MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

2023 im Rückblick: Die zehn besten Fahrer des Jahres

Kolumne von Michael Scott
An den letzten Tagen des Jahres blicken wir zurück: SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott erstellt ein Klassement mit den Top-10 der besten GP-Fahrer der Saison 2023 – plus «Reserve».

In der letzten Kolumne des Jahres wollte ich eigentlich über die 75. Saison der FIM Grand Prix World Championship schreiben, und darüber, dass vom Erreichen dieses Meilensteins kaum jemand Notiz genommen hatte. Dann aber kam mir die Erleuchtung: Zum Kuckuck! Wenn es keiner gefeiert hat, liegt es wahrscheinlich daran, dass es gar keinen interessiert.

Im Instagram-Zeitalter mit einer durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne, die kaum die eines Goldfisches übersteigt, ist das Hier und Jetzt des Rennsports gerade noch aktuell genug. Einmal sei es mir dennoch gestattet, zumindest auf die vergangenen zwölf Monate zurückzublicken, ehe sich dann wieder alles um 2024 und den (wieder einmal) längsten Kalender aller Zeiten dreht.

Als Kolumnist gehört es zu meinen Aufgaben, meine – möglicherweise völlig oberflächliche und sicherlich subjektive – Meinung zu äußern. Am Ende eines intensiven Jahres nehme ich mir die Freiheit heraus, die Besten der Besten zu beurteilen. Hier sind meine Top-10:

1. Pecco Bagnaia

Ein Analytiker und Stylist, stark und gelassen. Die Top-3 verpasste er selten, mit sieben Pole-Positions (mehr als jeder andere) sicherte er sich den Award (und den BMW M) für den besten Qualifier. Gelegentliche Rennstürze, darunter der Horror-Unfall kurz nach dem Start zum Catalunya-GP, als er an den Beinen überrollt wurde, machte er mit seinem tapferen Comeback und zwei Podestplätzen nur eine Woche später in Misano wett. Das sagt alles, er verdient seinen zweiten MotoGP-Titel.

2. Jorge Martin

Der kompakte und temperamentvolle Spanier hatte Ducati etwas zu beweisen, nachdem sie ihn bei der Besetzung des Werksteams im Vorjahr zu Gunsten von Enea Bastianini übergangen hatten. Auf einer ebenbürtigen Werksmaschine war er explosiv schnell, neun Sprint-Erfolge und vier GP-Siege zeugen davon. Er jagte Bagnaia bis zum bitteren Ende.

3. Brad Binder

KTM war das Motorrad im Feld, das die größte Entwicklung durchgemacht hatte, und Binder holte das Beste heraus. Seine Erfolgsbilanz wurde allerdings durch das Überschreiten der «track limits» in der letzten Runde geschmälert… Für seinen aggressiven Fahrstil, der ihn zum versiertesten Überholer macht, verdient Brad ein besonderes Lob, weil er das Rennfahren auf höchstem Niveau so unterhaltsam aussehen lässt.

4. Marco Bezzecchi

Der Rossi-Schützling teilt viele Eigenschaften und Stärken mit Binder. Dazu saß er auf einer Ducati, dem besten Motorrad im Feld, wenn auch auf dem Vorjahresmodell. An seinen besten Tagen war «Bez» überragend – etwa in Indien, als er im Sprint nach einer turbulenten ersten Kurve von Platz 17 bis auf Rang 5 nach vorne stürmte. Der dritte WM-Rang unterstreicht eine feine zweite MotoGP-Saison für den letztjährigen Rookie des Jahres.

5. Marc Márquez

Eine düstere Saison tut seinem Wert keinen Abbruch. Zur Hälfte der Saison gab er es auf, aber erst, nachdem er eine ganze Reihe von Abflügen und Verletzungen hatte einstecken müssen. Er stürzte dennoch weiter, bis zum Schluss genau 29 Mal, ein persönlicher Negativrekord. Manchmal konnte er sich trotz allem nicht zurückhalten – in Japan kehrte er auf das GP-Podest zurück, in den Sprints sammelte er drei Medaillen. Der Wechsel zu Ducati wird seine massive Risikobereitschaft mit Sicherheit neu entfachen – und seinen unbändigen Willen, einen weiteren Titel zu gewinnen?

6. Fabio Quartararo

Ein anderer, bei dem das Talent selbst in harten Zeiten und auf einer nicht konkurrenzfähigen Maschine immer durchscheinen wird. Der Weltmeister von 2021 verdient viel mehr als das, was ihm Yamaha hinstellte, und bewies zuverlässig seine Qualität. Das Grundproblem: Die M1 hatte im Qualifying regelmäßig das Nachsehen und hinter der Konkurrenz lässt sich der charakteristisch schnelle Kurvenspeed nicht ausspielen. Ein Sprint- und drei GP-Podestplätze waren die magere Ausbeute.

7. Johann Zarco

Der reifste Fahrer der MotoGP wartete sieben lange Jahre auf seinen ersten Sieg, der ihm dafür auf Phillip Island stilvoll gelang. Der wortgewandte Franzose dürfte sich 2024 für Honda im LCR Team noch als wertvoll erweisen.

8. Luca Marini

Andere Ducati-Piloten waren auffälliger, aber Marini wurde zunehmend stärker und verdiente mit drei Sprint- und zwei GP-Podestplätzen Respekt. Intelligent und analytisch – Aspekte, auf die Repsol Honda ein Auge warf und Marini als Ersatz für Marc Márquez verpflichtete. Ein riskanter Schritt.

9. Pedro Acosta

Der Ruf des jüngsten Moto2-Weltmeisters aller Zeiten könnte unter seinen künftigen MotoGP-Konkurrenten kaum besser sein. Marc Márquez etwa erwartet, dass Acosta in seinem Rookie-Jahr rasch konkurrenzfähig sein wird – wie es bei Marc selbst der Fall war, und gar einige Beobachter sehen Pedro in derselben Liga. 2024 hat er also einiges zu beweisen.

10. Fabio Di Giannantonio

Fabio verblüffte alle. Nachdem er seinen Platz an Marc Márquez verloren hatte und ohne Motorrad für 2024 dastand, machte er seine bis dahin sehr durchschnittliche Ergebnisse in den letzten sechs Saisonrennen vergessen – unter anderem mit seinem perfekten ersten Katar-Sieg, der wohl seine Karriere rettete.

Zehn sind aber nicht wirklich genug. Zumindest einer mehr muss als Reserve (sorry, Prinz Harry) auf meine Liste – ein weiterer jüngerer Bruder, der unter dem Ruhm des Älteren litt: Alex Márquez, der nach drei Jahren des Niedergangs bei Honda auf einer Gresini-Ducati bewies, was für einen Unterschied eine Desmosedici macht. Er war auf Anhieb schnell und wohl der Fahrer, der sich in diesem Jahr am meisten verbessert hat. Damit hatte er ohne Zweifel großen Einfluss auf die Entscheidung von Marc, sich der Ducati-Armada anzuschließen.

Zu guter Letzt: Fermín Aldeguer, dessen Dominanz in den letzten vier Moto2-Rennen des Jahres atemberaub war. Zu einem Zeitpunkt, an dem Acosta den Titel allerdings längst unter Dach und Fach hatte, also…

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