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Die unzerzählte Geschichte: Dall’Igna und Honda (2)

Von Manuel Pecino
Hätten bereits bei Honda zusammenarbeiten sollen: Marc Marquez und Gigi Dall'Igna

Hätten bereits bei Honda zusammenarbeiten sollen: Marc Marquez und Gigi Dall'Igna

Lugi Dall'Igna als technischer Direktor bei HRC? Was abwegig klingt, das wurde vor nicht langer Zeit seriös verhandelt. Teil 2 dieser besonderen Geschichte verrät die Motive und Bedingungen der geplanten Zusammenarbeit.

MotoGP-Ikone Marc Marquez war verzweifelt. Und auch Honda hatte längst das Bewusstsein, es muss etwas passieren, um den Spanier mit all seiner MotoGP-Macht zu halten. Man war sogar bereit, die Türe zu öffnen, für den damals wie heute berühmtesten MotoGP-Ingenieur – Gigi Dall’Igna.

Wenn Honda an Dall'Igna herantritt, muss man bedenken, dass er als Maßtstab in der MotoGP galt – und gilt. Mit Pecco Bagnaia hatte er 2022 den Fahrertitel gewonnen und war auch im folgenden Jahr auf dem Weg, dies mit Bagnaia selbst oder Jorge Martin zu wiederholen. Unter seiner Hand hatte Ducati den Konstrukteurstitel überlegen gewonnen.

Schließlich hatte die Arbeit Dall'Ignas und seine Art, das Projekt zu managen, dazu geführt, dass die Desmosedici die MotoGP dominierten. Aus all diesen Gründen hätte der Weggang von Luigi Dall'Igna von Ducati zu Honda ein relevantes Erdbeben ausgelöst.

Und warum sollte Dall'Igna, der sich in einer so privilegierten Position befindet, den Schritt wagen, vom siegreichen Pferd abzusteigen und sich dem hinteren Teil des Feldes anzuschließen? Dall'Igna ist ein Mann der Herausforderungen. Schon in der Vergangenheit hatte er das bewiesen, als er seine Komfortzone bei Aprilia verließ, um mitten in der großen Krise der Post-Valentino-Rossi-Ära zu Ducati zu wechseln.

Dall'Igna meisterte die Situation und veränderte in einem jahrzehntelangen Prozess die Arbeitsweise weg von einer «Try and Error» Philosophie, hin zu einer systematischen Forschung nach Speed.

Und da er ein Mann der Herausforderungen ist, kann man sich leicht vorstellen, dass die Versuchung für Dall'Igna dieses Mal darin bestand, den Prozess bei einer japanischen Marke zu wiederholen, insbesondere bei Honda, dem Unternehmen, dem er viele Jahre lang als HRCs 'Staatsfeind Nr. 1' galt. 

Etliche markante Zusammenstöße der Parteien bei der Herstellervereinigung MSMA sind bekannt. Dass er derjenige sein würde, der Honda aus der technischen Stagnation, in der das Unternehmen steckte, herausführen und Marc Márquez den MotoGP-Titel zurückholen würde. Und das alles mit den finanziellen und technischen Ressourcen eines Giganten wie Honda.

Die Bedingungen von Dall'Igna

Im Mittelpunkt der Verhandlungen, die Honda und Dall'Igna wochenlang führten, standen Aspekte der Macht. An erster Stelle seiner kurzen Liste von Bedingungen stand die absolute Kontrolle: Er würde entscheiden, was, wie und auf welche Art und Weise im Honda MotoGP-Projekt agiert. Mit anderen Worten, er hätte die Kontrolle über alle japanischen Ingenieure.

Eine zweite Forderung war, dass er mindestens einmal im Monat nach Japan reist, um sich zu informieren und die Arbeit zu überwachen.

Was den finanziellen Aspekt anbelangt, so ist bekannt, dass Geld nie die entscheidende Rolle gespielt hat. Bemerkenswert ist, dass Marc Marquez im Lauf der Verhandlungen dennoch anbot, seinen Mega-Millionen-Dollar-Vertrag mit Honda anzupassen, wenn die zusätzlichen Mittel helfen würden, Dall'igna von Honda zu 'überzeugen'.

Sicher übermittelt wurde eine Botschaft des Spaniers mit der Aussage: «Zahlt mir ein Minimum, wenn es hilft, Gigi Dall'Igna zu verpflichten». Marc Marquez wollte um jeden Preis den erfolgreichsten Ingenieur der MotoGP an seiner Seite haben, weil er überzeugt war, dass er ihm und Honda helfen würde, den alten Glanz zurückzugewinnen.

Auf der anderen Seite hat Dall'Igna alle sportlichen Ziele erreicht, die er sich gesetzt hat, als er Ende 2013 bei Ducati unterschrieben hat, und war sicherlich sehr daran interessiert, mit dem besten MotoGP-Fahrer des letzten Jahrzehnts zu arbeiten. Wie erwähnt, hatte er die WM bereits mit einem von ihm «trainierten» Fahrer gewonnen und die Ducati war bereits Referenz in der technologisch extremsten Motorrad-Kategorie anerkannt. Welche Herausforderung blieb ihm bei Ducati noch? Keine.

Doch trotz aller Argumente, die für einen der meistdiskutierten Wechsel in der Geschichte der MotoGP sprachen, wurden sich Luigi Dall'Igna und Honda nicht einig. Ein Missverständnis, das einen Domino-Effekt auslöste, der dazu führte, dass Marc Marquez Honda verließ und Repsol das Sponsoring mit HRC nach drei Jahrzehnten beendete.

Was war es, das den Versuch von Honda vereitelte und was wäre Dall'Ignas Belohnung gewesen, das MotoGP-Projekt von HRC zu übernehmen? Auch wenn es eine Antwort gibt, sie wird hier nicht verraten. Doch die Wahrheit über das Scheitern einer Arbeit von Gigi Dall'Igna bei Honda liegt in einer dieser drei Teil-Antworten:

Honda hat nicht zugestimmt, Dall'Igna die volle Macht zu übertragen.

Letztlich gab es keine finanzielle Vereinbarung.

Dall'Igna hatte kein Vertrauen in die Versprechen von Honda.

Die Dreier-Ehe Honda/Marquez/Dall'Igna hat nicht funktioniert. Doch als ich Marc Marquez und Gigi Dall’Igna am Dienstag nach dem WM-Finale in der Ducati-Box in Montmelo nebeneinander sitzen sah, da wurde mir klar, dass sie doch funktioniert hat, wenn auch mit einer Änderung des geplanten Tanzpartners.

Nach dem gescheiterten Versuch mit Dall'Igna, führte Honda zunächst auch Gespräche mit Fabianio Sterlacchini, doch der geht nun von KTM kommend zu Aprilia. Weil – es Honda gelang, als Rettungsanker Romano Albesiano unter Vertrag zu nehmen.

Ein weiterer sehr kluger Kopf, der es geschafft hatte, Aprilia aus der sportlichen Versenkung zu heben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Teil 1 der «unerzählten Geschichte von Gigi Dall'Igna und Honda»

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