Gigi Dall'Igna: Kommt Ducati bald mit Karbon-Chassis?
In den 1990er-Jahren experimentierte schon das Team Roberts bei John Kocinski, dem 250-ccm-Weltmeister 1990 auf Yamaha, mit einem Eigenbau-Karbon-Chassis, lange bevor das Kohlerfaser-Material im Rennradsport den Leichtbau-Rahmen aus Aluminium und Titan den Garaus machten und zum Siegeszug antraten.
Auch der britische Chassis-Hersteller Armstrong (250 ccm) kreuzte in der WM mit einem Karbonrahmen auf, dann baute Ducati-Konstrukteur Ing. Filippo Preziosi ein Karbon-Monocoque für die Desmosedici GP11, das jedoch bei den Werkspiloten wenig Anklang fand. Das Konzept mit dem V4-Motor als tragendes Teil erntete viel Kritik. «Der Motor ist so steif, als Teil des Chassis wirkt er wie ein Felsblock, es fehlt an Flex, deshalb spüren wir das Limit der Reifen nicht», schimpfte Loris Capirossi.
Deshalb ließ Valentino Rossi seine Yamaha-WM-Siegermaschine von 2009 von Tavullia nach Borgo Panigale karren und das Alu-Chassis bei Ducati Corse nachbauen.
Viele Jahre später sorgt jetzt KTM seit dem Misano-GP, bei dem Testfahrer Dani Pedrosa als Wildcard-Pilot im Sprint und am Sonntag überragender Vierter wurde, mir einem Karbon-Chassis für Furore. In Japan wurde auch das Red-Bull-Team mit Brad Binder und Jack Miller mit der neuesten Errungenschaft aus Oberösterreich ausgestattet. Im Sprint steuerten sie die KTM RC16 auf die Plätze 2 und 4.
«Wir haben vor einem Jahr grünes Licht für die Entwicklung gegeben», verriet Ing. Hubert Trunkenpolz, Vorstandsmitglied der Pierer Mobility AG (KTM, GASGAS, Husqvarna) gegenüber SPEEDWEEK.com. «Denn kein Motorradwerk hat mehr Karbon-Knowhow als wir.»
Gigi Dall’Igna, General Manager bei Ducati Corse, beobachtet die Ereignisse und das neue Chassis-Konzept bei KTM sehr aufmerksam. Denn beim Sprintsieg in Motegi/Japan blieb Brad Binder dem Ducati-Star Jorge Martin (Pramac Racing) sehr dicht auf den Fersen.
Warum haben sich die Karbon-Chassis bisher in der MotoGP nicht flächendeckend durchgesetzt? «Das ist keine Frage des Materials», sagte Dall’Igna im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Ganz sicher kann man auch mit Karbon ein konkurrenzfähiges Chassis bauen. Aber natürlich ist der Vorteil nicht sehr groß, denn die Aluminium-Chassis sind sehr leicht geworden. Deshalb kannst du durch die Verwendung von Karbon keine großen Fortschritte erzielen. Aber trotzdem: Ich bin überzeugt, dass du heute problemlos einen Karbonrahmen verwenden kannst.»
Speed-up-Teambesitzer und Moto2-Chassis-Hersteller Luca Boscoscuro hat bekanntlich im September am Tag nach dem Catalunya-GP auch bereits ein Karbon-Chassis für Alonso Lopez und Fermin Aldeguer testen lassen.
Bisher sträubten sich die Hersteller oft gegen Karbon, weil jedes Mal eine teure neue Form gegossen werden muss, wenn beim Chassis die Steifigkeit oder die Geometrie geändert wird. Deshalb haben im Radsport einige kleinere Firmen nur drei bis vier Rahmengrößen im Angebot statt acht bis zehn der führenden Firmen wie Trek, Spezialized, Pinarello, Bianchi, Cube, Canyon, FELT, Scott und so weiter.
«Manchmal ist es sogar vorteilhaft, wenn du dich für Karbon entscheidest, denn du kannst dann einfach mit Hilfe des ‘playbooks’ mit der identischen Geometrie unterschiedliche Steifigkeiten erreichen», rechnet Dall’Igna vor.
