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Ducati tritt im Open-Format an: Die Hintergründe

Von Günther Wiesinger
Ducati-Corse-Chef Gigi Dall'Igna

Ducati-Corse-Chef Gigi Dall'Igna

Lesen Sie exklusiv: Warum Ducati durch die Einheits-ECU keine technischen Nachteile hat und warum Dovizioso, Crutchlow und Iannone bereits in Sepang auf den Factory-Status verzichten.

Dass Gigi Dall'Igna ein schlauer Fuchs ist, gilt in der Szene als unbestritten.

Als nach dem Jahreswechsel durchsickerte, Ducati würde eventuell 2014 mit den drei Werkspiloten Andrea Dovizioso, Cal Crutchlow und Andrea Iannone (er fährt neben Yonny Hernandez bei Pramac) ins Open-Format wechseln, rieben sich die Experten zuerst einmal verwundert die Augen.

Inzwischen wird offenkundig, dass der neue General Manager von Ducati Corse mit dieser Route einen sehr vielversprechenden Ausweg aus der Dauerkrise eingeschlagen hat.

Zur Erinnerung: Andrea Dovizioso büsste als Siebter beim ersten Sepang-Test (4. bis 6. Februar) nur 0,837 sec auf die Bestzeit von Márquez ein.

Ducati wird jetzt – wie angekündigt – mit sehr, sehr grosser Wahrscheinlichkeit auf den Factory Status verzichten und in die Open Class wechseln.

Das bedeutet zum Beispiel weichere Hinterreifen. Das kann je nach Rennstrecke zumindest im Qualifying und in den ersten Rennrunden 0,5 bis 0,8 sec zugunsten von Ducati ausmachen. Das ist ein riesiger Vorteil der Open-Fahrer.

Der nächste: Die Motorenentwicklung ist während der Saison nicht eingefroren. Auch das ist eine höchst attraktive Verlockung für Ducati-Rennchef Gigi Dall'Igna. «Denn meine vorrangige Aufgabe ist es, das Motorrad weiterzuentwickeln», betont er.

Deshalb sind wir überzeugt: Ducati wird 2014 mit allen vier MotoGP-Fahrern im Open-Format antreten.

Klare Vorteile

Die 24 statt 20 Liter Kraftstoff können auf manchen Pisten wie Valencia (30 Runden, Renndistanz 120 km) von erheblichem Vorteil sein. Dazu darf Ducati als Open-Team zwölf statt fünf Motoren pro Fahrer verwenden, man kann also ständig Updates liefern, auch die Motoraufhängung kann geändert werden, falls es erforderlich scheint. Und wenn bei Stürzen Dreck angesaugt wird, kann Ducati den Motor öffnen, alles fein säuberlich kontrollieren und ihn neu verplomben lassen. Zwölf Motoren werden sie nie verbrauchen, aber solche Sicherheitschecks können mitunter hilfreich sein. Im Factory-Format müssen fünf Motoren vor dem ersten Rennen verplombt werden, dann dürfen sie nicht mehr geöffnet werden.

Jetzt ist noch eine weitere wichtige Entscheidungsgrundlage für Gigi Dall'Igna durchgesickert: Beim zweiten Sepang-Test (26. bis 28. Februar) wird Magneti Marelli für die Open-Teams eine stark überarbeitete und verbesserte Version der Einheits-ECU (Hardware und Software) namens AGO 340 anliefern.

Sie wird dank Modifikationen bei Traction Control, Wheelie Control und Launch Control sowie im Race-Modus und bei der Überwachung des Spritverbrauches spürbare Vorteile gewährleisten und dadurch in den Rennen die Lebensdauer der Hinterreifen verlängern.

Da Ducati Corse bisher immer schon die Elektronik von Magneti Marelli verwendet hat (aber mit eigener Software), verfügt Gigi Dall'Igna wohl über italienisches Insider-Wissen, was die Pläne von Magneti Marelli und die Qualität dieser neuen Einheits-ECU betrifft.

