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Stefan Pierer (KTM): «Espargaró-Zukunft ist offen»

Von Günther Wiesinger
Valencia-GP 2019: Stefan Pierer vor dem Start mit Pol Espargaró

Valencia-GP 2019: Stefan Pierer vor dem Start mit Pol Espargaró

Laut KTM-Firmenchef Stefan Pierer besteht weiter Hoffnung, dass Pol Espargaró an Bord bleibt. Denn offenbar darf er laut Vertrag vor 15. September bei keinem anderen Team unterschreiben.

Vor zwei Wochen verbreitete sich in Windeseile die Nachricht, Pol Espargaró werde Red Bull KTM nach vier Jahren verlassen und zwei Jahre lang neben Weltmeister Marc Márquez im ruhmreichen Repsol-Honda-Werksteam fahren. Moto2-Weltmeister Alex Márquez werde deshalb ins LCR-Honda-Team verfrachtet, wurde bei den gegnerischen Teams und in den Fachmedien vermutet.

Auch die Rennmanager anderer Hersteller, die offenbar mit Pol Espargarós Manager Homer Bosch verhandelt hatten, äußerten am vorletzten Freitag die Überzeugung, Espargaró werde in den nächsten zwei Jahren für HRC fahren. Ihre Überzeugungen konnten nur aus Quellen bei KTM oder von Homer Bosch stammen.
Seit diesem 5. Juni hat niemand von den Beteiligten bestätigt, dass Pol Espargaró (er wurde am 10. Juni 29 Jahre alt) zu Honda wechseln wird.

Doch ein Insider, dessen Namen wir nicht nennen dürfen, bemerkte am 6. Juni gegenüber SPEEDWEEK.com: «KTM hat mit Jorge Martin und Pol Espargaró innerhalb von drei Tagen zwei Ex-Weltmeister verloren.»

«Natürlich denkt HRC immer über die Gegenwart und die Zukunft der Teams in den unteren WM-Klassen und in der MotoGP nach», betonte Puig am 6. Juni in kryptischer Sprache. «Die aktuellen Umstände haben zur Folge, dass sich die Saison nicht wie gewohnt gestaltet. Das bedeutet aber nicht, dass die Pläne, die bestmögliche Lösung für die Zukunft aller Honda-Piloten zu finden, verworfen wurden. Bisher wurden noch keine Verträge von uns unterschrieben, die nicht bereits verkündet worden sind», fügte Puig an, wohlwissend, dass die noch nicht erfolgte Unterschrift die grundsätzliche Einigung mit dem jüngeren der beiden Espargaró-Brüder nicht ausschließt.

Denn es gibt auch Handshake-Agreements oder eine Absichtserklärung, die nur der Fahrer oder dessen Manager unterzeichnet.

Homer Bosch beteuerte am Wochenende nur: «Pol hat im Moment drei Optionen auf dem Tisch, weil es Verhandlungen mit Ducati, Honda und auch für eine Verlängerung bei KTM gibt. Er ist nicht weit weg von einer endgültigen Entscheidung, aber ist es noch keine gefallen. Bisher hat Pol noch keinen neuen Vertrag unterschrieben.»

Stefan Pierer, der Vorstandsvorsitzende von KTM und der Pierer Mobility AG, zu der auch Husqvarna Motorcycles, GasGas und Husqvarna E-Mountainbike-Hersteller PEXCO gehören, hat die Hoffnung auf einen Verbleib von Teamleader Pol Espargaró bisher noch nicht ganz aufgegeben. «Das Thema, ob Pol bei KTM bleibt, ist aus unserer Sicht noch offen», erklärte Stefan Pierer heute gegenüber SPEEDWEEK.com.

Das deutet darauf hin, dass im Vertrag von Pol Espargaró ein «right of first refusal» eingebaut wurde. Das heißt: Bei einem Angebot eines gegnerischen Teams muss KTM die Chance erhalten, das Angebot bis zu einem gewissen Termin nachzubessern.

Denn Stefan Pierer ergänzte jedenfalls: «Die Entscheidung fällt spätestens am 15. September.»

Das ist eine einleuchtende Erklärung für die Aussagen von Red Bull KTM Race Manager Mike Leitner und für die Tatsache, dass der WM-Elfte entgegen üblicher Gepflogenheiten abtrünniger Fahrer in diesem Jahr noch alle privaten KTM-RC-16-Tests mitmachen soll.

«Ja, klar, warum nicht? Ist es schon so endgültig, dass Pol weggeht? Für uns steht das noch nicht zu 100 Prozent fest», erklärte Leitner nach dem MotoGP-Test in Spielberg (27./28. Mai) mit Espargaró und Pedrosa. «Sicher ist Pol beim nächsten Test dabei. Wir haben ja noch eine ganze Saison vor uns, in der wir etwas erreichen wollen. Und wir haben Fahrer, die sich ehrgeizige Ziele gesetzt haben. Wir wissen, dass die Trennung von Pol und KTM passieren kann. Klar. Deshalb schauen wir, welche Szenarien wir spielen können.»

