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'Normal' ist anders: Tim Gajser (Honda) wird 20 Jahre

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Der slowenische MXGP-Weltmeister Tim Gajser (Honda) wird heute 20 Jahre alt. Er kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Gajsers Startnummer 243 hat eine tiefe Symbolkraft.

Heute, am 8. September, wird Tim Gajser 20 Jahre alt. Der Slowene könnte bis zum Erreichen des Alterslimits von 23 Jahren noch 3 Jahre MX2-WM fahren, doch er tat es nicht. Gajser stieg als MX2-Weltmeister in die MXGP-Premium-Liga auf und wurde prompt in seinem ersten MXGP-Jahr Weltmeister. Und das in einer Saison, die – im Gegensatz zu 2015 – nicht durch zahlreiche Ausfälle prominenter Siegeskandidaten gekennzeichnet ist.

Vor gerade einmal 10 Jahren, als Tim genau 10 Jahre alt wurde, lebte die Familie Gajser in Slowenien in ihrem Heimatort Ptuj unter sehr bescheidenen Verhältnissen. Vater Bogomir baute damals mit Hilfe von Freunden und Bekannten das eigene Haus. Der kleine Tim bekam von einem Freund zum Geburtstag 20 Euro geschenkt, bot das Geld sofort seinem Papa und fragte, wie viele Steine er von dem Geld kaufen könne...

Diese Geschichte sagt viel über Tim Gajsers Charakter aus. Der Zusammenhalt zwischen Vater und Sohn ist die Triebkraft des Erfolgs. Sein Vater Bogomir ist Mentor, Trainer, Manager und Berater. Bis heute.

Aber zuallererst Vater.

Kein Rennen vergeht, dass sich Tim Gajser nach einem Grand-Prix-Sieg nicht bei seiner Familie und seinem Vater bedankt. Niemand weiß besser als er, was er für ihn getan hat und was er ihm bedeutet

Tims bedeutungsvolle Karrierenummer 243
Tims Vater Bogomir ist selbst leidenschaftlicher Motocrosser. Er fährt heute noch in der Veteranen-WM (zuletzt in Assen) und platzierte sich in dieser Serie auch schon unter den Top-10.

Ein folgenschwerer Unfall stellte das Leben der Familie Gajser komplett auf den Kopf: Im Training touchierte Bogomir nach einem Sprung den ältesten seiner drei Söhne, die gemeinsam mit der Mutter am Pistenrand standen. Das dreieinhalbjährige Kind war auf der Stelle tot.

Tims Karrierenummer 243, die er seit vielen Jahren trägt, symbolisiert das Geburtsdatum (24.3.) des verstorbenen Bruders, der so bei jedem Rennen und bei jedem Sieg symbolisch und für jeden sichtbar dabei ist. Und wenn Tim nach Siegen auf seine Startnummer und danach in den Himmel zeigt, widmet er seinen Erfolg seinem Bruder.

Was ist hier noch 'normal'?
«Alle meinten dass ich verrückt sei, als ich nach dieser Tragödie meines Sohnes mit Motocross weitermachte. Aber was wäre denn 'normal' gewesen?», fragt Bogo. «Wenn ich zerbrochen und in Depressionen gefallen und vielleicht zum Alkoholiker geworden wäre, dann wäre das in den Augen vieler Menschen sicher 'normal' gewesen. Wenn ich mich selber umgebracht hätte, wäre das bestimmt 'normal' gewesen. Ich bin ein tiefgläubiger Mensch und ich weiß, dass im Leben eines Menschen viele Prüfungen warten. Jeder Mensch hat sein Kreuz zu tragen. Meines ist besonders schwer.»

Auch seine Umwelt hat ihn in dieser Situation häufig nicht verstanden: «Viele Leute haben auf den Boden gestarrt, wenn sie mir begegnet sind. In dieser Situation war ich ganz alleine. Aber ich fühlte, dass mein Sohn noch immer bei mir ist. Für diesen Unfall gibt es keinen Schuldigen. Es war Schicksal.»

Tims harte Schule vor der Schule
Bogomir gilt als harter und bedingungsloser Charakter. Als Tim noch zur Schule ging, hat er seinen Sohn um 5 Uhr geweckt, um mit ihm bereits vor Schulbeginn die ersten Trainingseinheiten zu absolvieren. Dabei standen auch Übungen in Akrobatik, Ausdauer und Kampfsport auf dem Programm. «Du musst deine Rückenmuskulatur stärken, sonst wirst du dir bei diesem Sport das Genick brechen», hat er immer wieder gesagt. Bogomir hat alles, was er mit seinem kleinen Straßenbau-Unternehmen verdient hat, in den Sport gesteckt und erklärte seinem Sohn: «Wenn Du mit diesem Sport später mal ein normales Leben führen willst, musst Du topfit sein. Du wirst mir später einmal dafür dankbar sein.»

Die Anfänge
Im Alter von 18 Monaten setzte Bogo den kleinen Tim erstmals auf ein Mini-BMX-Rad. «Er hatte sofort ein unglaublich gutes Gefühl für Balance», erinnert sich Bogo. Als Tim zweieinhalb Jahre alt war, setzte er Tim auf eine 50ccm Honda, die er sich von einem Kollegen geliehen hatte. «Tim kam extrem schnell damit zurecht.»

Tim Gajsers Erfolge auf einen Blick:
2007: Junioren Europameister 65ccm
2009: Junioren Europameister 85 ccm
2012: Europameister 125 ccm, Junioren-Weltmeister 125ccm (KTM)
2013: Platz 20 MX2 (KTM)
2014: Platz 5 MX2 (Honda)
2015: MX2–Weltmeister (Honda)
2016: MXGP–Weltmeister (Honda)

Nie die Bodenhaftung verlieren
Mit Tims Karriere ging es steil nach oben: Junioren-Europa- und Weltmeisterschaft, EMX-Champion. Tim Gajser ist mit dem 'Pyramidensystem' von Guiseppe Luongo aufgewachsen und damit erfolgreich. Das hat auch Rolf Dieffenbach gegenüber SPEEDWEEK.com gewürdigt: Gajser ist in der MX2 zum perfekten MXGP-Fahrer gereift, er hat sich nie auf seinen Lorbeeren ausgeruht, sondern ist immer in das nächste Level vorgerückt.
Trotz ihrer Erfolge haben Bogomir und Tim Gajser nie die Bodenhaftung verloren. «Am liebsten bin ich zu Hause und treffe mich mit meinen Freunden im Gasthaus», sagt Bogo. «Viele der Leute haben mir damals, als es uns dreckig ging, geholfen. Das werde ich diesen Menschen niemals vergessen.»

Tim Gajser wird 20 Jahre. Er ist eine enorme Bereicherung für den Motocross-Sport. Sein Stil ist eine Mischung aus 'wild' und 'elegant'. Er ist ein begnadeter Scrubber, geht ans Limit und häufig auch darüber hinaus. Er ist ein fairer Sportsmann und hat auch kein Problem damit, sich bei einem Kollegen zu entschuldigen, auch wenn es ein normaler Rennunfall war.

Dafür lieben ihn seine Fans, die ihm mittlerweile nach ganz Europa nachreisen und mit ihm eine Riesen-Party feiern.

Diese hat er verdient. 20 Jahre und die Welt wartet auf eine große Karriere eines außergewöhnlichen Sportlers.

'Normal' ist anders. Wir gratulieren Tim Gajser zu seinem 20. Geburtstag!

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Von Ivo Schützbach
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