Johann Zarco: Nur die andern schuld an der Misere?
Kehrt KTM bald den Rücken zu: Johann Zarco
Vor dem Brünn-GP wurde Johann Zarco (29) auf Wunsch von KTM ins Red Bull Trainings & Diagnostics Centre in Thalgau eingeladen und dort auf Herz und Nieren durchgecheckt. Dort wurde offenkundig, dass der Franzose an einem Erschöpfungssyndrom leidet, sein Körper ist nach einer monatelanger Stresssituation übersäuert. Der zweifache Moto2-Weltmeister wirkt seit Monaten überlastet, er verliert zu schnell die Nerven («shit chassis, shit power delivery») und schreit dann in der Box rum. Zarco präsentierte sich 2019 nie in der Form seiner besten Tage.
Deshalb hat er als vermeintliche neue Nummer 1 von Red Bull KTM bisher nur halb so viele Punkte eingeheimst wie Pol Espargaró. «Wir müssen Zarco jetzt helfen», stellte KTM-Firmenchef Stefan Pierer in Spielberg fest und sprach im Interview mit SPEEDWEEK.com von einem Burn-out. Pierer überlegte deshalb sogar, Zarco nach dem Österreich-GP «für ein bis zwei Grand Prix aus dem Verkehr zu ziehen». Ducati und Casey Stoner hatten sich 2009 in einer ähnlichen Situation zu einer Pause von vier Rennen geeinigt. Jonas Folger musste sich nach Motegi 2017 sogar eine anderthalbjährige Rennpause gönnen.
Im Nachhinein ist es deshalb nicht verwunderlich, wenn dem KTM-Piloten bei der Dutch-TT in Assen bereits nach zehn Runden die Kraft zum Weiterfahren fehlte und er das einwandfrei funtionierende Motorrad nach 16 Runden an der Box abstellte. In Brünn sicherte er sich zwar im Regen (da ist weniger Kraftaufwand nötig) den dritten Startplatz, aber KTM-Markenkollege Hafizh Syahrin (21. Startplatz!) überholte ihn im Rennen auf trockener Fahrbahn bereits in der fünften Runde!
Beim Montag-Test stieg Zarco um 13 Uhr vom Motorrad. «Ich bin müde», seufzte er. Im KTM-Team war von Arbeitsverweigerung die Rede. Denn Zarco kassiert eine Jahresgage von ca. 1,5 Millionen Euro.
Die Testergebnisse von Thalgau offenbarten: Zarco hat vermutlich in zu kurzer Zeit mit zu intensivem Training versucht, konditionell auf ein besseres Level zu kommen, um die widerspenstige KTM beherrschen zu können, aber zu wenig Grundlagentraining absolviert, die Regeneration vernachlässigt – und deshalb übersäuert.
Die Zusammenarbeit zwischen Johann Zarco und KTM verlief vom ersten Tag an wenig verheißungsvoll. Der 16-fache GP-Sieger stürzte beim KTM-Testdebüt in Valencia zweimal und jammerte dann: «Es ist schwerer als erwartet.»
Johann Zarco ließ in acht Monaten kaum ein gutes Haar an KTM.
Die erstaunlichen Resultate von Pol Espargaró nagen an ihm, die Ergebnisse von Rookie Miguel Oliveira (Platz 11 in Las Termas, Platz 8 in Spielberg) machen ihm genau so zu schaffen wie der raketenartige Aufstieg seines 20-jährigen Landsmanns Fabio Quartararo, der jetzt auf «seiner» Yamaha sitzt..
Zarco würdigt die unermüdlichen Bemühungen von KTM um technische Verbesserungen an der RC16 nicht. Er berief sich auf seine Yamaha-Erfolge und erkannte auch am Dani-Pedrosa-Paket für den GP von Österreich keine Vorteile. Aber Oliveira bezeichnete das modifizierte RC16-Motorrad als benutzerfreundlicher und brauste damit auf den beachtlichen achten Platz.
Zarco selbst dementiert alle Meldungen über ein Burn-out.
Er will die Saison 2019 bei Red Bull KTM zu Ende bringen und ist überzeugt, auch 2020 in der MotoGP-WM fahren zu können.
Das Fahrkönnen von Johann Zarco ist unbestritten. Deshalb war er für die Saison 2019 schon im November 2017 bei Stefan Pierer erste Wahl, der weder an Marc Márquez («Wenn er gewinnt, ist es der Fahrer, wenn er verliert, ist es mein Motorrad»)·noch an Jorge Lorenzo («Wir machen es nicht wie Ducati, wir kaufen keinen Fahrer für 12,5 Millionen Jahresgage») interessiert war. Sondern nur an Zarco.
So wie bei Ducati neben Rossi auch Melandri, Bayliss, Gibernau und Crutchlow gescheitert sind und wie sich Lorenzo bisher auf der Honda nicht zurechtgefunden hat, so hat es auch zwischen Zarco und der KTM nie gefunkt.
«Es ist keine Schande hinzufallen, aber es ist eine Schande, einfach liegenzubleiben», sagte der ehemalige deutsche Bundespräsident Theodor Heuss.
Der begnadete Rennfahrer Zarco wird wieder aufstehen. Wie einst Melandri, wie Rossi und wie bald auch Lorenzo. Der zwölfte Platz in der Steiermark war ein erster Schritt.
«Zarco wirkte sehr gelöst, als wir der Trennung per Jahresende zugestimmt haben», stellte Stefan Pierer am Sonntag fest.
Gut möglich, dass Zarco bis zum Saisonende noch auf den Level von Pol Espargaró kommt. Das Zeug dazu hat er.
Aber er muss noch lernen, die Anforderungen und Erwartungen eines Werksteams zu erfüllen und nicht die Ursachen für das Scheitern dauernd bei den anderen zu suchen.
Zarco sollte die Ärmel hochkrempeln, seinen Fitness-Level auf das Niveau von Pol Espargaró bringen und alles tun, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Ergebnisse MotoGP Spielberg:
1. Dovizioso. 2. Marc Márquez. 3. Quartararo. 4. Rossi. 5. Viñales. 6. Rins. 7. Bagnaia. 8. Oliveira. 9. Petrucci. 10. Morbidelli. 11. Nakagami. 12. Zarco. 13. Bradl. 14. A. Espargaró. 15. Abraham. 16. Iannone.
WM-Stand nach 11 von 19 Rennen:
1. Márquez, 230 Punkte. 2. Dovizioso 172. 3. Petrucci 136. 4. Rins 124. 5. Rossi 103. 6. Viñales 102. 7. Quartararo 92. 8. Miller 86. 9. Crutchlow 78. 10. Nakagami 62. 11. Pol Espargarßo 61. 12. Morbidelli 58. 13. Mir 39. 14. Aleix Espargaró 33. 15. Oliveira 26. 16. Bagnaia 24. 17. Zarco 22. 18. Iannone 21. 19. Lorenzo 19. 20. Bradl 16. 21. Rabat 14. 22. Pirro 9. 23. Abraham 4. 24. Guintoli 3. 25. Syahrin 3.