Stefan Bradl: Muss er seine Ziele für 2015 ändern?
Im Assen-Training: Stefan Bradl (6) vor Loris Baz
Stefan Bradl stiess bei den Grand Prix in Mugello und Barcelona auf keine nennenswerten Elektronik-Probleme.
Auch in Assen traten am Donnerstag und Freitag keine Schwierigkeiten auf. Doch der Yamaha-Pilot führt den Highsider im Rennen von Assen nicht zuletzt auf ein unpassendes Eingreifen der Traction Control zurück.
Stefan, du hast zwar nach dem Crash in Assen gesagt, du seist einen Ticken schneller gefahren, weil du Yonny Hernandez nicht entwischen lassen wolltest. Und du hast eigentlich erwartet, dass die Traction Control einen Highsider verhindert?
Ja, am Freitag habe ich darüber mit unserem Elektronik-Ingenieur Dirk Debus gesprochen. Er hat mir gesagt, dass die «throttle maps» von Yamaha für unser Paket nicht richtig passen. Es ist eigentlich genau das Gegenteil von dem eingetroffen, was wir in Argentinien gehabt haben. In Südamerika war ich komplett blockiert durch die Elektronik. Dort habe ich in den Kurven Vollgas gegeben, aber die Elektronik hat so stark geregelt, dass nichts vorwärts gegangen ist.
In Mugello, Barcelona und an den ersten zwei Tagen in Assen war es relativ problemfrei. Aber am Renntag hatte ich schon einen argen Rutscher im Warm-up, den ich noch abfangen konnte. Das Set-up der Traktionskontrolle wurde dann fürs Rennen noch einmal verändert, aber das war nicht ausreichend.
Das führt dann zu folgendem Dilemma: Ich ziehe das Gas gefühlvoll auf, dann habe ich einen Rutscher und gehe natürlich sanft vom Gas, weil ich merke, ich kann diesen Rutscher abfangen. Aber die Elektronik in Verbindung mit der Traction Control sagt dann: Wir müssen das Drehmoment schleunigst wegnehmen, ?denn der Fahrer hat einen Rutscher. und da ich das ?Gas gefühlvoll zudrehe und den Slide mechanisch abfangen möchte, während die Elektronik komplett das Gas wegnimmt, kommt dann der Moment, wo der Hinterreifen wieder extrem viel Grip kriegt, wieder zurückkommt und Haftung findet.
Dirk Debus hat gesagt, dass die «throttle maps» von Yamaha zu kompliziert sind und in so einem Fall zu «grob» reagieren, nicht fein genug.
Ich habe Dirk dann gefragt, welche Schlüsse ich aus dieser Information ziehen soll. Er hat geantwortet: Du kannst für diesen Sturz nicht viel dafür.
Aber es ist schwierig, diese Hintergründe in der Öffentlichkeit zu erklären. Der Fahrer wird dann als Trottel hingestellt.
Jetzt sieht es bei Mitschuld der Elektronik so aus, dass ich in Assen den Open-Sieg verspielt habe, dass ich verletzt bin und auf den Heim-GP verzichten muss. Es geht ja auch um meinen Ruf und um meine Zukunft als MotoGP-Rennfahrer.
Athinà-Forward-Teambesitzer Giovanni Cuzari hat erklärt, dass sich Yamaha nicht mit der Open-Class-Elektronik beschäftigt. bei Honda und Ducati sie?ht das anders aus. Aber Yamaha liegt mit Rossi und Lorenzo in der WM an der Spitze, deshalb ist die Open-Class für sie nebensächlich geworden. Und die Software für 2016 kommt sowieso von Honda, Yamaha und Ducati, die jetzige von Marelli wird entsorgt.
Ja, wir haben als privates Team nicht genug Tests, wir können bei der Elektronik zu wenig ausprobieren. An einem GP-Wochenende ist keine Zeit dafür. Honda hat ein eigenes Testteam für die Open-Fahrer.
Du warst in der sechsten Runde in Assen vor dem Crash schon 2,1 sec vor Loris Baz, dem zweitbesten Open-Fahrer. Musst du dich bei den restlichen neun Rennen ab Indy in erster Linie darauf konzentrieren, einfach die Open-Class zu dominieren? Und nicht mehr den Factory-Piloten wie Petrucci, Redding und Hernandez hinterher jagen?
Ja, buhh. Ich weiss es nicht... Ich habe mir halt in Assen gedacht, nach hinten habe ich schon einen Abstand, aber mein Instinkt sagte mir, ich sollte Hernandez nicht zu rasch wegfahren lassen. Ich lag nur 0,8 sec hinter ihm.
?Ich habe mich nach vorne orientiert. Das ist ja in so einem Fall eigentlich auch das Richtige.