Honda-Dilemma: Erfolge in allen Rennserien Mangelware
Die Honda Racing Corporation hat bereits 2020 nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Marc Márquez (nur Punkte in der Saison 2020) in der MotoGP-.WM einen Reinfall erlebt: Kein Sieg, nur zwei zweite Plätze durch Alex Márquez, in der Marken-WM auf dem fünften Platz von sechs Herstellern. Und in der Fahrer-WM vom kleinen japanischen Kontrahenten vorgeführt: 1. Joan Mir. 3. Alex Rins. Und sogar von KTM – die Österreicher eroberten drei Siege und den fünften Rang in der Fahrer-WM.
In der MotoGP-WM 2021 sah es bis zum überraschenden Sieg von Marc Márquez in Sachsen nicht viel besser aus – trotz der Rückkehr des Superstars in Portugal am 18. April.
Vor dem Deutschland-GP fehlte ein Podestplatz und in der Fahrer-WM hielt sich kein Honda-Pilot in den Top-Ten auf!
Das wäre alles nicht so tragisch, wenn die Honda-Verantwortlichen ein bisschen souveräner mit diesem Wellental umgehen würden.
Aber bei der Honda Racing Corporation hat sich in den letzten 20 Jahren eine gewisse Überheblichkeit eingenistet, die unsympathisch wirkt.
Ich erinnere mich an den Portugal-GP im September 2003. Damals bekam ich das Gefühl, Valentino Rossi überlege nach drei Titelgewinnen hintereinander (einmal mit der Zweitakt-500-ccm-NSR, zweimal mit der Viertakt-Fünfzylinder-RC211V mit 990 ccm) den völlig überraschenden Absprung zu Yamaha.
Ich erkundigte mich damals bei HRC-Chef Suguru Kanazawa nach den möglichen Konsequenzen für Honda. Der Japaner war völlig überzeugt, dass Rossi bleiben würde. Dann fügte er an: «Wenn Valentino weggeht, bauen wir ein noch besseres Motorrad und zerstören ihn.»
Der Rest ist bekannt. Rossi wechselte zu Yamaha, gewann 2004 gleich den ersten Grand Prix in Welkom – und drei WM-Titel hintereinander.
Kanazawa wurde dann bei Honda in die Rasenmäher-Abteilung strafversetzt.
Repsol-Honda-Teamprinzipal Alberto Puig machte im Vorjahr bei manchen Interviews auch keine gute Figur. Als ihm motogp.com-TV-Reporter Simon Crafar im Juli 2020 in Jerez die berechtigte Frage stellte, ob das MotoGP-Bike nicht jahrelang zu stark auf die Bedürfnisse von Marc Márquez maßgeschneidert worden sei und ob sich die Konzentration auf einen Fahrer jetzt nicht als Bumerang erweise, brachte ihn Puig mit folgender Bemerkung zum Schweigen: «Wir haben das beste Motorrad. Wir haben acht WM-Titel hintereinander gewonnen.»
Honda lässt also keine Kritik zu, dabei erlebte der weltgrößte Motorradhersteller nicht gerade seine ruhmreichste Zeit.
Die mangelnde Schlagkraft der Honda RC213V macht sich jetzt besonders negativ bemerkbar, weil Marc Márquez noch nicht in Bestform ist oder vielleicht nie mehr an die Erfolge von 2019 anknüpfen kann. Damals errang er bei 19 Rennen zwölf Siege und sechs zweite Plätze, dazu kam der Sturz in Texas.
Alberto Puig im September 2020: «Unser Bike ist konkurrenzfähig. Aber leider fehlt uns der beste Fahrer.»
Was TV-Zuschauern auffällt: Boxengasse-Reporter Simon Crafar verzichtet schon das ganze Jahr 2021 über auf Interviews mit Puig.
Man hat sich auseinander gelebt.
Assen: Márquez mit der Geduld am Ende?
Betreibt Honda den Motorsport nicht zur Imageförderung und zur Erhöhung des Markenwerts?
