Troy Bayliss: «Das war irre – bin mit mir im Reinen»
Das Duell Bayliss gegen Edwards in Imola 2002 war grandios
Wer die Superbike-WM 2002 persönlich erlebt hat, wird diese Saison nie vergessen. Die erste Saisonhälfte wurde von Ducati-Star Troy Bayliss dominiert, doch in der zweite Hälfte wendete sich das Blatt zu Gunsten von Colin Edwards.
Der US-Amerikaner mit der Honda VTR1000SP gewann 2000 seinen ersten WM-Titel, der Australier triumphierte mit der Ducati 996 im Jahr darauf. Es war das Duell der damals besten Superbike-Piloten.
Das Saisonfinale in Imola musste die Entscheidung bringen, die beiden Werkspiloten waren nur um einen WM-Punkt getrennt: Edwards hatte 502 Punkte vorzuweisen, Bayliss 501. Beide Rennen waren hart umkämpft, auf dem Zielstrich trennte die Kontrahenten jeweils weniger als eine Sekunde.
Edwards holte sich beide Laufsiege und krönte sich zum Weltmeister. Der US-Amerikaner gewann zuvor auch in Assen, Oschersleben und Brands Hatch beide Rennen.
18 Jahre später setzte sich SPEEDWEEK.com mit Bayliss zusammen, seine Erinnerungen an Imola 2002 sind präsent wie damals.
«Ich bekam Probleme mit meinem Bike. Irgendwas wurde geändert, ich habe keine Ahnung warum. Es hatte etwas mit der Steifigkeit zu tun. In Assen änderte sich alles. Ich war so wütend, als ich von dort abreiste. In Assen hatte ich in einer Kurve zwei identische Stürze. Ich erinnere mich noch genau wie ich zurückkam und meine Frau Kim auf mich wartete. Ich gab ihr meinen Helm und sagte zu ihr: Nimm ihn, bevor ich damit jemanden erschlage.»
«In dem Jahr wurde das 'Troy Story'-Video gedreht, deshalb war ständig jemand in meiner Nähe und das war Stress. Ich hatte sie das ganze Jahr bei mir, also war es eine stressige Saison. Ich erinnere mich, dass ich in Assen kurz vor dem Platzen war!»
«Wir hatten dann einen Test in Mugello, glaube ich, und das Motorrad wurde für das letzte Meeting zurückgebaut. Wir kamen nach Imola und mein Bike fühlte sich wieder gut an – aber es war zu spät, wir standen unter Druck. Colin kam vom 8h Suzuka und sein Bike war danach definitiv besser als zuvor. Ich wusste, dass Imola ein hartes Wochenende werden würde, und dass ich mein bestes Racing zeigen muss.»
«Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Honda in Imola getestet. Colin war vom ersten Training an auf Kurs, während ich nach Assen etwas neben der Spur war. Ich stand unter Druck und es war ein Mega-Wochenende. Es kamen unglaublich viele Menschen an die Piste. So viele hatte ich zuvor nur in Brands Hatch und Monza erlebt. Das sind die einzigen Rennstrecken auf diesem Planeten, wo man die Fans einen anfeuern hört. Das ist absolut irre! Und die höchsten Ducati-Bosse waren mit den höchsten Erwartungen auch dabei. Ich glaube, am Ende waren sie sehr enttäuscht. Sie waren am Boden zerstört, dass wir verloren haben. Aber ich habe getan was ich konnte, mehr ging nicht.»
«Das letzte Rennen brachte die Entscheidung. Colin und ich waren vorne und klemmten uns hinter die Verkleidung. Ich habe versucht, das Tempo ein wenig zu drosseln, damit mein Teamkollege zu uns aufschließen kann. Einmal war er dicht dran, aber das brachte nichts. Ich erinnere mich an die letzten Runden, weil wir uns beide richtig reingekniet haben. Ich glaubte, es würde auf die letzten Kurven ankommen, aber dann machte ich einen Fehler in der Acque Minerali. Mir rutschte fast das Hinterrad weg und dadurch hatte er ein paar Meter Vorsprung. Er konnte sich deswegen nicht sicher fühlen, aber ich wusste, dass er auf der letzten halben Runde auch einen Fehler machen muss, sonst hat er die Meisterschaft in der Tasche. Ich bin so gut gefahren wie nie zuvor. Er hatte im zweiten Lauf einfach ein etwas besseres Rennen als ich. Es hätte so oder so ausgehen können.»
«Nach Assen war ich stocksauer, nach Imola war ich mit mir aber im Reinen. Ich hatte keine schlechten Gefühle gegenüber wem auch immer. Es war einer dieser besonderen Tage. Für Colin war es ein großartiger Tag und ich hatte in der Saison auch viele großartige Tage. Sein Tag machte aber sein ganzes Jahr besser. So war es halt. Ich habe mich für ihn gefreut und die Rennen waren fantastisch! Obwohl ich damals verloren habe, waren die Ducati-Fans gar nicht sauer. Unsere Show war fantastisch und noch heute redet man darüber.»
«Heute sind wir echte Freunde. Wir sprechen zwar nicht regelmäßig miteinander, aber wenn wir uns treffen, lachen wir. Er ist ein großartiger Bursche. Wir hatten viele harte Rennen, haben uns aber nie von der Piste gerammt und hatten nie Streit.»
«Ich habe nicht wirklich verloren. Eine weitere Meisterschaft wäre nett gewesen, aber mal ehrlich: Ob drei oder vier WM-Titel, welchen Unterschied macht das schon? Scheiß drauf! Mein Leben wurde nicht zerstört und es hat mein Leben nicht wirklich beeinflusst. Ich habe es geliebt, Rennen zu gewinnen. Eine Meisterschaft zu gewinnen, ist ein Bonus. Mit nur einem WM-Titel wäre ich derselbe glückliche Mensch. Aber ich habe drei Titel gewonnen, das ist echt cool! Ich laufe deswegen aber nicht herum und erzähle jedem, dass ich dreimaliger Weltmeister bin. Ich kann mich glücklich schätzen, das ich das erreichen durfte.»