Die gegnerischen Werke (Honda, Yamaha und Suzuki) sträuben sich ja hartnäckig gegen eine Einheits-ECU, weil sie einen Technologie-Transfer zu den Konkurrenz-Unternehmen fürchten, ein Absaugen von Know-how und verhindern wollen, dass Magneti Marelli eine globale Monopolstellung auf dem Sektor der Motorrad-Elektronik erobert. Diese könnte dann für viel Geld auch an kleinere Motorradhersteller verhökert und dort bei der Serien-Elektronik für Strassenmaschinen angewendet werden.

Im Open-Format kämpft Ducati vorne mit!

Die Rechnung ist einfach: Wenn die Reifen auf einer langen Piste wie dem Sepang International Circuit rund 0,6 sec bringen und die neue Einheits-ECU keinen Nachteil mehr gegenüber dem Factory-Modus ergibt, kann Ducati ab nächsten Mittwoch beim Sepang-Test um Top-3-Ränge fighten.

MotoGP-Promoter Dorna wird sich ins Fäustchen lachen.
Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta will nämlich so rasch als möglich alle MotoGP-Teams auf die Einheits-ECU einschwören. Wenn Ducati 2014 damit wieder um Podestplätze fightet, werden die Gegenargumente von Honda, Yamaha und Suzuki schwächer und blutleerer werden.

Gigi Dall'Igna hatte vor dem ersten Sepang-Test angekündigt, Dovizioso und Crutchlow würden dort Vergleiche zwischen einer Open-Ducati und einer Version der GP14 mit Factory-Reglement fahren.

Das hat aber nie stattgefunden. Aus Zeitmangel, hiess es.

Ich vermute: Dall'Igna wollte einfach nur herausfinden, was mit der eigenen Software und den Factory-Reifen rauszuholen ist. Das Fazit: 7. Dovizioso. 10. Iannone. 14. Crutchlow.

Kein Ergebnis, bei dem man sich eine eingefrorenen Motorenentwicklung leisten kann.

Es würde mich sehr wundern, wenn die GP14-Ducati von Dovizioso, Crutchlow und Iannone nicht bereits am kommenden Mittwoch mit der Einheits-ECU und im Open-Format aus der Box rollen würden.

Der vierte Platz von Underdog Aleix Espargaró auf der Open-Yamaha des Forward-Teams beim ersten Sepang-Test war ein klarer Hinweis auf die Schlagkraft der neuen «Kundenmotorräder».

Ob diese Vorgehensweise von Ducati im Geiste des Reglements ist, das ursprünglich den Privatfahrern bessere Chancen einräumen sollte, braucht die Roten nicht zu interessieren.

Im Rennsport geht es in erster Linie darum, unter Einhaltung der sportlichen und technischen Vorschriften möglichst schnell vom Start ins Ziel zu fahren.

Wir kennen dieses Szenario seit bald 40 Jahren: Die meist schäbig bezahlten Funktionäre, die das Reglement austüfteln, sind den pfiffigen und hoch bezahlten Genies, Konstrukteuren und Designern in den Rennabteilungen der Werke an Schlitzohrigkeit, Weitblick und Raffinesse haushoch unterlegen.

Sonst hätte es in der Formel 1 umstrittene Einfälle wie die verstellbare Bodenfreiheit, den Brabham-Stausauger, Auspuffgase zur Erhöhung des Abtriebs, Doppeldiffusoren oder Motorkennfelder, die wie eine Traktionskontrolle wirken, alle nie gegeben.

Die Ducatisti können sich freuen.

Die Farbe Rot wird in der MotoGP-WM 2014 durch diesen genialen Schachzug von Gigi Dall'Igna neuen Glanz erhalten.

Lesen Sie heute in einer späteren Story nach 14 Uhr: Wie Ducati die Japaner austrickste und der Open-Deal von Ducati mit Magneti Marelli von langer Hand geplant wurde.

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