KTM könnte den Spanier durch den letztjährigen WM-Sechsten Danilo Petrucci ersetzen, der bei Ducati Corse dem Australier Jack Miller Platz machen muss, Dovizioso soll dort einen neuen Vertrag unterschreiben. Auch ein Fulltime-Comeback von Edteltester Dani Pedrosa (34) wäre in diese Notlage bei Red Bull und KTM gern gesehen.

KTM könnte auch eine andere Inhouse-Lösung suchen und Miguel Oliveira für seine dritte MotoGP-Saison 2021 ins Factory Team neben Brad Binder transferieren und einen neuen jungen Fahrer aus der Moto2 für das Red Bull-Tech3-Team engagieren. Zum Beispiel Luca Marini, Remy Gardner oder Augusto Fernandez.

Aber Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal würde seine Nummer 1 Oliveira gerne noch ein Jahr behalten.

«Sobald wir wissen, ob Pol weggeht, werden sich Pit Beirer, Hervé und ich zusammensetzen und die beste Lösung für KTM und Red Bull suchen», meint Leitner.

KTM-Firmenchef Stefan Pierer hat schon 2019 beschlossen, bei der Dorna einen neuen MotoGP-Fünf-Jahres-Vertrag von 2022 bis inklusive 2026 zu unterschreiben. Er machte aus seinem Vorhaben, mit dem aktuellen Fahrer-Quartett auch in die MotoGP-WM 2021 zu gehen, nie ein Geheimnis. Sein Bedarf an Experimenten mit vermeintlichen Überfliegern wie Johann Zarco, der für 1,8 Millionen Jahresgage eingekauft wurde, ist gestillt.

KTM und Red Bull setzen gern auf aufstrebende und bezahlbare Talente. Red Bull tut das auch in der Formel 1 und im Fußballsport. Deshalb hat zum Beispiel Andrea Dovizioso für 2021 kein Angebot bekommen.

Pierer: «Unsere aktuellen MotoGP-Fahrer sind alle mit Red Bull und KTM groß geworden. Da entsteht eine andere Beziehung. Unser Ziel ist es, dass wir alle diese Fahrer bei uns behalten. Wir hatten nicht die Absicht, 2020 auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Wir möchten das Geld gern in das MotoGP-Bike investieren.»

Aber Pol Espargaró, der in drei Jahren zwölf der 21 MotoGP-Top-Ten-Plätze von KTM beisteuerte, hat sich in den drei KTM-Jahren enorm gesteigert. Er gilt als Konditionswunder, ist im Regen und im Trockenen schnell, er ist kampfstark und zeigte zum Beispiel bei seinem famosen dritten Platz im Regen von Valencia 2018 keinen Respekt vor Marc Márquez, dem er schon 2010 beim Titelkampf in der 125er-WM heftigen Widerstand leistete.

Repsol-Honda gewann die «Triple Crown» (Fahrer-, Marken- und Team-WM) im Vorjahr mit Márquez quasi im Alleingang. Aber irgendwann braucht auch HRC als Teamkollegen ein anderes Kaliber als Rookie Alex Márquez, wenn man sich anschaut, wie stark Yamaha, Suzuki und Ducati für die Zukunft aufgestellt sein werden.

Red Bull und KTM haben also noch ein paar Wochen Zeit, um ihr Angebot an Pol Espargaró, das im Bereich von 2 bis 2,5 Millionen Euro pro Jahr liegen dürfte, aufzubessern.

Es wäre sogar vorstellbar, dass dem Moto2-Weltmeister von 2013 nach dem HRC-Márquez-Muster ein Vier-Jahres-Vertrag angeboten wird.

KTM will alles tun, um Pol Espargaró über die Saison 2020 hinaus für das MotoGP-Projekt zu verpflichten. «Wir versuchen immer jene Fahrer, die zu uns passen, sehr langfristig an uns zu binden. Am liebsten auch gleich für das ganze Leben nach der Karriere. Das ist unsere Philosophie», erklärte Stefan Pierer gegenüber SPEEDWEEK.com.

Aleix Espargaró vermutet jedoch, dass sich sein ehrgeiziger jüngerer Bruder die Honda-Chance nicht entgehen lassen wird. «KTM macht Druck auf Pol, denn sie schätzen ihn sehr und wollen, dass er an Bord bleibt», verriet er im RTVE-Interview. «Ich weiß nicht, wie weit die Liebe von Honda für meinen Bruder reicht. Aber letztlich sagst du nicht leichtfertig ab, wenn dich ein Team wie Ferrari verpflichten will. Wir werden sehen, wie es weitergehen wird. Ich denke, dass Honda das Traum-Team in der Geschichte der MotoGP-WM ist. Wenn sich diese Gelegenheit ergibt, dann wird es sicherlich nicht einfach, nein zu sagen.»

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Von Ivo Schützbach
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