Marc Márquez: «Ich habe 110 Prozent riskiert»
Lorenzo zeigt Márquez den Zeigefinger!
Marc Márquez holte sich gleich einmal im Parc-Fermé eine Abfuhr. Er hatte noch den Helm auf dem Kopf, als er zu Jorge Lorenzo stapfte, er ihm jedoch keine Bedeutung beimass, ihm die kalte Schulter zeigte – und den warnenden Zeigefinger.
Aber der Draufgänger, der aussieht, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun, liess sich deshalb nicht einschüchtern. Er stellt die MotoGP-Welt auf den Kopf. Marc Márquez wusste, die Bewunderung der Fans für seine unbekümmerte und zielstrebige Fahrweise war ihm sicher, auch die Gegner bekamen zu spüren, aus welchem Holz dieser Ausnahmekönner geschnitzt ist.
Ein Frechdachs, wie er im Buche steht. Marc konnte sich nachher bei der Pressekonferenz nur ganz, ganz schwer ein Grinsen verkneifen, als er sah, wie tief betroffen Weltmeister Lorenzo war.
Kein Wunder: Der sonst so selbstbewusste Yamaha-Star hatte die Türe in der Zielkurve sperrangelweit offen gelassen, das kam einer schriftlichen Einladung für den Moto2-Weltmeister gleich.
Márquez war schlau genug, den Schwarzen Peter ein bisschen Richtung Lorenzo abzuschieben. «Ich wollte gar nicht mehr angreifen. Ich hatte mich nach meinem Fehler schon fast mit Platz 3 abgefunden. Aber dann ist diese Türe plötzlich weit offen gestanden...»
Marc Márquez: «... dann sah ich diese Lücke»
Marc Márquez sprach von einem sehr schwierigen Rennen. «Ich habe in jeder Runde 100 Prozent gegeben», schilderte er. «Jorge war immer vor mir, er gab nie auf. Ich habe mich besonders in den letzten paar Runden enorm angestrengt, um dicht an ihm dranzubleiben. Da habe ich 110 Prozent riskiert. Ich sah, dass es sehr schwierig werden würde, ihn zu überholen, denn er hatte sehr guten Seitengrip, wenn es ums Beschleunigen ging. Ich wusste, in der letzten Runde gibt es nur zwei Stellen, wo ich stärker bin. Ich habe an der ersten Stelle angegriffen, habe mich aber verschätzt und musste einen Umweg fahren. In der letzten Kurve, das wusste ich von TV-Aufnahmen, dass dort oft eine Entscheidung fiel, zum Beispiel 2005 mit Valentino und Gibernau. Ich wollte eine ähnliche Attacke versuchen...»
In der nächsten Sekunde verbesserte sich Marc. «Nein, zuerst dachte ich, Platz 3 ist ein gutes Ergebnis für uns. Dann sah ich, dass Jorge diese Lücke offenlässt. Dann sagte ich: Okay, ich versuche, innen reinzustechen. Am Wichtigsten ist, dass wir beide ins Ziel gekommen sind. Ich bin sorry für Jorge. Aber das war ein Rennen. Das muss jeder akzeptieren. Ich wäre an seiner Stelle auch sauer, klar. Er hat so kurz vor dem Ziel einen Platz verloren...»
Wer hätte das gedacht? Drei Rennen, ein Sieg, drei Podestplätze – und die WM-Führung für den Rookie! «Ja, vor dem Saisonstart hätte ich das nie geglaubt. Denn wir waren zwar in Sepang schnell, dann in Texas, aber besonders hier beim Jerez-Test hatten wir gewaltig Mühe. Katar und besonders Austin waren aussergewöhnlich. Doch vor Jerez hatte ich leichtes Kopfzerbrechen. Aber wir haben in den Trainings alle Probleme gelöst. Dieser zweite Platz ist wie ein Sieg für mich.»