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Indien: So wird die kostbare GP-Fracht transportiert

Von Günther Wiesinger
In Indien gehen die Uhren anders. Die Teams und Berichterstatter werden bei den Hotels, Shuttle Services und sogar bei den Visa tüchtig abgezockt.

Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta wusste seit Monaten, dass die Austragung des ersten Motorrad-GP von Indien eine riesige Herausforderung darstellen wird. Deshalb schickte er bereits im August eine stattliche Abordnung von Dorna-Funktionären zum Buddh International Circuit, um den lokalen Promoter bei der Arbeit zu unterstützen.

Schon im Juli wurde offenkundig, dass die Warnung von Formel-1-CEO Stefano Domenicali durchaus berechtigt war, als er erzählte, die Formel 1 sei wegen der bürokratischen Hindernisse, der Steuer- und Zollprobleme nach den drei Jahren 2011 bis 2013 nie mehr nach Indien zurückgekehrt.

Der Startschuss zum Indien-GP für die Vorbereitung für die Berichterstatter war der 31. Juli 2023. Bis zum 4. August musste danach ein Formular mit allen benötigten Infos ausgefüllt werden. Dieses Formular für alle Paddock-Beteiligten ging an die Regierung und auch an eine Agentur, die sich um das Visa-Prozedere kümmert.

«Da es sich um eine Liste für die Regierung handelt, wird es nicht möglich sein, in letzter Minute noch weitere Anfragen zu stellen», wurde berichtet. «Deshalb empfehlen wir allen erwarteten Besuchern, eventuell zusätzliches GP-Personal für den Grand Prix vorzeitig zu nominieren, falls jemand ersetzt werden muss.»

Am 27. August meldete sich die Agentur, was sie alles braucht. Ein gewisser Bobby der Agentur Mondy India Pvt Ltd. Dieser Bobby scheint für alle zuständig zu sein. Wann immer von einem Visum die Rede ist, wird auch Bobby als Bearbeiter erwähnt.

Am 28. August folgte schon die Rechnung über rund € 120.-

Unterhaltsam für alle Indien-Reisenden war, dass es ursprünglich auch die Möglichkeit gab, per PayPal zu bezahlen. Da aber scheinbar zu viel Geld auf einmal auf das Agentur-Konto floss, sperrte PayPal deren Account. Es wurde dann empfohlen, das Geld per WISE-App zu überweisen. Das sei eine Tochterfirma von PayPal, wurde mitgeteilt.

Das hatte zur Folge, dass man im Grunde eine neue Bankverbindung einrichten muss. Denn 95 Prozent der rund 1500 GP-Reisenden verfügen über kein WISE-Konto. Das Konto muss also mit Ausweis usw. verifiziert werden. Bei einigen hat das geklappt. Bei einigen Teammitgliedern und Berichterstattern hat jedoch die Verifizierung nicht gleich funktioniert, und es gab Unklarheiten, ob das Geld trotzdem angekommen ist.

Visa-Zuteilung in letzter Minute und mit Abzocke

Übrigens: Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti reiste am vergangenen Donnerstag am Abend nach New Delhi; sein Visum traf am Vormittag desselben Tages ein.

Bei SPEEDWEEK.com haben sich am Wochenende etliche GP-Teammitglieder gemeldet, die einen Flug für den morgigen Montag haben, aber noch kein Visum. 

Die Bezahlung der Rechnung war Voraussetzung, dass der Visa-Prozess vorangeht.

SPEEDWEEK.com-Berichterstatter Ronny Lekl hatte Glück, er bekam am 12.9. sein E-Visum per Mail. Viele andere warten jedoch immer noch auf ihr Einreisevisum. Vieles wird wohl wieder kurz vor knapp klappen.

Wir erinnern uns: Zur Coronazeit gab es für Indonesien einige Teammitglieder, auch für die Superbike-WM, die zwei Stunden vor Abflug ihr Visum bekommen haben. Für Indien ist das E-Visum schon beim Einsteigen in den Flieger Pflicht, sonst hat sich die Reise dort schon erledigt.

Der Preis für das Visum beträgt $ 80.- plus ein paar Gebühren. Die Agentur nimmt sicherheitshalber € 120.-, sie rundet den Betrag also wohlgefällig ein bisschen auf…

Dieses Businessmodell hört sich vielversprechend und lukrativ an. Wenn dort ca. 1500 Paddock-Insassen auftauchen und jeder seine schätzungsweise € 30.– zusätzlich an die Agentur bezahlt, wird da ein bekömmliches Taschengeld von 45.000 Euro erwirtschaftet.

Eine kleine Randnotiz zum Visum: Auf der Einreisebewilligung steht der Passus, ein elektronisches Visum berechtige zu keiner Tätigkeit oder Beschäftigung in Indien. Auch nicht für NGO-Aktivitäten, journalistische Zwecke und so weiter.

