Stefan Bradl: Cal Crutchlow ist nicht erfolgreicher
Stefan Bradl als Besucher auf dem Sachsenring
Vor und nach dem Sachsenring-GP diskutierten die Bradl-Fans und jene MotoGP-Freunde, die dem Moto2-Weltmeister skeptisch gegenüber stehen, heftig über die Zukunft und über die Schlagkraft des 25-jährigen Bayern.
Die Bradl-Hater mäkeln gerne, der Athinà Forward-Yamaha-Pilot sei 2011 nur zufällig Moto2-Weltmeister geworden, weil sich Marc Márquez verletzt habe. Es ?darf aber nicht Bradls angelastet werden, dass der Spanier in Australien und Malaysia innerhal?b von acht Tagen dreimal schwer stürzte und deshalb die letzten zwei Rennen verpasste.
Das Reglement sieht bekanntlich vor, dass am Jahresende jener Fahrer Weltmeister wird, der die meisten Punkte eingesammelt hat.
Bradl fuhr damals immerhin fünf Siege gegen Márquez heraus, er holte dazu zweite Ränge in Mugello, Misano, Phillip Island und Sepang, er wurde Dritter in Le Mans und Brünn, er verzeichnete in 17 Rennen nur zwei Nuller (durch Stürze in Assen und Valencia). Ein fünfter Platz in Jerez, ein sechster Rang in Indy, ein achter Platz in Aragón und Rang 4 in Motegi rundeten die Saison ab.
Die WM gewann Bradl mit 274 zu Punkten 251 Punkten vor Márquez. Ein Zufalls-Weltmeister sieht anders aus.
Übrigens: Pol Espargaró wurde 2013 mit 265 Punkten Weltmeister.
Dazu ist Stefan Bradl der einzige Rennfahrer, der seit 2010 einen Titelgewinn von Márquez verhindert hat. 2010, 2012, 2013 und 2014 wurde der spanische Superstar jeweils Weltmeister.
Die Titel in der IDM 125 im Jahr 2005, in der Internationalen Spanische 125-ccm-Meisterschaft 2007 und ?Platz 1 in der MotoGP-Rookie-of-the-Year-Wertung 2012 hat Bradl auch nicht geschenkt bekommen.
Die HRC-Manager Shuhei Nakamoto und Livio Suppo trauten Stefan Bradl nach den ersten zwei Jahren bei LCR-Honda sogar zu, 2015 Dani Pedrosa im Repsol-Team zu ersetzen, deshalb bekam er nach den WM-Rängen 8 und 7 und der Pole-Position sowie Platz 2 in Laguna Seca für 2014 einen HRC-Vertrag.
Aber Bradl erfüllte die hohen Erwartungen nicht. HRC engagierte für 2015 Jack Miller statt Bradl und platzierte den Australier im LCR-Honda-Team. Und als Teambesitzer Lucio Cecchinello mit CWM einen Sponsor für den zweiten Platz fand, war sich Bradl für 2015 schon mit Forward-Yamaha einig.
Seinen Platz bei LCR übernahm Cal Crutchlow, der die von HRC gewünschten Podestplätze aber auch nicht so locker aus dem Ärmel schüttelt. Immerhin: Crutchlow hat 2015 in Argentinien Platz 3 erreicht, Bradl blieb 2014 bei LCR ohne Podestplatz.
Aber: Crutchlow stand am Sonntag beim GP von Deutschland auf dem zehnten Startplatz, Bradl fuhr 2014 vom dritten Startplatz los, 2013 vom vierten und 2012 vom sechsten. Bradl fuhr im Quali 2014 0,1 sec schneller als der Brite am Samstag.
Und im Rennen landete der unbestritten schnelle Crutchlow am Sonntag auf Platz 7. Bradl war 2012 Fünfter und 2013 Vierter, damals mit 13,9 Sekunden Rückstand. Crutchlow büsste am Sonntag in Sachsen 29,8 Sekunden auf den Sieger ein.
Crutchlow hatte 2015 nach dem siebten Rennen 47 Punkten gesammelt, Bradl 2014 bei LCR 50. Der Engländer ist jetzt WM-Achter, Bradl war bei Halbzeit im Vorjahr WM-Siebter.
«Cal hat mir auf dem Sachsenring gesagt, er muss mit der Honda jede Runde mit 110 Prozent Risiko fahren», erzählte Stefan Bradl. «Jetzt sieht er auch, dass die Honda schwierig zu fahren ist.» Im Vorjahr hatte sich Cal mehrmals über Bradls mittelmässige Leistungen lustig gemacht.
Jedenfalls hat Cal Crutchlow bei den ersten neun Rennen 2015 nur ?zwei Top-5-Pl?ätze sichergestellt (er war in Jerez Vierter), Bradl 2014 in diesem Zeitraum drei (Platz 4 in Texas, Platz 5 in Las Termas und Barcelona). In Katar 2014 war Bradl in Runde 8 als Spitzenreiter gestürzt.
Redding: WM-Rang 14 auf Factory-Honda RC213V
Der Vergleich zwischen Bradl und Scott Redding, der jetzt bei Marc VDS quasi statt Bautista die zweite Factory-Honda fährt, fällt noch deutlicher zugunsten des Bayern aus aus.
Redding hat 2015 in neun Rennen 30 Punkte gesammelt, bestes Ergebnis: Platz 7 in Barcelona nach vielen Stürzen, dort landete Bradl in diesem Jahr mit der Open-Yamaha auf Platz 8.
Aber nach dem Sachsenring-GP hielt Stefan Bradl im Vorjahr immerhin bei 56 Punkten und drei Top-5-Ergebnissen.
Auch sonst muss Bradl keinen Vergleich mit Crutchlow und Redding zu scheuen. Crutchlow war Supersport-Weltmeister, Bradl gewann den Moto2-Titel, der höher einzuschätzen ist.
Und Redding hat bei 126 GP-Rennen 16 Podestplätze erzielt, Bradl 19 bei 147 Rennen, bei den GP-Siegen steht es 7 zu 4 für Stefan.
Stefan Bradl ist der erste Deutsche seit BMW-Werksfahrer Walter Zeller (1955 bis 1957), der in der Königsklasse im Endklassement dreimal hintereinander unter den Top-10 gelandet ist. Der Zahlinger hat bisher an 60 MotoGP-Rennen teilgenommen, bei 41 fuhr er unter die Top-Ten, immerhin hat er total 17 Top-5-Ergebnisse erzielt und 417 MotoGP-WM-Punkte erobert.
Es wird wohl einige Zeit dauern, bis wieder ein Deutscher so eine MotoGP-Performance hinlegt.
Und natürlich wird Jonas Folger (21) eines Tages in der MotoGP-Fahrer. Aber er hat in seiner zweiten Moto2-Saison bei Halbzeit zwei Siege und 77 Punkte erobert. Bradl hatte 2011 in seiner zweiten Moto2-Saison nach Rennen Nr. 9 auf dem Sachsenring schon fünf Saisonsiege und 192 Punkte in der Tasche. Und er hat sogar schon in seinen ersten Moto2-Saison ein Rennen (Portugal) gewonnen.
Ab er eines lässt sich nicht bestreiten: Stefan Bradl hat in den zwölf Monaten seit dem Sachsenring-GP 2014 (Platz 16 nach missglücktem Umbau vom Regen- auf Trocken-Set-up am Startplatz) zu viele Nuller eingefahren.
Aber Bradl hat sich auch nach der Saisonen 2006 und 2009 wieder an die Spitze gekämpft. «Ich hab's noch nicht verlernt», stellte der nach Platz 8 in Barcelona vor vier Wochen fest.