Jack Miller: «Ich mache mein eigenes Ding»
Jack Miller wird aller Voraussicht nach als erster GP-Fahrer seit seinem Landsmann Garry McCoy (1997/1998) von der kleinsten Klasse direkt in die MotoGP-WM aufsteigen – von 55 auf 260 PS.
Doch Miller dürfte bei HRC eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben haben. Er lässt sich kaum eine Silbe zu diesem Transfer entlocken.
«Nein, ich habe noch keine Vereinbarung mit Honda, nichts», beteuerte Jack Miller am vorletzten Freitag in Brünn im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es ist noch nichts entschieden. Es sieht nach Moto2 aus. Aber ich weiss es noch nicht; wir werden sehen. Moto2 wäre die normale Route. Bisher gibt es kein Agreement. Wie ich bereits gesagt habe: Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Moto3-WM. Das ist mein Job. Ich weiss nicht, wer 2015 Crutchlows Teamkollege bei LCR wird. Haben sie einen zweiten Platz? Ich dachte, Cal wird einfach den Platz von Stefan übernehmen. Ich weiss von nichts.»
Also haben wir uns mit Jack Miller in erster Linie über seinen rasanten Aufstieg in der Moto3-WM unterhalten.
«JackAss» gewann auf der Red-Bull-KTM im März den Saisonauftakt in Katar und gab die WM-Führung seither nie mehr ab. Der letztjährige WM-Siebte (damals auf FTR-Honda im Racing Team Germany) hält sich jetzt in der WM-Tabelle 23 Punkte vor Alex Márquez und 24 vor Efren Vazqzez (beide auf Honda).
Jack, überrascht es dich, dass du die WM anführst?
Als ich unterschrieben habe, habe ich zu Teamchef Aki Ajo gesagt, dass ich den Titel gewinnen will... Aber das ist alles nur Gelaber, bis du wirklich anfängst zu fahren. Aber ich habe unterschrieben, um Weltmeister zu werden, und bisher habe ich mich gut geschlagen. Aber es ist noch ein langer Weg bis zum Ende der Saison. Sieben Rennen.
Ich muss zusehen, dass ich meine Position halten kann. Ich wusste, dass ich es schaffen kann, aber dass es in Katar so schnell passiert ist, war ein kleiner Schock.
Die Moto3-Rennen waren grossartig und ziemlich hart. Geniesst du all diese Feindberührungen?
Ja, ein bisschen schon. Am Anfang der Saison war ich ein bisschen zu nett. Nicht in Argentinien, aber in Jerez war ich nicht kampfbereit. Ich bin ein bisschen gefahren wie ein Mädchen, wenn ich ehrlich bin.
In Le Mans bin ich dann wieder gefahren wie in Texas. Sobald mich jemand überholt hat, habe ich ihn sofort wieder überholt. So versuche ich jetzt die ganze Zeit zu fahren. Ich glaube, ich werde so weitermachen und schauen, wie weit ich damit komme.
Du hast in Argentinien den ersten Platz im Rennen an Romano Fenati verloren, als er dich in der zweitletzten Kurve überholt hat. War das eine Überraschung für dich?
Klar – er war selbst überrascht, glaube ich. Er hat die Bremse ein bisschen fester angezogen und die Kontrolle am Vorderrad verloren – hat er selbst zugegeben. Er hatte Glück, dass er so einfach da rausgekommen ist und sich auf dem Motorrad halten konnte. Er die Bremse fast losgelassen und deshalb ist er in mich hineingefahren. Er hat es ja nicht absichtlich gemacht... Und er hat es gut gemeistert.
Natürlich hat es mich überrascht... Er ist mir in den Arsch gefahren. Ich habe mich wirklich drüber aufgeregt, aber als ich nach Jerez kam und das Rennen als Aufzeichnung angeschaut habe. Doch ich schaue zurück und denke: Wenn ich Fenati wäre, hätte ich dasselbe gemacht. Ich hätte das Gleiche gemacht und genau das genau an der gleichen Stelle.
Wenn du für solche Manöver nicht bereit bist, bist du kein Rennfahrer. Wie Ayrton Senna gesagt hat: Wenn du nicht für die Punkte kämpfen willst, dann bist du nicht länger ein Rennfahrer.
Mit all den rauen Begegnungen in der Moto3, wer ist der härteste Gegner?
Ich glaube, Isaac Vinales. Er ist ein schwieriger Gegner. Mit ihm ist es mehr ein Gerangel, wobei es mit Fenati mehr ein kontrollierter Kampf ist. Dabei wird bei jedem Überholmanöver mehr nachgedacht. Vinales will einfach immer vorne sein.
Und Vazquez? Geht es bei ihm nur darum zu warten, bis die Bremszone kommt? Denn dort ist er für dich ein leichtes Opfer?
Genau. Man weiss, dass er auf jeder Geraden an mir vorbei flitzt. Ich würde mich dort am liebsten mit erhobenen Händen ergeben. Aber ich muss mich dann aufs Bremsen konzentrieren...
Bist du körperlich nicht ein bisschen zu gross für die Moto3?
