Joan Mirs Crew-Chief: «Auch mit Rins-Titel happy»
Frankie Carchedi mit Joan Mir
Die familiäre Atmosphäre im Weltmeisterteam von Suzuki wird immer wieder als Erfolgsfaktor genannt – nicht zuletzt von der Konkurrenz. Joan Mirs Crew-Chief Frankie Carchedi verriet dazu in einer virtuellen Presserunde am Dienstag: «Wir hatten erst vor zwei Tagen alle zusammen ein Zoom-Meeting, Fahrer und Mechaniker. Das ist nichts Erzwungenes, das passiert einfach, auf natürliche Weise. Man lebt im Grunde ja zusammen, vor allem im Vorjahr mit der Corona-Pandemie. Da verbringt man wahrscheinlich mehr Zeit mit den Jungs als zu Hause. Diese Atmosphäre ist sehr wichtig, weil man auch harte Zeiten erlebt. Nicht immer läuft alles so, wie man will. Als Gruppe kann man aber auch die schwierigen Zeiten überstehen.»
Den Zusammenhalt in der Truppe schätzt auch Suzukis MotoGP-Projektleiter Shinichi Sahara, der zuletzt einmal mehr betonte, im Werksteam gebe es keine Nummer 1: «Suzuki hat nie einen Nummer-1-Fahrer festgelegt. Nicht einmal, als einer unserer Fahrer ein Rookie war. So machen wir auch weiter. Die Fahrer und Crews respektieren sich und helfen sich gegenseitig.»
Der WM-Dritte Alex Rins, zwei Jahre älter als Weltmeister Joan Mir, wurde jetzt aber von der spanischen Sporttageszeitung Marca zitiert: «Ich fühle mich in meinem Team als Nummer 1.»
Da stellt sich eineinhalb Monate vor dem Saisonauftakt die Frage: Kann die viel zitierte familiäre Atmosphäre realistisch gesehen beibehalten werden? «Bei Suzuki gibt es keine Nummer 1 und keine Nummer 2», bekräftigte Carchedi. «Wir sind ein kleines Werk, sehr familiär. Es gibt nicht einen Top-Fahrer, sie sitzen auf denselben Maschinen und bekommen den bestmöglichen Support.»
Zur Aussage von Rins meinte der Italo-Brite: «Das ist das erste Mal, dass ich so etwas höre. Aber wie auch immer, der Suzuki-Weg ist der, dass wir beide Fahrer vorne kämpfen sehen wollen. Wenn einer von beiden an der Spitze stehen kann, dann ist das fantastisch.»
Als Crew-Chief arbeitet Carchedi aber doch für einen bestimmten Fahrer – Titelverteidiger Joan Mir. «Ja und Nein», entgegnete der Cheftechniker. «Bei der Entwicklungsarbeit, die wir zum Beispiel über Weihnachten gemacht haben, ging es nicht darum, wie nur Joan performt oder wie nur Alex performt. Wir wollen das Motorrad verbessern, damit beide Fahrer einen Vorteil auf die anderen herausholen.»
Aber trotzdem sieht man doch lieber den eigenen Fahrer triumphieren? Carchedi konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und antwortete nach kurzem Grübeln: «Um ehrlich zu sein, wie wir die Verträge abschließen und alles machen, liegt das Augenmerk sehr auf ‚Suzuki‘. Aber natürlich würde ich gerne sehen, dass Joan den Titel gewinnt. Sollte es Joan aber nicht schaffen und Alex schon, dann wäre ich auch extrem happy. Das ist eine der großartigen Dinge, die Davide [Brivio] bei Suzuki geschaffen hat, und es ist der Suzuki-Weg. Am Ende wollen wir, dass einer gewinnt – oder in der idealen Situation kämpfen sie gegeneinander.»
Könnte diese Herangehensweise auch mit einem «Star-Fahrer» wie einem Rossi, Lorenzo oder Márquez funktionieren? «Das ist schwierig zu sagen, das weiß man erst, wenn ein Fahrer tatsächlich ins Team kommt. Unsere beiden Jungs sind bescheiden und sind gerne Teil des Teams. Wenn sie in die Box kommen, dann nicht nur auf ihre Seite, sie kenne und grüßen alle. Das ist ganz natürlich», unterstrich Carchedi. «Aber ich habe in der Vergangenheit auch schon mit Valentino gearbeitet, der ist auch ein bescheidener Kerl.»