Haben sich also die Ducati-Techniker in der Vergangenheit über Karbon-Chassis schon viele Gedanken gemacht? «Ja, natürlich», räumt Gigi Dall’Igna ein, dessen Bikes 2022 zwölf Rennen gewannen und in diesem Jahr schon elf von 14. «Aber das Problem besteht manchmal in der Mentalität der Fahrer. Sie sträuben sich oft gegen innovative Ideen. Und wenn sie nicht überzeugt sind, ist es sinnvoller, andere Dinge zu machen.»
Dall’Igna weiter: «Meiner Meinung nach ist der Vorteil der Karbon-Chassis nicht sooo groß. Wir haben andere Voraussetzungen als im Autosport, wo das Chassis-Gewicht wirklich enorm ist und mit Karbon viel Gewicht gespart werden kann.»
Wird in fünf Jahren die Mehrheit der MotoGP-Hersteller auf Karbon setzen? «Vielleicht früher», ergänzte der innovativste Technikfuchs im GP-Fahrerlager – und lachte vielsagend.
Man darf also getrost damit rechnen, dass in der Box von Testfahrer Michele Pirro in absehbarer Zeit eine Desmosedici mit Karbon-Chassis startklar gemacht wird.
MotoGP-Ergebnisse GP-Rennen, Motegi, 1.10.:
1. Martin, Ducati, 12 Rdn in 24:06,314 min
2. Bagnaia, Ducati, + 1,413 sec
3. Marc Márquez, Honda, + 2,013
4. Bezzecchi, Ducati, + 2,943
5. Aleix Espargaró, Aprilia, + 3,181
6. Miller, KTM, + 6,837
7. Augusto Fernández, KTM, + 7,587
8. Di Giannantonio, Ducati, + 8,602
9. Raúl Fernández, Aprilia, + 11,229
10. Quartararo, Yamaha, + 12,244
11. Nakagami, Honda, + 14,714
12. Mir, Honda, + 14,924
13. Crutchlow, Yamaha, + 16,057
14. Bradl, Honda, + 17,253
15. Pol Espargaró, KTM, + 24,921
16. Pirro, Ducati, + 33,962
17. Morbidelli, Yamaha, + 1:14,934 min
MotoGP-Ergebnisse Sprint, Motegi (30.9.):
1. Martin, Ducati, 12 Rdn in 21:00,734 min
2. Binder, KTM, + 1,390 sec
3. Bagnaia, Ducati, + 5,276
4. Miller, KTM, + 6,194
5. Zarco, Ducati, + 6,315
6. Bezzecchi, Ducati, + 8,919
7. Marc Márquez, Honda, + 9,298
8. Di Giannantonio, Ducati, + 10,189
9. Viñales, Aprilia, + 12,404
10. Raúl Fernández, Aprilia, + 15,366
11. Pol Espargaró, KTM, + 15,473
12. Augusto Fernández, KTM, + 15,592
13. Mir, Honda, + 17,052
14. Oliveira, Aprilia, + 18,092
15. Quartararo, Yamaha, + 19,333
16. Morbidelli, Yamaha, + 19,645
17. Nakagami, Honda, + 21,862
18. Crutchlow, Yamaha, + 26,026
19. Pirro, Ducati, + 27,911
20. Bradl, Honda, + 28,178
– Aleix Espargaró, Aprilia, 4 Runden zurück
WM-Stand nach 28 von 40 Rennen:
1. Bagnaia, 319 Punkte. 2. Martin 316. 3. Bezzecchi 265. 4. Binder 201. 5. Aleix Espargaró 171. 6. Zarco 162. 6. 7. Viñales 139. 8. Marini 135. 9. Miller 125. 10. Quartararo 111. 11. Alex Márquez 108. 12. Morbidelli 77. 13. Oliveira 69. 14. Augusto Fernández 67. 15. Marc Márquez 64. 16. Di Giannantonio 52. 17. Rins 47. 18. Nakagami 45. 19. Raúl Fernández 36. 20. Pedrosa 32. 21. Bastianini 25. 22. Mir 20. 23. Pol Espargaró 12. 24. Savadori 9. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 490 Punkte. 2. KTM 272. 3. Aprilia 240. 4. Honda 142. 5. Yamaha 131.
Team-WM:
1. Prima Pramac Racing 478 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 400. 3. Ducati Lenovo Team 354. 4. Red Bull KTM Factory Racing 326. 5. Aprilia Racing 310. 6. Monster Energy Yamaha 188. 7. Gresini Racing 161. 8. CryptoDATA RNF 109. 9. LCR Honda 98. 10. GASGAS Factory Racing Tech3, 88. 11. Repsol Honda 84.