Den überheblichen (und offenbar verunsicherten) Honda-Managern, fällt es schwer einzugestehen, dass bei ihren Entwicklungs-Ingenieuren seit drei Jahren statt zündenden Ideen die Ratlosigkeit vorherrscht.
Yamaha nach den erfolglosen Jahren 2017 und 2018 die japanischen Verantwortlichen alle ausgetauscht. Offenbar würde dem Honda-MotoGP-Projekt ein frischer Wind ebenfalls gut tun.
Marc Márquez hat den Japanern beim mühsamen Assen-GP (seltsamer Highsider am Freitag, 20. Startplatz!) die Rute ins Fenster gestellt. «Wir brauchen Verbesserungen jetzt, beim nächsten Rennen. Nicht im nächsten Jahr!»
Der ehemalige Repsol-Honda-Teammanager Livio Suppo hat kürzlich in einem Interview der aktuellen HRC-Truppe den Spiegel vorgehalten und alle Managementfehler der jüngsten Vergangenheit gewissenhaft aufgelistet. Es begann mit der Entlassung von Pedrosa, der Verpflichtung von Lorenzo und endete beim Repsol-Engagement von Rookie Alex Márquez und des in sieben MotoGP-Jahren sieglosen Pol Espargaró.
Die Durststrecke bei Honda erstreckt sich nicht nur auf die MotoGP.
Die blamablen Vorstellungen in der Superbike-WM halten seit 2019 unvermindert an. Selbst der mit 1 Million Euro Jahresgage eingekaufte Álvaro Bautista konnte daran nichts ändern. Bei Ducati hat er 2019 noch 16 WM-Rennen gewonnen, die ersten elf in Serie. Insgesamt sammelte der Spanier damals 24 Podestplätze ein.
HRC kehrte 2019 mit Moriwaki in die SBK zurück, seit 2020 wird ein eigenes Team eingesetzt. Seither ist HRC ein Podestplatz gelungen, Bautista wurde 2020 Dritter im zweiten Hauptrennen in Aragón. Er wurde nur WM-Neunter und fährt an diesem Wochenende auch in Donington hinterher.
Den letzten Superbike-WM-Titel hat Honda 2007 mit James Toseland gewonnen. 2019 wurde Leon Camier als bester Honda-Fahrer WM-17, im Jahr davor war er WM-12., Bradl war 2017 WM-14. Der letzter Honda-SBK-Laufsieg geschah durch Nicky Hayden 2016 in Sepang im Regen. Letzter Laufsieg im Trockenen: Johnny Rea 2014 in Portimão.
In der prestigeträchtigen Supercross-WM hat die Pierer Mobility AG mit KTM und Husqvarna fünf der letzten sechs Titel gewonnen, 2019 war Kawasaki erfolgreich.
Bei der Dakar setzte HRC 2013 erstmals nach 23 Jahren wieder ein Werksteam ein. HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto kündigte beim Mugello-GP 2012 vollmundig an, HRC werde das Dakar-Projekt innerhalb von drei Jahren zum Erfolg führen und sich dann wieder zurückziehen. Aber KTM siegte weiter, insgesamt 18 Mal in Folge. Der erste Honda-Sieg gelang erst im achten Jahr – 2020 mit Ricky Brabec. 2021 sorgte Kevin Benavides für den nächsten Honda-Sieg, aber er wechselte inzwischen zu Red Bull KTM.
Auch in der Moto3-WM ist die Honda-Überlegenheit verschwunden. KTM hat 2021 bisher fünf von neun Rennen gewonnen. Mit der baugleichen GASGAS hat die österreichische Pierer-Mobility AG zwei weitere GP-Siege gefeiert, Honda 2021 erst zwei.
Ein bisschen Demut würde Honda gut zu Gesicht stehen.
Hinzufallen ist keine Schande, nur liegenbleiben, hat Churchill gesagt.
Auch Ducati und Yamaha und Suzuki haben in der MotoGP-Ära ihre Tiefs erlebt.
Aber sie haben sie mit mehr Würde bewältigt und überwunden als Honda.