Fonsi Nieto: «Marc Márquez hat pures Talent»
Alfonso «Fonsi» Nieto arbeitet seit 2018 als «Technical Coach» für das Team Alma Pramac Ducati. Der Neffe von Angel Nieto war 2002 selbst Vizeweltmeister in der 250-ccm-Klasse. Sein Debüt in der 125-ccm-Klasse gab Nieto 1997 und stieg zwei Jahre später in die 250-ccm-Kategorie auf. 2002 scheiterte er nach vier Siegen und fünf weiteren Podestplätzen im 250-ccm-Titelkampf gegen Marco Melandri. 2008 belegte er den achten Gesamtrang der Superbike-WM. Zwei Jahre später musste Nieto nach einem schweren Sturz beim Indianapolis-GP seine Karriere beenden. Nieto erreichte 5 GP-Siege, insgesamt 18 Podestplätze und 12 Pole-Positions.
Fonsi, wie gefällt dir deine Rolle bei Pramac-Ducati? Vermisst du es, am Sonntag auf dem Bike zu sitzen?
Ich bin sehr glücklich in meiner neuen Rolle. Wenn du einmal ein Rennfahrer warst, lässt dich diese Leidenschaft nie los. Ich erlebte aber einen sehr schweren Unfall, der mich beinahe mein Bein und mein Leben gekostet hätte. Darum habe ich im Moment kein Verlangen, auf ein Motorrad zu steigen. Ich bin aber glücklich, dass ich Danilo Petrucci und Jack Miller mit meiner Erfahrung als Rennfahrer unterstützen kann.
Was muss ein Coach für einen MotoGP-Fahrer leisten?
In einer Zeit, in der alles sehr ausgeglichen ist, ist jede Hilfe und jedes Detail, das ein Coach dir nennen kann, immer ein Vorteil. Ein Fahrer gewinnt nicht, weil er einen speziellen Coach hat, aber alles hilft, denn viele Faktoren müssen bedacht werden: Das Set-up, die Elektronik… Es gibt viele Dinge, die ein Fahrer vielleicht sogar vergisst. Zu wissen, dass jemand bei ihnen ist, der sich darum kümmert, die Dinge von außen genau beobachtet und Erfahrung als Rennfahrer hat, ist sehr wichtig. Mittlerweile haben fast alle Fahrer jemanden an ihrer Seite.
Du beobachtest die MotoGP-Fahrer auf der Strecke. Was kannst du über die stärksten Hersteller und Fahrer sagen?
Es gibt so viele Dinge, die man im TV nicht sieht. Ich würde sagen, dass Jorge Lorenzo einer der Fahrer ist, die in den Trainings das Meiste aus der Zeit zwischen dem grünen Licht und der karierten Flagge machen. Marc Márquez hat pures Talent. Was er mit der Maschine macht, ist unglaublich. Und wie er arbeitet... Sein aggressiver Fahrstil sticht heraus. Die Linien, die Dani Pedrosa fährt, habe ich noch bei keinem anderen Fahrer gesehen. Er ist ein Meister seines Fachs. Ihn auf der Strecke zu sehen, ist wie klassische Musik zu hören. Unter den restlichen Fahrern ist es sehr ausgeglichen. An jedem Wochenende sehen wir andere Fahrer vorne. Das macht die Weltmeisterschaft sehr interessant.
Dein Onkel Ángel Nieto hat Dani und Marc immer gelobt. Erinnerst du dich daran, was er gesagt hat?
Es fühlt sich nicht real an, dass uns mein Onkel vor einem Jahr verlassen hat. Auch wenn ich schon vorher dachte, dass mein Onkel großartig ist, ist es schön für mich, die Liebe zu sehen, die ihm von den Fans noch immer entgegengebracht wird. Auch die Fahrer erinnern weiter an ihn. Natürlich lobte er Marc und Dani. Das tun wir alle. Mein Onkel lobte eigentlich jeden Fahrer vom Ersten bis zum Letzten in der Startaufstellung, denn er wusste, wie schwierig das ist, was auf dem Spiel steht und wie viel Schaden bei einem Sturz entstehen kann. Das hat mein Onkel der gesamten Familie eingeimpft: Jeder Fahrer im Motorradsport verdient höchsten Respekt und Unterstützung.
Wenn wir uns die erste Saisonhälfte von Marc Márquez und den Start in die zweite Saisonhälfte ansehen, was können wir von ihm noch erwarten?
Es wird mehr oder weniger so aussehen wie in der ersten Saisonhälfte, wenn Márquez keine Probleme bekommt und ihm nichts zustößt. Er hat den Titel schon halb gewonnen. Er hat bereits einen großen Vorsprung erzeugt, deshalb glaube ich nicht, dass es nun anders laufen wird. Márquez ist den anderen einen Schritt voraus. Das ist in den Rennen zu sehen. Derzeit ist es schwierig, ihn zu schlagen.
Was kannst du uns über die Top-3 von Brünn sagen?
Es war ein unberechenbares Rennen. Und zur selben Zeit eines der besten des Jahres mit dem Kampf zwischen Márquez, Lorenzo und Dovizioso. Mit einem solchen Rennen gewinnt man neue Fans. Ich möchte betonen, dass die Top-3 genau wussten, wie sie mit den Reifen umgehen müssen. Zu Beginn setzten sie sehr sanfte Mappings bei der Elektronik ein. Fünf Runden vor Schluss haben sie alles verändert und gepusht. Sie hatten eine sehr gute Strategie. Das Rennen hätte auch von Marc oder Jorge gewonnen werden können, aber Dovizioso machte es besser. Er hatte auch Glück, dass die Zwei hinter ihm sich bekämpften. So konnte er sich um zwei Zehntel absetzen und siegen.
Was denkst du über Dani Pedrosas Rücktritt nach der Saison 2018?
Danis Entscheidung ist sehr respektabel und ehrlich. Das kündigte sich an, da diese Saison nicht die beste für Dani ist. Er ist ein Top-5-Fahrer, er will gewinnen. Da er sich dazu aber nicht in der Lage sieht, war es sehr mutig, das auch zu sagen. Mein Rücktritt war anders, denn ich hatte einen Unfall und hatte schon einen Vertrag für das nächste Jahr. Ich war aber körperlich nicht fit. Was mich mit Dani verbindet: Wir haben uns selbst nichts vorgemacht. Du musst ehrlich zu dir selbst sein.
Zu welchen Bikes und Fahrern passt der Red Bull Ring besonders gut?
Der Red Bull Ring ist eine historische Strecke, die über die Jahre verbessert wurde. In der letzten Saison war Ducati dort sehr stark. Nach Andrea Doviziosos Rennen dort im letzten Jahr, wird er wieder der Mann sein, den es zu schlagen gilt.
Kannst du einen Tipp für den Rest der Saison abgeben?
Ich tippe auf Márquez. Marc hat im Titelkampf einen Vorteil, obwohl es wahr ist, dass in diesem Sport viel passieren kann: Stürze, Verletzungen… Er selbst sagte, dass es nicht vorbei ist, bevor es vorbei ist. Aber er ist sehr fokussiert.