenzfähiges Motorrad vorfindet.
Wir sind jetzt auf einem sehr guten Weg. Aber wir dürfen nichts dem Zufall überlassen.
Die MotoGP-Karawane zieht weiter, und sie wird immer schneller.
Wir waren im November mit dem Zustand unseres Motorrads sehr happy, auch mit dem Abstand zur Spitze. Wenn wir mit diesem Motorrad jetzt in Katar gefahren wären, wären wir wieder absolut Letzter gewesen.
Wir müssen uns richtig nach der Decke strecken, um wieder zehnte GP-Plätze holen zu können. Du hast Suzuki, die wieder richtig stark sind, du hast einen Jack Miller, der jetzt auf einmal sehr gut dabei ist.
Wenn ich wieder zurück ans Tagesgeschäft darf und die Träume ein bisschen wegschiebe, bin ich beinahe bei der Ansicht von Mike Leitner. Wir waren schon zweimal Neunter und müssen jetzt erst mal Achter werden. Das wird eine ganz schön schwierige Aufgabe.
Pol Espargaró reitet auf der Erfolgs- und Euphoriewelle, wenn er konstant auf Top-6-Ergebnisse hofft?
Ja, es ist ja nicht so, dass sich jetzt alles um Platz 5, 6 oder 7 dreht.
Ich kann den KTM-Freunden versprechen: Wir sind wahnsinnig stolz und happy, dass wir in so einer Liga mitspielen und uns bereits Top-Ten-Ergebnisse gelungen sind.
Ich sehe aber auch keinen vernünftigen Grund, warum unser Aufwärtstrend hier stehenbleiben soll.
Wenn wir innerhalb von zwölf Monaten aus dem Nirgendwo vom letzten Startplatz mit 2,8 Sekunden Rückstand in Katar auftauchen und ab Saisonhalbzeit oft um Top-Ten-Ergebnisse fighten konnten, dann behaupte ich jetzt felsenfest: Wir haben ein extrem cooles Team zuhause, das Rennmotorräder entwickelt. Dazu haben wir ein Wahnsinns-Team an der Rennstrecke und zwei sehr gute Fahrer.
Und mit dem, was wir in der kurzen Zeit gelernt haben, werden wir ja hoffentlich besser werden und nicht schlechter.
Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass es weiter nach vorne geht.