Yonny Hernandez: Er träumt vom MotoGP-WM-Titel
«Meine Familie fragt mich manchmal, wie ich auf einem solchen Level fahren kann, wenn ich vor ein paar Jahren Jahren noch die Strassen Kolumbiens unsicher gemacht habe», erzählt der Ducati-Pilot, der in Assen und auf dem Sachsenring im Regem von sich reden machte udn teilweise wie der Sieger aussah.
Yonny Hernandez, MotoGP-Fahrer des Pull & Bear Aspar Teams, begann seine Motorradkarriere auf der Straße und verbringt die Sommerpause damit, junge Fahrer daheim auf kurzen Pisten zu trainieren.
Yonny Hernandez Vega kommt aus Medellin in Kolumbien, er ließ sein Land und seine Familie zurück, um seinen Traum vom Motorsport zu erfüllen. Er übersiedelte nach Spanien, um in nationalen Meisterschaften zu fahren. Innerhalb weniger Jahre schaffte er den Schritt von der spanischen Supermoto- und Motocross-Meisterschaft in die internationale MotoGP-Weltmeisterschaft. Dort wird er fast immer von seiner Mutter begleitet. Sein Geheimnis? Ohne Pause zu arbeiten, bis seine sich Träume erfüllen.
Yonny, du bist der erste Kolumbianer, der in der Königsklasse des Motorradsports mitfährt. Wie ist die Motorrad-Kultur in deinem Land?
In Kolumbien ist es ganz anders, es ist nicht die gleiche Motorrad-Kultur wie hier in Europa. Die Fanbasis dort wächst jetzt, weil ich in der MotoGP-WM mitfahre und die Menschen dem Sport deshalb mehr folgen. Ich bin stolz darauf, der einzige Kolumbianer bzw. Südamerikaner hier in der Weltmeisterschaft zu sein. Es gibt mir Kraft und Motivation, besser zu werden und es zu versuchen.
Was muss in Kolumbien passieren, damit sie mehr Fahrer produzieren? Arbeiten sie daran?
Die Strecken dort sind Straßenkurse. Wir haben nur kurze Rennstrecken, in Bogota zum Beispiel, aber sie können nicht mit dem WM-Standard mithalten. Es gibt keinen Breitensport, keine Nachwuchsrennen. Ein Kind, das in Kolumbien Motorrad fährt, hat sich das Bike selbst gekauft, weil es den Sport liebt und ihn erlernen will. Tatsächlich bin ich derjenige, der Motorradkurse gibt, wenn die Saison zu Ende ist. Aber es ist bei weitem nicht das gleiche Jugend-Förderungsprogramm wie beispielsweise in Spanien.
Wieso hast du erst mit 13 angefangen, Rennen zu fahren und nicht schon vorher?
Die Wahrheit ist, daß mein Vater nie Motorrad gefahren ist. Es ist unüblich, aber niemand in meiner Familie mag Motorräder, ausser meinem Bruder. Ich habe mich schon für Motorräder interessiert, als ich noch ganz klein war, aber ich habe erst mit 13 oder 14 begonnen, Motocross zu fahren. In Kolumbien gab es keine Möglichkeit, früher zu beginnen.
Du musstest dein Land und deinen Kontinent verlassen, als du noch sehr jung warst. Was war das Schwierigste daran, die Heimat zu verlassen? Wie hast du die Veränderungen wahrgenommen?
Es war sehr schwierig, weil es bedeutete halt, weit weg von meiner Familie zu sein. Aber der Grund, warum ich es gemacht habe, ist etwas, was ich sehr geniesse und was mich erfüllt. Der Start war hart, aber jetzt habe ich mein Leben in Madrid, wo ich mich vor fast acht Jahren niedergelassen habe. Ich habe Freunde dort, ich mag die Stadt und es fühlt sich an wie Zuhause.
Allerdings ist es heutzutage schwierig, nach Hause zu fliegen, um meine Familie zu sehen, wegen dem dichten Rennkalender. Ich fliege jedes Jahr zurück, sobald die Saison vorbei ist. Zum Glück stehen sich in meiner Familie alle sehr nahe. Meine Mutter hat angefangen, zu ein paar Rennen zu kommen. Das geniesse ich sehr. Sie haben meinen Wunsch, Rennfahrer zu werden, immer unterstützt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.
Deine Karriere war ein bisschen ungewöhnlich. Du hast einen schnellen Wechsel gemacht zwischen Motocross und Strassenrennen, hin zu deinem Debüt in der Moto2.
Es ist wirklich alles sehr schnell gegangen, weil ich nach Spanien gekommen bin, um 2008 in der Supermoto-Meisterschaft teilzunehmen, nachdem ich zu Hause den Titel gewonnen hatte. Und um Motocross zu fahren. Jemand hat gemerkt, dass mein Style anders ist – in der Supermoto habe ich immer mein Knie zum Boden gedrückt und auf der Motocross-Maschine habe ich mein Bein ausgestreckt. Deshalb wurde mir gesagt, ich wäre gut für Strassenrennen. Also habe ich mir die Meisterschaft in Jarama angeschaut und mit einem gewissen Abstand gewonnen. Danach habe ich ein Angebot erhalten, in der Spanischen Meisterschaft zu fahren. Ich beendete das erste Rennen auf dem Podium. In sieben Rennen bin ich vier Mal aufs Podium gefahren und drei Mal gestürzt, während ich ebenfalls ganz vorne mitkämpfte. Am Ende der Saison haben sie mir einen Wechsel in die Moto2-WM vorgeschlagen. So bin ich hier im GP-Sport gelandet.
