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Thomas Scholz (Bridgestone): «Haben Grip verloren»

Von Günther Wiesinger
Thomas Scholz im Gespräch mit Günther Wiesinger

Thomas Scholz im Gespräch mit Günther Wiesinger

Im Vorjahr hielten die Bridgestone-Hinterreifen auf Phillip Island nur zehn statt 27 Runden lang. Jetzt gibt es härtere Reifen, aber auch sie finden wenig Anklang.

Vor einem Jahr stellte der neue Asphalt auf der Rennstrecke von Phillip Island beide Reifenhersteller vor Probleme – Dunlop in der Moto2 und Bridgestone in der MotoGP-Klasse.
In der MotoGP-Klasse musste die Renndistanz am Sonntag sogar extrem verkürzt werden – von 27 auf 19 Runden, und das in zwei Teilen, mit einem Pflichtstopp zum Motorradwechsel nach neun oder zehn Runden, weil die Lebensdauer der Hinterreifen nur für zehn Runden gewährleistet wurde.

Ein Jahr später steht Bridgestone wieder in der Kritik, bwohl die drei werke Honda, Yamaha und Ducati mit den sechs Fahrern hier im März drei Tage getestet haben.

SPEEDWEEK.com hat Thomas Scholz, Chief Coordinator von Bridgestone Motorsport, mit den Vorwürfen der Fahrer konfrontiert.

Scholz ging auch noch einmal auf die Situation von 2013 ein. «Es stimmt nicht, dass wir damals die Schwierigkeiten von Pirelli vom Superbike-WM-Rennen 2013 ignoriert hätten», sagt er. «Logischerweise haben wir von den Problemen von Pirelli gewusst und haben auch möglichst viele Informationen von Ducati, Honda und Suzuki erhalten. Aber durch die Regeln in der MotoGP konnten wir 2013 in Australien gar nicht vor dem Rennen testen. Es gab auch gar kein sinnvolles Zeitfenster mehr für spätere Tests, weil alle Teams es vorgezogen haben, in Austin und Las Termas de Rio Hondo zu testen. Die einzige Möglichkeit für uns bestand 2013 darin, alle verfügbaren Reifenoptionen mitzubringen, was wir damals auch getan haben.»

Thomas, gehst du heute etwas beruhigter nach Hause als voriges Jahr hier am Freitag?

Es gibt etwas gemischte Gefühle. Wir mussten natürlich Reifen hierher bringen, mit denen wir über die Renndistanz kommen. Zehn Runden helfen uns ja nicht.
Dass diese harten, hitzebeständigen Reifen nicht jene Performance bieten können, die sie von anderen Strecken gewöhnt sind, hätte ihnen von vorherein klar sein müssen.
Denn das sind Geräte, mit denen man mit 320 km/h in die Kurven einbiegt. Dass jetzt hinten der Grip nicht existiert, den sie brauchen, den sie natürlich erwarten und den sie normalerweise auch kennen. Dieses Gefühl können wir den Fahrern mit diesen Reifen nicht bieten, das war klar. Deshalb habe ich gemischte Gefühle.
Immerhin können wir nach dem ersten Trainingstag mit einigermassen Sicherheit sagen, wir machen das Rennen wirklich über 27 Runden, wie sich die Dorna das wünscht. Anderseits können wir die Fahrer nicht unbedingt so zufrieden stellen, so wie die es gerne hätten.
19 Runden wie im Vorjahr, das können wir der Dorna, den TV-Zusehern und den Zuschauern an der Strecke kein zweites Mal zumuten. Also haben wir Reifen entwickelt, die einigermassen über die Distanz kommen. Dass wir dadurch Feedback und Performance – also Grip – verlieren, das war uns von vorherein klar. Wie gross die Einbusse ist, kann man im Vorfeld nicht genau sagen.

Warum müssen die Teams hinten mit bis zu 0,5 bar mehr Luftdruck fahren als üblich?

So viel ist es nicht. Wir reden von 0,35 bis 0,4 bar.
Wir haben bei den Prüfstandtests in Japan gesehen, dass der Luftdruck einen sehr grossen Einfluss darauf hat, wie lange die Reifen halten. Wenn man mit einem deutlich höheren Luftdruck anfängt, steigt auch der Innendruck nicht so hoch wie wenn man mit einem niedrigen Luftdruck anfängt. Wenn man diesen Effekt reduzieren kann, ist der Reifen über die Renndistanz wesentlich stabiler, es gibt weniger Blasenbildung.

Die Honda haben hier grössere Probleme als die Yamaha. Das hat mit den unterschiedlichen Chassis-Konzepten zu tun?

Es weiss ja inzwischen jedes Kind, dass die Yamaha andere Fahrwerks-Charakteristiken haben beim Rein- und Rausfahren aus den Kurven. Die Yamaha arbeiten besser auf der Kante, dadurch bauen sie mehr Temperatur auf. Die Honda-Fahrer richten die Bikes früher auf, dadurch kommt der Reifen sofort in einen Bereich rein, wo er anfängt durchzudrehen. Die Honda-Asse fahren aber nicht den Kurvenspeed der Yamaha-Fahrer. Und ihre Beschleunigung können sie hier wegen mangelnder Traktion nicht ausnützen.

Hat Bridgestone mit dem Sicherheitsdenken übertrieben? Sind die Reifen nach der letztjährigen Blamage zu hart geworden?

Es war zwar diesmal am Freitag hier sonnig, es sah auch schön aus, aber wir haben nur 15 Grad Aussentemperatur gehabt. Das entspricht einer Belagstemperatur von 15 Grad. Beim Testen im März hatten wir 8 bis 10 Grad mehr auf dem Asphalt.
Wir haben also einen Temperaturunterschied von 15 bis 20 Grad, die wir mehr im Reifen hinten haben könnten.
Jetzt haben wir eventuell Glück mit dem Wetter, denn bis zum Sonntag soll es hier bis zu 23 Grad warm werden. Wenn die Sonne scheint, bist du dann bei 35 bis 40 Grad auf dem Asphalt.
Es sind deshalb heute auch so viele Fahrer übers Vorderrad abgeflogen, weil sie dachten, es sei kuschelig warm, also haben sie Reifen mit einer Nummer härter genommen. Eigentlich hätten heute alle nur mit dem weichen Vorderreifen fahren sollen.

Und die Ducati-Fahrer Iannone und Dovizioso stehen wegen der superweichen Hinterreifen auf dem Plätzen 4 und 5?

Ja, logisch. Hier ist es halt so: Da sich die Strecke verändert, sind die superweichen Hinterreifen eigentlich hier die besten. Sie werden vielleicht sogar die Renndistanz überstehen.

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