Werner Daemen über Reiti: «Das ist unrealistisch»
Werner Daemen und Markus Reiterberger
Werner Daemen ist eine der sachlichsten Personen, die man im Fahrerlager treffen kann. Der ehemalige Rennfahrer, IDM-Teamchef und Manager von Markus Reiterberger wird selten emotional, seine Analysen sind durchweg objektiv – auch wenn es um seinen Schützling Reiti geht, mit dem er dreimal die IDM Superbike und letztes Jahr die Superstock-1000-EM gewann.
Kommenden Montag und Dienstag sind auf Phillip Island die letzten beiden Testtage, bevor am nächsten Wochenende die Superbike-WM 2019 beginnt. SPEEDWEEK.com sprach mit Werner Daemen über die bisherigen Leistungen von Reiterberger und was wir dieses Jahr von ihm erwarten dürfen.
Werner, jahrelang war Markus die Nummer 1 in seinem Team und wurde in der IDM sowie der Superstock-1000-EM Champion. Jetzt hat er einen ehemaligen Weltmeister mit 34 Siegen und 108 Podestplätzen in der Superbike-WM an seiner Seite, der in den bisherigen Tests deutlich schneller war. Wie kriegt Markus den Kopf frei und lässt sich dadurch nicht beunruhigen?
Er muss lernen zu akzeptieren, dass manche Leute besser sind und viel mehr Erfahrung haben. Was Markus sicher unterschätzte: Er muss wieder lernen, mit dem Superbike umzugehen. Der Motor ist kein großer Unterschied, aber vom Fahrwerk und der Arbeitsweise, da ist alles anders.
Ich bin nicht verwundert über die bisherigen Zeiten. Die Zeiten von Markus bei den Tests waren okay, sogar gut. Da können einige Ducati-Leute weinen. Aber was Sykes hingebrannt hat, ist Weltklasse.
Das Ziel von Markus muss sein, sich langsam dahin zu arbeiten. Es gibt keinen Druck vom Team oder BMW, er macht sich den Druck selbst. Er muss den Rückstand von über einer Sekunde auf 0,4 oder 0,5 sec schrumpfen, das ist realistisch.
Markus’ beste WM-Platzierung ist ein fünfter Rang, Sykes Erfolge habe ich bereits genannt. Trotzdem erwarten viele Leute in Deutschland, dass Reiti sofort genau so gut wie Sykes ist.
Die Leute schauen sich die Resultate aus dem letzten Jahr an und die Rundenzeiten, die er mit dem Stock-Motorrad fuhr. Manchmal wäre er mit diesen Zeiten auf Platz 7 oder 8 in der Superbike-WM gewesen. Aber Markus kennt die Stock-Maschine in- und auswendig und das Team kannte ihn genauso und wir konnten ihm das Motorrad entsprechend hinstellen.
Jetzt ist er in einem Team mit Leuten, die ihn nicht kennen. Der Crew-Chief muss sich mit ihm erst einarbeiten. Und Markus muss sich mit der Gabel und dem Stoßdämpfer einarbeiten, das ist neu für ihn. Auch die Schwinge und die Gabelbrücken sind eine neue Welt für ihn. Das kostet Zeit.
Ich sehe das aber nicht als großes Problem. Es wird ein halbes Jahr dauern, bis das Team weiß, wie Markus tickt. Und bis er weiß, wie so eine Gabel reagiert. Er muss sich diese Zeit geben.
Für Reiti und Sykes ist das Team neu: Weshalb hat Sykes trotzdem Vorteile?
Der größte Unterschied ist, dass man mit einem Stock-Motorrad ganz anders fahren muss. Die Federelemente arbeiten ganz anders. Das ist kein Drama, das muss man nur lernen.
Momentan ist Sykes alleine wegen des zusätzlichen Vertrauens eine Sekunde schneller.
Als Markus 2016 für Althea fuhr, hatte er immer den Vergleich seiner Stock-Maschine und des Superbikes im Kopf und sagte, dass er mit dem Stockbike schneller fahre. Aber jetzt ist er in einer anderen Meisterschaft und muss mit einem anderen Motorrad fahren. Besteht die Gefahr, dass er die gleichen Fehler wie damals wieder macht und die Umstellung nicht schafft?
Nein, das denke ich nicht. Das Umfeld, das er jetzt im Team hat, ist fast ein Traum. Mit Pete Benson hat er einen der besten Crew-Chiefs. Aber bis sie sich blind verstehen, wie das nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit der Fall ist, dauert eben. Pete hat die letzten Jahre in der Moto2-WM für Marc VDS gearbeitet, ein Superbike ist auch für ihn etwas anderes. Da gibt es viel mehr Elektronik.
Ich hätte das WM-Projekt mit meinem Team gerne selbst gemacht. Aber als sich herausstellte, dass BMW das mit Shaun Muir Racing macht – ich muss ehrlich sagen, das sind sehr gute Voraussetzungen für diese Meisterschaft.
Aber natürlich: Alles ist neu und braucht seine Zeit. Markus muss sich einarbeiten, damit er Ende des Jahres nahe an Sykes dran ist. Das muss das Ziel sein. In der zweiten Saisonhälfte muss er verstehen, wie das Motorrad arbeitet.
Es ist unrealistisch, wenn jemand erwartet, dass Reiterberger Sykes um die Ohren fährt?
Das ist unrealistisch und wird im ersten halben Jahr auch nicht passieren. Das muss für dieses Jahr auch nicht das Ziel sein. Aber er muss nahe rankommen, damit er nächstes Jahr wieder die Chance kriegt. Und wenn er die kriegt, dann muss er probieren den Sykes zu schlagen.
Ist Markus die letzten Jahre charakterlich soweit gereift, dass er heute mit der Situation besser umgehen kann als damals bei Althea?
Ich habe den Eindruck, dass er an seinen Aufgaben gewachsen ist. Heute ist er es gewöhnt, Kritik zu bekommen. Früher gab es nie Kritik, er hat immer gewonnen.
Letztes Jahr war das anders. Er hat zwar viel gewonnen, wenn er aber in Imola Sechster wurde, dann gab es auch Kritik. Er versteht das. Er muss damit umgehen, dass Leute über ihn Kommentare schreiben, die vielleicht nicht die Wahrheit sind, aber er muss es akzeptieren. Jeder hat seine Meinung. Er kann die Meinung der Leute nur durch Resultate ändern.