Paolo Ciabatti (Ducati): «Alle Behauptungen falsch»
Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti
Paolo Ciabatti ist bei aller Rennsport-Passion für gewöhnlich die Ruhe selbst. Doch wenn der Sportdirektor von Ducati Kommentare über die V4R liest oder hört, redet er sich schnell in Rage und versucht einige Dinge klarzustellen.
SPEEDWEEK.com setzte sich mit ihm vor dem Jerez-Event zum Interview zusammen.
Paolo, ihr wart die Ersten, die eine Siegmaschine gebaut haben, die 40.000 Euro in Serie kostet. Sieht so die Zukunft der Superbike-WM aus, dass alle Hersteller verkappte MotoGP-Maschinen bauen?
Von Ducati gab es schon immer spezielle R-Versionen für den Rennsport, von der 996R bis zur jetzigen V4R. Davor gab es die SPS-Versionen. Als Nischenhersteller mit einem Sportimage waren wir immer in der Lage, extreme Versionen unserer bereits sportlichen Motorräder zu bauen, mit zusätzlichen Spezialteilen wie Federelementen von Öhlins und so weiter. Wir haben diese Bikes R genannt und sie in großer Stückzahl verkauft.
Die Homologationszahlen schrieben uns vor, welche Stückzahlen wir zu bauen hatten – wir haben schon jetzt über 1000 Stück der V4R verkauft. Wenn du eine solche Maschine jetzt bestellst, musst du bis zur Auslieferung bis Dezember warten, weil das eine einmalige Maschine mit höchster Performance ist. Wahrscheinlich ist das die stärkste erhältliche Serienmaschine. Ducati ist in der Lage, solch hochwertige Bikes in relativ hoher Stückzahl zu verkaufen.
Würden wir 25 oder 100 solche Motorräder bauen, würde ich der Kritik zustimmen. Aber so lange wir über 1000 Stück verkaufen, obwohl der Preis bei 40.000 Euro liegt… Gegenüber der Vergangenheit hat sich nur eine Sache geändert: Ducati hat jetzt einen Vierzylinder.
Wir haben zuvor die V4 1100 gebaut, deren Motor von unserem MotoGP-Aggregat abgeleitet ist. Aber das ist normal. Für die GP15 wurde unter Gigi Dall’Igna ein kleinerer und kompakterer V4-Rennmotor entwickelt, von diesem leiteten unsere Ingenieure für die Serienmodelle einen etwas größeren V4 mit längerer Lebensdauer ab. Letztlich haben wir eine R-Version mit 1000 ccm gebaut. Das ist die ganze Geschichte. Letztes Jahr war die Ducati Panigale V4 das bestverkaufte Hypersportbike in der Welt.
Baut Bimota oder MV Agusta ein so teures Motorrad, regt sich niemand auf. Nur, weil sie keine Rennen gewinnen?
Die Gegner beschweren sich deshalb, weil sie es gewohnt waren zu gewinnen und das jetzt nicht mehr tun. Auch wenn Imola eine andere Story war.
Ich kann die ganzen Argumente gegen unser Motorrad nicht nachvollziehen, die Regeln sind die Regeln. Wir sind innerhalb des Kostendeckels und produzieren viel mehr Motorräder, als für die Homologation notwendig – und wir verkaufen sie.
Wenn die anderen Hersteller Rennen gewinnen wollen, müssen sie ein besseres Motorrad bauen?
Okay, lass Bautista mal außen vor: Brauchen die Gegner dann ein besseres Bike oder einen besseren Fahrer?
Ohne Alvaro Bautista: Wie viele Rennen hätte Jonathan Rea in Folge gewonnen? 21? Über Kawasaki würde sich niemand beschweren, jeder würde sagen, dass Jonathan Rea ein hervorragender Fahrer ist – was er ist. Aber eventuell gibt es einen anderen, der besser ist.