Hättest du dir jemals vorstellen können, dass du so schnell in die MotoGP aufsteigen würdest?
Es passierte alles sehr schnell. Vielleicht hat Gott mich mit dem Talent gesegnet, in der MotoGP zu sein. Aber manchmal bezahle ich auch mit fehlender Erfahrung, wie wir diese Saison ein paar Mal gesehen haben. Bei Flag-to-Flag-Rennen und mit manchen Aspekten im Set-Up habe ich Mühe. Da kämpfe ich gegen Typen wie Valentino Rossi, einen neunfachen Weltmeister, und gegen andere, die seit ihrem sechsten Lebensjahr Erfahrung mit Strassenrennen haben. Sie sind schon immer auf guten Strecken gefahren und hatten starke Konkurrenz.
Meine Familie fragt mich oft, wie ich auf diesem Level fahren kann, wenn ich vor ein paar Jahren noch in den Strassen Kolumbiens herumgekurvt bin.
Wie machst du deine fehlende Erfahrung wett?
Ich arbeite einfach hart, trainiere fleissig und versuche die Erfahrung aufzuholen, die mir fehlt. Der Fahrer, der ich heute bin, ist nicht derselbe, der ich vor drei Jahren war. Ich habe von meinen Gegnern gelernt, durch die Rennen, aus meinen eigenen Fehlern, von der Arbeit mit dem Team, dem Data Recording, vom Anschauen der Videos.
Da alles so schnell passiert ist, war es viel Information auf einmal, aber ich kann ganz gut damit umgehen. In der MotoGP gibt es 21 Fahrer. Das sind die Besten der Welt; es macht mich stolz, das zu wissen. Ich danke Gott für die Möglichkeit, die er mir gegeben hat.
Wie schätzt du 2016 nach der ersten Hälfte der Saison ein?
Wir hatten echt Pech. Es ist bisher die schwierigste Saison in der MotoGP für mich, weil manche Dinge während der Rennen nicht so gelaufen sind, wie ich es geplant hatte. Ich arbeite gut, wir sind im Training konkurrenzfähig, aber am Renntag passiert immer irgendetwas. Das bedeutet, dass wir nicht dort hinkommen, wo wir hin wollen.
Ohne Zweifel war einer deiner grössten Momente in der MotoGP derjenige, als du beim Rennen in Assen geführt hast. Wie war das? Beeindruckend?
Es hat sich normal angefühlt. Das hört sich vielleicht komisch an, aber du denkst an gar nichts, sondern konzentrierst dich nur aufs Fahren. Ich habe mich darauf konzentriert, was das Boxensignal mir angezeigt hat, auf das Fahren selbst und darauf, meinen Rhythmus zu behalten.
Ich hatte nicht den besten Start, aber ich begann, Leute zu überholen. Als ich an die Spitze gelangte, hatte ich das Gefühl, dass ich mithalten oder sogar davonfahren konnte. Ich habe versucht, das Tempo zu halten. Als es wieder anfing zu regnen, wollte ich mich wieder ein wenig zurücknehmen, aber es war nicht genug – und ich bin gestürzt. Ich glaube, dass ein Podiumsplatz drin gewesen wäre. Da bin ich mir fast sicher.
Wie ist Yonny Hernandez als Fahrer?
Ich war immer sehr aggressiv, aber ich habe gelernt, sanfter zu werden. Ich bin bereit Risiken einzugehen, aber nur wenn ich glaube, dass ich das tun muss.
Wie ist es für dich, mit einem vierfachen Weltmeister wie Jorge Martinez als Teamchef zusammenzuarbeiten?
Jorge ist eine wichtige Unterstützung für mich, weil er mir in der Box immer gute Ratschläge gibt. Als Weltmeister hat er sehr viel Erfahrung. Es ist immer gut, so jemanden in der Box zu haben.
Ich habe viel von diesem Team gelernt; sie sind mir in schlechten Zeiten zur Seite gestanden. Wir haben diese Zeiten zusammen durchgestanden.
Es ist wichtig, dass die Menschen dir in schwierigen Situationen nicht den Rücken zukehren. Das schätze ich sehr. Deshalb will ich ihnen auch einen Grund zum Feiern geben; das ist meine grösste Hoffnung.
Was denkst du über den Kampf um dem MotoGP-Titel?
Marc Márquez kommt mir in dieser Saison sehr reif vor. Vor allem, wenn es darum geht, sich auf die Rennen vorzubereiten. Er ist nicht wie früher, als er alles gewinnen wollte. Wenn er nur Zweiter werden kann, wird er Zweiter. Und dann überrascht er wieder mit Aktionen wie in Deutschland, wo er ein sehr schwieriges Rennen gewonnen hat.
In dieser Saison gab es zu Begián einige Stürze wegen der neuen Reifen. Da waren ein paar spannende Rennen dabei. Wir sind in der Hälfte der Saison und obwohl Marquez einen gewissen Vorsprung hat, ist die Weltmeisterschaft noch weit offen.
Könntest du dir vorstellen, eines Tages auf einer Werksmaschine zu sitzen?
Ja, davon habe ich immer geträumt. Ich hoffe, dass dieser Traum eines Tages wahr wird. Generell habe ich bisher jedes Ziel erreicht, das ich mir gesetzt habe. Eine Werksmaschine ist seit langem ein Traum, den ich mir eines Tages zu erfüllen hoffe. Natürlich ist es mein allergösster Traum, eines Tages den MotoGP-Weltmeistertitel zu gewinnen.