Die Dorna empfahl, die Berichterstatter sollten sich als «Content Creator» bezeichnen, also als Schöpfer von Inhalten, in erster Linie für Websites.

In Misano mussten alle Medienschaffenden, auch die Fahrer, Mechaniker usw. spezielle Aufkleber abholen, die auf den Paddock-Pass, den Auto-Parkausweis und auch auf die Fotoweste kommen.

Auf die Frage, warum das so sei, konnte niemand eine Antwort geben. Es steht einfach drauf «GP of India 2023» und der Name des GP-Promoters. Offenbar soll dadurch verhindert werden, dass alle GP-Mitglieder für den Zeitraum ihre Tätigkeit in Indien Steuern zahlen müssen.

Die Behörden wollten ja sogar die Fahrerverträge sehen und dann den 20. Teil der Jahresgage in Indien versteuern lassen. Die Werke weigerten sich und machten Datenschutzgründe geltend.

Wucherpreise für Shuttle Service usw.

Für die Teams und Medien wird der Indien-GP ein teurer Spaß. Den Fotografen werden zum Beispiel Scooter für die Strecke angeboten. Preis: € 150.- für drei Tage. In welchem Zustand diese Fahrzeuge sein werden, weiß niemand.

Einige Teams berichteten über unfassbar hohe Kosten für einen Shuttle Service. Mietwagen sind zwar möglich sind, aber sie können für Ausländer nicht versichert werden. Deshalb wird von den Einheimischen massiv davon abgeraten wird, mit einem Mietwagen zu fahren.

Die kleineren Teams rechnen für den Shuttle Service mit Kosten von ca. € 8000.- Bei den großen Teams steigen die Kosten auf mehr als € 20.000.-

Bei der MotoGP-Truppe von HRC war zu hören, zuerst sei für den Shuttle Service ein Kostenvorschlag von € 50.000.- gemacht worden. Dieser Betrag wurde dann nach zähen Verhandlungen leicht reduziert – auf € 28.000.-

Diese Leistungen umfassen den reinen Shuttle-Service, der die Teammitglieder von der Unterkunft zur Strecke und zurückfährt bzw. zum Flughafen. Die Teams reden von einer Abzocke, denn auch die Hotelkosten wurden für den Grand Prix exorbitant angehoben.

Auch die Hospitality-Teams jammern. «Für uns wird das der teuerste Grand Prix aller Zeiten», meinte der Chef einer MotoGP-Hospitality, der noch auf zwei Visa seiner Mitarbeiter wartet und lieber anonym bleiben will.

Liqui Moly-Husqvarna-Moto3-Teambesitzer Peter Öttl: «Es ist eines der teuersten Rennen. Die Hotelpreise sind sehr hoch.»

PrüstelGP-Teamprinzipal Florian Prüstel: «Indien ist ein sehr teurer Grand Prix für uns. Flüge, Hotels, Visa und Shuttle Service sind sehr kostenintensiv. Weiters ist die Grundversorgung mit Essen und Trinken für uns als Team nicht so einfach umzusetzen.» Die Teams haben höllische Angst wegen Darminfektionen durch verunreinigte Lebensmittel...

Ausserdem hat Indien jetzt einen lokalen Lockdown verhängt – nach einem Nipahvirus-Ausbruch. Wir kennen die Szenen aus der Zeit der Coronavirus-Pandemie: Versammlungsverbot und geschlossene Schulen. Nachdem zwei Menschen an einer Infektion mit dem Nipahvirus gestorben sind, hat Indiens Regierung in der Region Kerala den Lockdown ausgerufen. Dieser Erreger löst gefährliche Gehirnentzündungen aus. Glücklicherweise ist diese Region aber 2600 km entfernt von der Rennstrecke.

Durch einige Mitarbeiter, die schon an der Strecke sind (z.B. Dr. Ángel Charte) wurde darauf hingewiesen, dass an der Strecke viele Schlangen sind und man sich vorsehen soll.

Auch die antiken Lkw, die die kostbare Fracht vom Flughafen New Delhi an den Buddh Circuit gekarrt haben, machen keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck.

Aber Geoff Dixon, der Paddock Manager der IRTA, kann den Teams zumindest den erolgreichen Vollzug beim Transport des Materials von Italien nach New Delhi melden. «Bisher läuft alles nach Plan», meldete der Engländer auf Anfrage von SPEEDWEEK.com. «Der letzte Flug kommt am Sonntag und wird etwas verspätet sein, aber es handelt sich nur um ein paar Stunden. Dieses Flugzeug transportiert nur Gemischtwaren, also keine Rennmotorräder und so weiter. Wir gehen davon aus, dass die gesamte Fracht am Montagvormittag im Paddock eingetroffen sein wird.»

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