Stefan Bradl (Honda): «Wir brauchen Unterstützung»
Der Auftakt zur Superbike-Weltmeisterschaft auf Phillip Island endete für das neue Red Bull Honda-Team mit einem vernichtenden Desaster: Nicky Hayden brachte in den zwei WM-Läufen einen 11. Platz ins Ziel, Stefan Bradl schaffte zwei 15. Ränge, in der WM liegt das Duo auf den Rängen 15 und 18.
Im letzten Sommer hatte es bei Honda Motor Europe geheißen: «Wenn wir mitfahren, wollen wir auch gewinnen.»
Es war nie ein Geheimnis, dass bei Kawasaki und Ducati echte Werksteams ins Rennen geschickt werden. Aber auch bei Honda stehen die Japaner hinter dem SBk-Team. Die Verträge der Fahrer wurden mit Honda Motor Europe abgeschlossen, das erfolgreiche Ten-Kate-Team steht bei HME als Dienstleister unter Vertrag, das machen die Konkurrenten von Kawasaki, Yamaha, Aprilia und MV Agusta nicht anders. Auch sie haben sich mit existierenden Teams verbündet. Auch der Vertrag mit Cosworth wurde von Honda selbst abgeschlossen.
Die Honda Motorsport Division will endlich wieder einmal das prestigereiche «Suzuka Eight Hours Race» gewinnen, nicht zuletzt deshalb wurde die neue SP2-Fireblade gebaut und homologiert, sie soll natürlich auch ein schlagkräftiges Gerät für die Superbike-WM werden. Dort liegt der letzten Honda-Titel zehn Jahre zurück – James Toseland gewann 2007.
Aber Nicky Hayden sagte in Australien: «Du kannst nicht im Januar ein neues Rennmotorrad nach Europa bringen und dann im Februar damit Rennen bestreiten.»
Stefan Bradl hat das Australien-Debakel bereits verarbeitet. Er absolvierte am Montag in Bangkok noch einen Honda-Promotion-Event, kam am Dienstagfrüh nach München zurück und fliegt nächsten Montag bereits zum nächsten SBK-Event nach Thailand, wo auf dem Buriram Circuit (11./12. März) gefahren wird.
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com analysierte Stefan Bradl noch einmal den Saisonauftakt auf Phillip Island.
Stefan, bei der Teamvorstellung in Salzburg am 6. Februar hast du gesagt, wegen der späten Auslieferung der neuen Honda müsse man in Australien mit Top-6-Plätzen zufrieden sein. Das ist knapp daneben gegangen.
Ja. (Er schmunzelt). Immer diese Journalisten mit diesen Zielsetzungsfragen...
... in Zusammenarbeit mit den Rennfahrern und ihren optimistischen Zielsetzungen. Jedenfalls hat sich die Situation bei euch von den ersten Tests bis zum Rennen überhaupt nicht verbessert?
Ja, es hat sich nicht viel getan, nicht in dem Bereich, wo wir es gebraucht hätten.
Es ist nicht die Elektronik allein, die noch nicht passt. Es müssen auch noch andere Komponenten wie Auspuffanlage, vom Krümmer bis zum Schaltdämpfer, sowie die Ansaugtrichter verbessert werden, die noch nicht sauber miteinander harmonieren. Akrapovic ist als Auspufflieferant neu. Die Situation bei Cosworth auf dem Prüfstand, das führt womöglich auch zu anderen Ergebnissen wie unter Rennbedingungen, wo eine andere Luftfeuchtigkeit herrscht und jedes Detail eine Rolle spielt.
Aber wir bewegen uns noch nicht bei den Details. Wir sind noch in der groben Einstellphase.
HRC ist am Superbike-Projekt nicht beteiligt. Aber dort wäre genug Manpower und Know-how vorhanden, um euch aus der Patsche zu helfen. Kann das passieren?
Ja, bei HRC wäre das Wissen vorhanden. Die Hilfe von HRC täte uns mit Sicherheit gut. Aber ich will mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Die HRC-Techniker sind mit genügend anderen Projekten beschäftigt, von MotoGP, Moto3, Supercross bis zu Motocross.
Aber ich bin überzeugt, dass wir Unterstützung brauchen. Ich hoffe, dass wir sie bekommen, denn wir stehen momentan deutlich schlechter da, als wir erwartet haben. Das muss sich schleunigst ändern. Das gefällt keinem.
Wir haben gewusst, dass die ersten zwei Events nicht einfach werden. Aber dass wir so weit daneben sind, das hat keiner gedacht.
Dass Ducati und Kawasaki weiter dominieren, konnte man sich ausrechnen. Aber dass Honda nicht mal gegen Yamaha, Aprilia, MV Agusta und BMW den Funken einer Chance hatte, das war zermürbend?
Nicky und ich, wir haben 20 bis 28 Sekunden auf den Laufsieger verloren. Noch dazu haben wir am Schluss einen komplett zerstörten Hinterreifen gehabt. Eine Runde mehr – und mein Reifen wäre mir um die Ohren geflogen. Und das ist nicht wirklich der Sinn der Sache.
Sieger Johnny Rea sagte nach dem zweiten Rennen, er habe noch viel Gummi in Reserve gehabt.
Ja. Es ist ja auch verständlich, die gehen handsam und geschickt mit den Reifen um. Ihre Motorräder sind um einiges reifenschonender.
Ich habe mir die Rennstatistik angeschaut. Alex Lowes ist in der letzten Runde seine persönlich schnellste Runde gefahren. Und wir fahren drei Sekunden langsamer. Das ist schon ziemlich krass.
Nicky Hayden meinte, die Honda sei vorne zu leicht. Es gibt ein Foto von dir, da sitzt du so weit vorne wie noch nie. Du fällst fast vorne runter?
Wir haben sogar auf den ganz normalen Geraden unglaublich viele Wheelies gehabt. Die Leistungsentfaltung und die Power sind noch weit von der Perfektion entfernt. Deshalb ist der Motor nicht fahrbar. Das Motorradl ist überhaupt noch nicht abgestimmt.
Wir reden immer über das Gleiche. Was willst du in der kurzen Zeit erwarten?
Du kannst dich ja nicht einfach auf den Faktor Glück verlassen.
Ducati und Kawasaki gewinnen auch nicht durch Glück. Die fahren vorne mit, weil sie jahrelang entwickelt und gearbeitet haben.
Die Ducati Panigale war im ersten Jahr auch nicht konkurrenzfähig, die neue R1 hatte 2016 ebenfalls Kinderkrankheiten.
Wenn ich mich zurückerinnere: Kawasaki war auch nicht immer auf dem Topniveau. Die haben auch einige Jahre gebraucht.
MV Agusta baut 9000 Motorräder im Jahr, steht finanziell vor dem Bankrott – und fährt trotzdem mit Leon Camier unter den Top-5 mit. Also kann es auch bei Honda mit 7 Millionen verkauften Einheiten im Jahr, mit all der Manpower und den finanziellen Ressourcen, nur eine Frage der Zeit sein, bis die Fireblade konkurrenzfähig wird?
Dem ist nichts hinzuzufügen.