Freddie Spencer: «Márquez kann alle Rennen gewinnen»
Freddie Spencer
Als langjähriger MotoGP-TV-Zuschauer war Freddie Spencer höchst erfreut, als er am Sonntag Zeuge des Kampfes zwischen Marc Márquez und Jorge Lorenzo in Mugello wurde.
Der Honda-Star und Weltmeister der Königsklasse in den Jahren 1983 und 1985 spricht über die bisherige Saison 2014 und verlautbart eine Idee, wer möglicherweise in den kommenden Jahren eine Gefahr für Márquez darstellen könnte.
«Fast Freddie» Spencer hat in seiner Zeit Geschichte geschrieben, indem er 1983 mit der Honda Racing Corporation (HRC) der jüngste 500-ccm-Weltmeister aller Zeiten wurde. Zwei Jahre später ging der Erfolg weiter, als er im selben Jahr die Krone in der 250-ccm- und der 500-ccm-Klasse holte. Heutzutage schaut er gerne den neusten Stars zu, während er emsig daran arbeitet, junge Talente zu fördern.
Marc Márquez hatte atemberaubende Jahre, bevor er in die Top-Klasse kam, er wurde 125-ccm-Weltmeister 2010 und Moto2-Weltmeister 2012. Er schaffte eine unglaubliche MotoGP-Debütsaison 2013 und jetzt einen perfekten Start 2014. Wie beurteilst du ihn nach diesen ersten sechs Rennen?
Ich denke, dass die Veränderung bei Marc dieses Jahr interessant ist, die damit zu tun hat, wo er sich befindet und wie er sich entwickelt hat. Letztes Jahr hatte er in vielen Tests und Trainings Unfälle, aber nur einen in einem richtigen Rennen, nämlich in Mugello.
Dieses Jahr kann man sehen, wie er sich entwickelt hat und wobei er sich wohlfühlt und was er zu erreichen versucht. Dabei geht er in die richtige Richtung. Er konzentriert sich auf jedes einzelne Rennen und nutzt dabei die Kraft des Motorrads; er weiss genau, wie er damit umgehen muss. Er kann die Probleme gut umgehen und er versteht sowohl die Stärken und die Schwächen seines Motorrads als auch diejenigen seiner Gegner.
Es ist dieses Bewusstsein, in das er hineingewachsen ist und das es ihm möglich gemacht hat, von sechs Rennen sechs zu gewinnen. Marc leistet grossartige Arbeit. Er hat die Chance und die Möglichkeit, in dieser Saison alle 18 Rennen zu gewinnen. Aber wie wir im Rennsport wissen, braucht es mehr als nur das. Hoffentlich gibt es keine Probleme mit dem Motorrad, die so eine Erfolgsserie verhindern könnten.
Andere Fahrer versuchen Márquez am Gewinnen zu hindern. Fahrer wie Jorge Lorenzo, Dani Pedrosa und Valentino Rossi, der 2014 bisher konstanter und öfter auf dem Podium war als zu Beginn des letzten Jahres.
Das Grossartige an Valentino ist das, was er über das letzte Jahr geschafft hat, nämlich die Anpassung und die Veränderung seines Fahrstils. Wir alle wissen, was Valentino kann, wir alle kennen seine Leidenschaft, was er für den Motorsport geleistet hat und immer noch macht und den Spass, den er dabei hat. Er ist 2013 bei der Rückkehr zu Yamaha auf die Rennstrecke hinausgegangen und hat sich an die neuen Bedürfnisse angepasst. Dabei gibt es immer ein Risiko, aber er hat sich ihm gestellt. Ich respektiere ihn dafür.
Ich bin sehr stolz darauf, dass er das gemacht hat und auch, dass er sich wieder in seiner besten Form zeigt. Valentino ist wieder da und pusht Marc. Wenn Marc die Rennen nicht gewonnen hätte, hätte Valentino es meistens getan, da er schon dreimal Zweiter war.
Jorge hatte leider Mühe. Aber im letzten Rennen in Italien haben wir gesehen, dass er nach dem schwachen Saisonstart stark zurückgekommen ist – und genau so muss es sein. Marc weiss das auch.
Das ist das, was man von den Rennen erwartet, dass sie hart sind und dass man energisch gegen die Probleme ankämpfen muss.
Bei Dani haben wir wegen seiner «arm pump»-Probleme nicht das gesehen, was er eigentlich kann. Wir wissen, dass er stärker sein kann. Es liegt an den drei Jungs, dass sie Marc zu noch stärkeren Leistungen antreiben. Er zieht sie mit und das ist das, was die Weltmeisterschaft spannend macht.
Du wurdest 1983 der jüngste Weltmeister aller Zeiten in der Köningsklasse. Marc hat dir diesen Rekord 2013 weggenommen. Gibt es aufkommende junge Fahrer, bei denen du dir vorstellen könntest, dass sie Marc in den nächsten vier, fünf oder sogar zehn Jahren herausfordern könnten?
Es gibt immer junge Fahrer. Der junge Australier Jack Miller in der Moto3 – er könnte eine Gefahr werden. Dann ist da natürlich Marcs Bruder Alex... Wie aufregend wäre das? Zwei Brüder, die sich bekämpfen.
Bei Marc ist es diese Einzigartigkeit, die es nicht oft gibt und die den Level anhebt. Natürlich wird es Typen geben, die nach Marc kommen, aber er war der Erste in seiner Generation, der es geschafft hat. Es inspiriert andere zu wissen, dass Rekorde gebrochen werden können, er motiviert sie. Das ist das Wunderbare an dem, was wir machen und wozu wir die Möglichkeit haben.
Marc schafft es, Leute anzuspornen und ihren Leistungslevel zu steigern.
Irgendwann wird jemand kommen, der das auch kann; ich weiss noch nicht, wer das sein wird. (Er lacht). Aber ich glaube, dass ihn gewisse Fahrer in nicht allzu ferner Zukunft herausfordern und dann die Messlatte höher legen werden.
Das ist das Grossartige an dem, was wir machen – alles ist möglich!
Und wie kommt Freddie Spencer mit seinem neuesten Projekt voran?
Ich arbeite weiter mit der Fahrschule in Le Castellet in Frankreich zusammen. Es ist die Track Day Group 4G; wir machen aufregende Dinge. Ich liebe es, Menschen zu helfen.
Nachdem ich vom Rennsport zurückgetreten war, habe ich eine Rennfahrerschule in Las Vegas eröffnet. Sie war der erste Schritt in diese Richtung.
Die andere Sache, die ich mache, sind Classic Events. Das ist eine wunderbaren Sache, in die ich hineingewachsen bin. Ich glaube, es ist sehr wichtig, die Geschichte des Motorsports und die damaligen Bikes zu zeigen.
Letztes Wochenende hatten wir einen Event in Dijon mit 30.000 oder 40.000 Zuschauern... Rekordverdächtige Massen. Sie kommen, um sich die Bikes aus vielen verschiedenen Jahrzehnten anzuschauen, aber auch wegen der damaligen Weltmeister. Es ist grossartig, ein Teil davon zu sein. Ich glaube, es ist sehr wichtig, bei solchen Events mitzuwirken.
Ich geniesse es auch, zu Grand Prix zu gehen und diesen aktuellen Aspekt zu betrachten. Ich glaube fest an das, was wir am Motorsport lieben. Er hat mir viel gegeben; und ich gebe jetzt gerne etwas davon zurück.