Mauro Grassilli: «Extreme Emotionen bei Ducati Corse»
Für den sportlichen Leiter der Ducati-MotoGP-Abteilung war die Saison 2024 in jeder Hinsicht denkwürdig. Angefangen damit, dass Mauro Grassilli erst zum Start der jüngsten Kampagne im Fahrerlager aufschlug. Grassilli ist zwar seit 20 Jahren bei Ducati Corse beschäftigt, doch den Posten des «Sporting Director» übernahm er erst vor rund einem Jahr von Urgestein Paolo Ciabatti.
Ein heißerer Einstieg ist nur schwer vorstellbar. Die Aufwärmphase Grassillis fiel bereits in die aufkochenden Verhandlungen mit Piloten und Teams zur Kampagne 2025. Neben dem Verbindungsaufbau zur Pramac, VR46 und Gresini stand bereits früh der heißeste Stuhl im gesamten Fahrerlager – der Platz neben Pecco Bagnaia – auf der Verhandlungsliste.
Im Vieraugengespräch mit SPEEDWEEK.com sagte der besonnene Manager in der Rückschau auf die MotoGP-Saison: «Es war in jeder Hinsicht ein absolut außergewöhnlichs Jahr, nicht nur für mich persönlich, auch für unser Team und das gesamte Projekt. Es gab jede Menge extreme Emotionen.»
Mauro Grassilli bestätigt, dass es dabei nicht immer leicht zuging. «Sehr bewegend und zugleich wirklich hart war die Situation rund um Mugello. Nach der Entscheidung um den zweiten Platz im Werksteam war es meine Aufgabe, mit Enea zu sprechen. Es gehört zu meiner Rolle – aber wir haben es ja auch mit Menschen zu tun, mit denen uns mehr als nur das Geschäft verbindet. Ihm zu sagen, dass er nicht mehr bei uns fahren wird, das war eine sehr intensive Erfahrung.»
Die Reaktion des Piloten machte die Situation nicht leichter. Grassilli: «Enea war schon sehr überrascht, er konnte es im ersten Moment überhaupt nicht verstehen. Ich denke, in ihm war immer noch das Bild, dass er auch weiterhin für Ducati Corse fährt.»
Unvergessen auch die Reaktion der #23 auf der Rennstrecke. In der letzten Kurve, der letzte Runde des Italien-GP quetschte sich Bastianini an Jorge Martin vorbei an die zweite Position.
Als nicht minder bewegend beschreibt der Manager aus Bologna das erste berufliche Zusammentreffen mit Marc Marquez: «Der Kontakt zu ihm war ja nicht neu, wir kannten uns. Aber als er dann in unserer Box war und noch nicht gefahren war – da war es extrem spannend. Unsere Routine hat viel geholfen, die Erfahrung von Davide, Gigi und natürlich auch von Marc selbst, der sich sehr souverän verhalten hat.»
Große Erleichterung dann für alle nach den ersten Runden des sechsfachen MotoGP-Königs. Grassilli wiederholt den ersten Satz des hochkarätigen Neuankömmlings: «Es tut so gut, so ein Motorrad zu bewegen.»
Von den potenziell riesigen Spannungen, die der Wechsel des Spaniers ins Werksteam auslösen könnte, ist laut Grassilli am vordersten Ende des Rennteams nichts angekommen: «Der erste gemeinsame Arbeitstag verlief sehr harmonisch. Marc und Pecco haben sich ausgetauscht und waren sich sehr schnell über das gleiche Grundgefühl einig. Sie haben sich sachlich gefunden, was die Arbeit am Motorrad für 2025 vereinfachen wird und menschlich ist sehr viel Respekt spürbar.»
Trotz des geschmeidigen Einstands der #93 in der Box der Werks-Einheit aus Bologna, alleine durch den realistischen Anspruch beider Piloten 2025 um den WM-Titel zu fahren, sind Stimmungsschwankungen auf beiden Seiten der Garage vorprogrammiert.
Genauso sicher ist, auch wenn Mauro Grassilli aufgrund der aktuellen Vertragssituationen 2025 keine Entlassungen vornehmen muss – weniger extrem und anspruchsvoll wird auch die kommende MotoGP-Saison nicht werden.