Erleidet Chaz Davies das gleiche Schicksal wie Dovi?
Kein anderer Fahrer in der Superbike-WM fuhr so lange für das Ducati-Werksteam wie Chaz Davies. Der 33-Jährige wurde für den Hersteller aus Bologna dreimal Vizeweltmeister und einmal WM-Dritter – doch den Titel gewann er nie. Seit Carlos Checa 2011 hat Ducati in seiner einstigen Parademeisterschaft keinen Titel mehr errungen.
Kritiker von Davies glauben: Mit der Ducati Panigale V4R wird er ihn auch nie gewinnen. Sein aggressiver Fahrstil mit wilden Drifts am Kurveneingang ist nicht gemacht für diese Maschine mit viel MotoGP-DNA.
Beim letzten Event in Aragon stieg mit Michael Ruben Rinaldi ein neuer Stern am Superbike-Himmel empor. Der 24-Jährige aus Rimini brauste auf die Plätze 1, 3 und 2. Jetzt fragen sich natürlich alle bei Ducati, ob er zu noch mehr solchen Leistungen fähig ist.
Erst im 66. Superbike-Rennen schaffte es Rinaldi aufs Podium, vor Aragon ist er immerhin neunmal in die Top-6 gebraust. Macht ihn das zu einem würdigen Nachfolger von Chaz Davies, der 30 Mal gewann und 93 Mal auf dem Podium stand, davon 14 Mal mit der V4R?
Davies wurde Ende 2018 von Ducati für weitere zwei Jahre verpflichtet, um Jonathan Rea und Kawasaki im Titelkampf zu schlagen. Doch mit dem Vierzylinder-Bike kann der Waliser zumindest bislang nicht die Leistungen zeigen, wie zuvor jahrelang mit dem 1200er-Twin. Wenn ein Ducati-Werksfahrer Podestplätze erobert, dann ist das nicht mehr als Pflichterfüllung – und um Seriensieger Rea zu schlagen, oft nicht genug.
Im neun Jahre jüngeren Rinaldi sehen viele bei Ducati das zweifellos vorhandene Talent. Doch wird er dem Druck im Werksteam standhalten und kann sich dort soweit steigern, dass er in jedem Rennen um Podestplätze kämpfen und Rea mittelfristig Paroli bieten kann, wie er es in Aragon tat? Sind ihm Leistungen zuzutrauen wie dem ähnlich gebauten Alvaro Bautista, der 2019 für Ducati 16 Rennen gewann?
So lange Scott Redding für Ducati um den Titel kämpft und für Erfolge sorgt, müsste Rinaldi nicht zwangsläufig in jedem Rennen liefern. Ducati würde ihm Entwicklungszeit einräumen, wie sie es einst bei Lorenzo Lanzi und Michel Fabrizio taten. Die Italiener sehnen sich danach, endlich wieder einen Jungen der ihren auf der roten Göttin zu sehen. Letzter Italiener im Werksteam war 2018 Marco Melandri im Herbst seiner Karriere.
Das kommende Wochenende auf dem Circuit de Catalunya in Montmelo bei Barcelona ist für Rinaldi karriereentscheidend. Bringt er wieder eine famose Leistung wie in Aragon, sind die Ducati-Manager von seiner Verpflichtung fürs Werksteam endgültig überzeugt.
Rinaldi würde bestens zur neuen Strategie in Bologna passen. Andrea Dovizioso wurde in der MotoGP-WM für 2021 ein so wenig reizvolles Angebot unterbreitet, dass der WM-Leader lieber aufhört, als zu unterschreiben. Mit Jack Miller, Pecco Bagnaia, Jorge Martin und so weiter hat Ducati genügend starke junge Fahrer am Start, dass sie das Risiko wagen konnten, den 34-jährigen Dovi zu vergraulen. Gut möglich, dass sie es in der Superbike-WM gleich machen und Davies nach sieben hingebungsvollen Jahren abservieren.