Aleix Espargaró: «Manchmal vergisst man, zu genießen»
Aleix Espargaró ist ein emotionaler Mensch. Emotional – manchmal vielleicht zu emotional, engagiert, offen und ehrlich und vor allem authentisch. Er liebt seine Hunde und seine Zwillinge Max und Mia sind sein ganzer Stolz. Als sich für den Radsportfan Ende 2016 die Tür bei Suzuki schloss, glaubte Aprilia an ihn, aber manchmal schien es so, als sei die Zusammenarbeit verdammt.
Noch vor wenigen Jahren dachte Espargaró von zahlreichen technischen Problemen gebeutelt über einen Rücktritt oder eine Zukunft in der Superbike-Weltmeisterschaft nach. Doch der in Andorra lebende Katalane ist unbestrittener Impulsgeber und treibende Kraft hinter dem MotoGP-Projekt aus Noale. Aufgrund seines Temperaments muss ihn sein erfahrener Crew-Chief Antonio Jimenez hin und wieder beruhigen – wohl wissend, dass sein Fahrer immer das Beste für sich selbst, aber auch für seine Leute will.
Es dauerte genau 200 MotoGP-Rennen, bis Aleix Espargaró beim Argentinien-GP 2022 sein erstes GP-Rennen gewann und damit Geschichte für das italienische Werk aus Noale schrieb, das in der Vergangenheit in den Klassen 125 ccm und 250 ccm mit 294 GP-Siegen und 19 Weltmeistertiteln schon so erfolgreich gewesen war.
Espargaró war es auch, der sich 2021 für die Ankunft seines ehemaligen Suzuki-Kumpels Maverick Viñales einsetzte. Im September dieses Jahres erreichten die Landsleute beim Catalunya-GP mit einem Doppelsieg einen neuen Meilenstein für Aprilia.
Aleix, vor ein paar Jahren habe ich dich gefragt, ob du lieber noch einmal der 15-jährige Aleix oder der mit 32 Jahren erfahrenere Mann sein möchtest. Du hast dich für Letzteres entschieden. Was meinst du, wie würde dein 15-jähriges Ich den heute 34 Jahre alten Aleix beurteilen?
Ich glaube, er wäre stolz auf sich, denn es ist auf diesem Niveau in diesem Sport nicht einfach, sich über 30 immer weiter zu verbessern. Abgesehen von den Resultaten bin ich auch stolz darauf, dass ich meinen Stil verbessern, auf allen Strecken schnell sein konnte und ein immer besseres Set-up fand. Ich entdecke immer noch neue Dinge und das ist in meinem Alter fantastisch.
Im Parc Fermé von Montmeló stand dein Vater nach deinem Sieg weinend in der Ecke. Hast du ihn gesehen?
Ja, ich habe gesehen, dass…ähm... Er weinte und, als ich ihm einen Kuss gab, sagte er: «20 Jahre, 20 Jahre zwischen deinem ersten Rennen hier und diesem Sieg in der wichtigsten Klasse... Du hast nie aufgegeben. Ich bin sehr stolz auf dich.»
Ich glaube, er war noch stolzer auf den Weg, den ich gegangen bin, als auf den Sieg dort. Mein Bruder Pol zum Beispiel kämpfte bereits in seinem zweiten Jahr um Siege. Bei mir war es anders. Es hat sehr lange gedauert. Ich hatte schwierige Momente und es war nicht einfach, weiter daran zu glauben. Deshalb war er sehr glücklich.
Ich verstehe es. Mir ging es genauso, als ich auf dem Podest stand und meine Kinder auf mich zukamen. Ich war überglücklich. Ich bin ein Familienmensch, daher war das auch für mich ein sehr schönes Bild.
Beim ersten Rennen in Portugal warst du von den Entscheidungen der Stewards enttäuscht, von der aggressiven Fahrweise einiger Fahrer... Ich dachte: «2023 könnte sein letztes Jahr sein.» Stimmt es, dass du zu diesem Zeitpunkt keinen Spaß hattest?
Das stimmt, ja. Aber ich muss sagen, das war irgendwie meine eigene Schuld. Ich habe mir zu viel Druck gemacht. Das ist okay, damit komme ich zurecht. Das habe ich auch in Barcelona gezeigt. Aber manchmal vergisst man, zu genießen, und so war es bei mir.
Nichts war gut genug für mich. Ich war am Freitag der Schnellste und war nicht glücklich. Ich bin in einem Rennen Fünfter geworden und war nicht glücklich. Aber manchmal muss man Spaß haben. Ich hatte den Speed. Ich war zuletzt nicht schneller als zu Beginn der Saison. Ich bin die schnellste Runde in Portugal gefahren, am Freitag bin ich in Argentinien eine Rekordrunde gefahren, aber aus mehreren Gründen hatte ich keinen Spaß. Und Spaß zu haben, ist sehr wichtig.