Das sind die Fakten. Es ist nicht so, dass wir in jedem Rennen Erster und Zweiter werden. Chaz Davies ist einer der besten Fahrer, er hat dieses Jahr aber noch kein Rennen gewonnen und wurde lediglich zweimal Dritter.
Klammern wir Bautista aus, dann sind alle diese Behauptungen falsch. Bautista wurde in der MotoGP-WM unterschätzt. Als er letztes Jahr Lorenzo im Werksteam auf Phillip Island vertrat, führte er das Rennen zehn oder elf Runden an und wurde Vierter. Und das auch nur, weil das Motorrad anders als sein gewohntes war und er deswegen einige Fehler machte.
Wenn du einen Fahrer hast, der in der MotoGP-WM gewinnen kann, und du bringst ihn in die Superbike-WM… ja, wir haben ein sehr gutes Motorrad und sind sehr stolz darauf, was wir geleistet haben. Aber das Bike braucht Verbesserungen – ohne Bautista hätten wir nicht ein Rennen gewonnen. Das vergessen einige Leute. Deshalb regt es mich auf, dass sich einige Fahrer laufend über unser Motorrad beschweren. Wer das tut, der zählt Chaz Davies nicht zu den Spitzenfahrern, zu welchen er zweifellos gehört. Es geht immer um die Kombination aus Motorrad und Fahrer, nicht jeder gewinnt mit der Panigale V4.
Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass ihr mit eurem Motorrad die Messlatte viel höher gelegt habt. Bautista gewann nicht einfach nur Rennen, er gewann sie mit 15 sec Vorsprung.
Wir haben ein sehr gutes Bike. Es war eine historische Entscheidung von Ducati, in der Superbike-WM mit einem Vierzylinder anzutreten, das gab es seit 1988 nicht mehr.
Ich möchte trotzdem unterstreichen, dass die Presse ohne unsere perfekte Kombination aus Motorrad und Fahrer gänzlich andere Geschichten schreiben würde. Auch über den Level unseres Motorrads.
Wir sind glücklich, wenn wir ein besseres Motorrad als Kawasaki, Yamaha und Honda bauen. Es ist immer unser Ziel, das bestmögliche Sportmotorrad zu bauen und wollen das in der Superbike-WM unter Beweis zu stellen.
Wäre es ein perfektes, leicht zu fahrendes Motorrad, das jeder am Limit bewegen kann, dann wären wir in jedem Rennen Erster und Zweiter – mit 15 sec Vorsprung.
Kawasaki homologiert jedes Jahr ein neues Motorrad, das speziell für die Superbike-WM designt wurde.
Der Punkt ist: Ducati hat kein Spezialmotorrad nur für die Homologation gebaut. Früher war das anders. Wie viele Yamaha R7 wurden verkauft? Genau so viele, wie damals für die Homologation notwendig waren.
Unsere Superleggera 2 kostete 80.000 Euro, von ihr haben wir 500 Stück gebaut und diese in drei Tagen online verkauft. Das nenne ich spezial, obwohl sie trotz dieses Preises in relativ großer Stückzahl verkauft wurde.
Die Panigale V4R ist das beste Sportmotorrad im Ducati-Katalog, aber keine limitierte Auflage Wir verkaufen so viele, wie die Kunden haben wollen. Glücklicherweise für Ducati ist die Nachfrage größer, als unsere aktuelle Produktionskapazität.
An unserer Philosophie für die Superbike-WM hat sich nichts geändert. Wir hatten immer Hypersport-Produktionsmodelle, ein Jahr später haben wir die R-Version gebracht, welche in einigen Bereichen so extrem wie möglich war. Heute handhaben wir das nicht anders – und die Regeln sind die Regeln. Wir bewegen uns innerhalb der Regeln, die Philosophie der Meisterschaft müsstest du mit Gregorio Lavilla von der Dorna diskutieren. Es ist lustig, dass jetzt alle darüber reden, sich während vierjähriger Kawasaki-Dominanz aber niemand beschwerte.