Ich bin seit einem Jahr nicht gewachsen und ich bin ein bisschen leichter als am Ende der letzten Saison. Aber ich bin sicher ein bisschen zu gross für diese kleinen 250er. Ich würde lieber auf eine 600er springen.
Ist es das, was du nächstes Jahr fahren wirst?
Wir werden sehen. Mein Hauptaugenmerk liegt auf der gegenwärtigen Saison. Wenn Valencia kommt, werde ich mich auf das nächste Jahr konzentrieren. Ob es in der Moto2 sein wird... Wir sind gerade am Verhandeln und eins ist sicher. Ich werde nächstes Jahr sicherlich nicht in der Moto3 sein.
Kannst du dir den direkten Aufstieg in die MotoGP vorstellen?
Wenn ich das richtige Motorrad hätte, dann ja. Ich habe das Gefühl, dass ich gross und stark genug bin, um das Bike zu kontrollieren. Wenn ich auf einem Open-Bike in die MotoGP kommen würde, das keine Chance hat, unter die Top 5 zu kommen, dann würde ich es nicht machen. Aber wenn ich auf einem wettbewerbsfähigen Motorrad einsteigen könnte, dann würde ich das machen. Das erste Jahr würde ich wahrscheinlich herumeiern, aber ich glaube, dass ich mich anpassen und daraus lernen könnte...
Wo in Europa lebst du jetzt, nachdem die Verbindung zu Deutschland vorbei ist?
In Tarragona, mit Arthur Sissis. Nicht weit weg von Barcelona. Das ist gut. Wir renovieren gerade das Haus... Meine Hände sind ein bisschen zerkratzt von den Gartenarbeiten. Das Haus gehört Joan Olivé, dem ehemaligen GP-Fahrer und KTM-Testfahrer. Es ist das Haus seines Grossvaters... Die Küche ist ungefähr aus dem Jahre 1972, deshalb haben wir sie rausgerissen. Das Haus ist ungefähr 200 Meter vom Strand entfernt und die Miete ist niedrig. So ist es sehr angenehm.
Du bist das vielversprechendste Talent aus Australien – ist das eine Last?
Nicht wirklich. Ich bin gleich wie jeder andere im Fahrerlager. Natürlich habe ich ein Land, das hinter mir steht, aber ich betrachte das nicht so.
Es gibt andere Australier hier im Paddock, aber ich bin halt momentan der, der Rennen gewinnt.
Ich rede mich hier heraus. Ich mache mein eigenes Ding. Ich sage nicht, dass ich der nächste Casey Stoner bin – oder was auch immer. Ich bin Jack Miller. Wenn ich diesen Typen auch nur annähernd das Wasser reichen kann, bin ich glücklich damit.
Dein Break-Dance nach dem Sieg in Le Mans – was hatte das zu bedeuten?
Ich weiss es nicht. Es war eine spontane Reaktion. Es ist mir gerade so in den Sinn gekommen. Mir kommt oft solche Scheisse in den Sinn. Ich habe gedacht, dass ich die Leute so zum Lachen bringe. Du musst die Leute zum Lachen bringen, wenn du dich selbst zur Pointe des Witzes machen kannst.
Was ist das Lustigste, das dir dieses Jahr passiert ist?
Ich weiss es nicht. Ist noch nicht passiert. Es passieren viele lustige Sachen, die ich aber nicht alle aufzählen kann. An Sonntag-Nachmittagen nach den Rennen, aber wir dürfen nicht wirklich darüber sprechen...
Jack hinterlässt viele Spuren auf seinem Motorrad, solche Sachen. Und ich bin ein sehr schlechter Trinker. Ich schlafe dann sehr schnell ein. Wenn ich nach dem Rennen ein paar Bier trinke, schlafe ich ein und die anderen fangen an, Dinge mit mir anzustellen: Sie malen mein Gesicht an...
Ich habe gesehen, wie du im Fahrerlager einen Mercedes SLR bewundert hast – hast du dir selbst ein paar Geschenke gekauft, mit deiner enormen Gage?
Enorme Gage! Ich hatte Glück mit dem Salär, das ich gekriegt habe, und ich habe einen persönlichen Sponsor, dem ich danken muss: Maca, ein Bauunternehmer in Australien. Ich hätte letztes Jahr ohne ihn nicht beenden können.
Ich hatte Glück, dass ich meinen Eltern etwas von den Schulden abzahlen konnte, die ich bei ihnen habe – aber die sind noch lange nicht ausgeglichen. Ich konnte auch meiner Schwester ein Auto kaufen – ihr erstes. Für so kleine Dinge reicht es.
Es ist cool, dass ich in einer Position bin, wo ich solche Sachen machen kann.
Ich sehe keinen Sinn dahinter, wieso ich mir so ein schnelles Auto kaufen sollte. Ich kaufe lieber Land oder so. Ein gutes Auto für mich ist ein Van. Da kann ich mein Motorrad hineinstellen, drinnen schlafen, und so weiter. Ich mag das Zigeunerleben. Arthur und ich gehen campen mit unseren Motorrädern hinten im Auto. Wir machen unser eigenes Ding.