Valentino Rossi: Der Schlagzeilen-Lieferant hört auf
Nur auf der Rennstrecke während der Trainings hat Valentino Rossi momentan Ruhe, vorher und nachher hetzt er von Termin zu Termin, jeder will etwas von ihm, die Abschieds-Tournee fordert ihren Tribut. Die 35.000 Zuschauer am Sonntag kommen großteils, um den neunfachen Weltmeister noch einmal live zu erleben.
Aber für Freitag um 17.20 Uhr nahm sich der Superstar aus dem Petronas-Yamaha-Team eine Viertelstunde Zeit, als sich eine Gruppe von GP-Berichterstattern vor der Petronas-Garage in der Boxengasse einfand, um dem 42-Jährigen Publikumsliebling ein vielfach unterschriebenes Event-Poster zu überreichen und ihn mit extra angefertigten T-Shirts mit der Aufschrift «46 THANK YOU VALE» zu überraschen.
Valentino, der uns Journalisten in guten und in schlechten Zeiten immer bei allen erdenklichen Fragen Rede und Antwort stand und der immer schlagfertig, unterhaltsam und redegewandt zu allen Themen Stellung nahm, war sichtlich gerührt, begrüßte alle langjährigen Weggefährten herzlich und persönlich, wechselte mit jedem ein paar Worte und ließ es sich nicht nehmen, am Schluss noch mit jedem Reporter und Fotografieren für ein Abschiedsbild zu posieren.
Vale war mit dem Teamroller in die Boxengasse getuckert und hatte dann vorschriftsmäßig die Gesichtsmaske aufgesetzt. Nach den ersten Fotos rief er: «Dai, senza mascherina.» (Kommt, nehmen wir die Masken ab).
Mein italienischer Kollege Paolo Scalera, der als Römer jahrelang als Hofberichterstatter von Rossi-Widersacher Max Biaggi galt, rief Valentino zu: «Komm‘, machen wir ein Bild für Biaggi.»
Ich erinnerte mich in diesem Augenblick an das Jahr 1979, als Papa Graziano Rossi in Karlskoga auf der Werks-Morbidelli den 250-ccm-GP gewann und ich ihn ausführlich interviewte.
Valentino war damals fünf Monate alt.
Mit 14 Jahren durfte der spätere «Valentinik», «Rossifumi» und «The Doctor» in Misano bereits eine Werks-Honda-125 des Gresini-agv-Teams probefahren. Ich dachte damals: «Naja, das geht nur, weil sein Papa die richtigen Beziehungen hat.»
Aber ein Jahr später bestritt «Vale» bereits die 125-ccm-Europameisterschaft, die 1995 im Rahmen der Europa-GP ausgetragen wurde, damit die Teamchefs die Talente aus nächster Nähe bewundern konnten.
Beim ersten EM-Lauf 1995 in Le Mans spazierte ich vom GP-Paddock ins ca. 2 km entfernte EM-Fahrerlager, um Graziano und Valentino zu besuchen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der begnadete Rossi junior bereits einen Drei-Jahres-Werksvertrag bei Aprilia in der Tasche, auch wenn er den 125-ccm-EM-Titel damals an den erfahrenen Lucio Cecchinello verlor.
Schlagfertig und vorlaut und ein witziger Sprücheklopfer war Valentino schon damals. Als ihn der spätere Piaggio-Group-Rennchef und Iodaracing-Teambesitzer Giampiero Sacchi vor der ersten GP-Saison in Tavullia besuchte, weil er Valentinos persönlicher Manager werden wollte, entgegnete Vale: «Solange du einen Max Biaggi-Aufkleber auf deinem Auto hast, brauchen wir über gar nichts zu reden.»