MotoGP-Vision: MV-Comeback mit Reihenvierzylinder
Die letzte Firmenakquise der Unternehmensgruppe des seit über drei Jahrzehnten in der Motorradwelt sehr erfolgreichen Stefan Pierer sorgte auch in der Rennsportwelt für großes Aufsehen. Denn mit MV Agusta erwarb die Pierer Mobility AG den historisch wertvollsten Markennamen der nun 75-jährigen WM-Geschichte.
Nach einem ersten Einstieg Ende 2022 hat der Konzern seit März 2024 die vollständige Kontrolle über MV Agusta. Der bisherige Investor, Inhaber und Geschäftsführer Timur Sardarov dient dem Unternehmen fortan als Berater und Markenbotschafter. Die operative Geschäftsleitung liegt bei Hubert Trunkenpolz, der als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der gesamten Pierer Mobility Firmengruppe etablierter Teil der Konzernvision ist.
Mehrfach bestätigte der Österreicher, dass ein Einstieg der Marke MV Agusta in die MotoGP und damit die Rückkehr der in den 1960er und 1970er Jahren nahezu unschlagbaren Marke angedacht ist. Zunächst ginge es aber darum die Hausaufgaben innerhalb der MV-Struktur zu erledigen. Denn wie bei allen anderen Herstellern auch, so lässt sich ein intensives Motorsport-Progamm nur aus einem profitablen Gerüst gestalten. Eine umfangreiche Renovierung wesentlicher Disziplinen wie Einkauf und Vertrieb dauert. Ein kurzfristiger Einstieg ist selbst für den dynamischen Konzern nicht darstellbar.
Nicht unrealistisch erscheint dagegen ein Comeback mit der Umsetzung des runderneuerten technischen Regelwerks, welches ab 2027 zur Anwendung kommt. Denn erste Maßnahmen um die italienische Nobelmarke weiter in Schwung zu bringen, wurden gleich zu Beginn der Übernahme umgesetzt.
Kernbaustein der MV Agusta Rennhistorie sind die überlegenen Drei-und-Vierzylinder-Konstruktionen, mit denen nicht nur Rekord-Weltmeister Giacomo Agostini zwischen 1952 und 1974 zu 38 Weltmeisterschaften brauste. Mit der fabelhaften F4 und F3 Baureihe zeigt MV bis heute die typische Antriebsphilosophie. Während alle Versuche unter den bisherigen Eigentümern scheiterten mit komplett eigenen Vierzylinder-Motorrädern in der Superbike-WM und Endurance-WM Rennen zu gewinnen, gelang es immerhin mit der F3 ein bis heute siegfähiges Eisen in der Supersport-WM zu entwickeln.
Zurück ins MotoGP-Fahrerlager. Im Zuge der technischen Neuausrichtung der Königsklasse, deren Kernmerkmal Motoren mit nur noch maximal 850 ccm sein werden, bestätigte Sebastian Risse, ranghöchster Technik-Manager des KTM-Werksteams, Untersuchungen am Konzept eines MotoGP-Reihenvierzylinders.
Aktuell setzt die Rennabteilung aus Munderfing auf einen knapp 1000 ccm großen Vierzylinder in V-Konfiguration. Auch Ducati, Aprilia und Honda vertrauen auf V4-Konstruktionen. Lediglich Yamaha hält eisern am Vierzylinder in Reihe fest, wobei der aktuelle Antrieb der M1 in Sachen Leistung als ebenbürtig gilt.
Sollte die Pierer Mobility AG den Wiedereintritt von MV Agusta in die Rennsport-Königklasse beschließen, dann wird dieser nur über eine gemeinsame technische Konzern-Plattform stattfinden. Wirtschaftlich ist die Entwicklung einer individuell gezeichneten MotoGP-MV nicht zu rechnen.
Im Sinne einer glaubwürdigen Markenkommunikation verlangt die Marke aber nach einem Reihenmotor. Während es KTM, auf gut deutsch, Wurscht ist, ob der MotoGP-Titel über einen V- oder Reihenmotor nach Österreich kommt, so hat die historische Komponente bei MV einen so hohen Stellenwert, dass der einheitliche Konzeptschwenk in Richtung Reihenmotor überlegenswert ist.
Legt man alle Puzzleteile auf den Tisch, so könnte sich in der Vision ein schlüssiges und spannendes Gesamtbild zusammenfügen. Unter der Leitung des Motorengurus Kurt Trieb, der auch im Feld der Reihenmotoren große Expertise hat, könnte in Munderfing ein neuer MotoGP-Vierzylinder-Reihenmotor mit 850 ccm entstehen – der dann unter KTM und MV Agusta Flagge ab 2027 zum Einsatz kommen könnte.