SBK-Regeln: Wann erlaubt die FIM mehr als 1000 ccm?
Das Aprilia-Team Nuova M2 setzt die RSV4 1100 in der italienischen Superbike-Serie ein
Seit der Superbike-WM 2020 sehen wir alle Hersteller mit den gleichen 1000 ccm Hubraum und der gleichen Anzahl Zylinder, nämlich vier. Dieser Umstand ist aber nicht auf das Reglement zurückzuführen, sondern auf die Abkehr von Ducati vom V2-Konzept – selbst mit erlaubten 1200 ccm ist es gegen die Vierzylindermotoren nicht mehr konkurrenzfähig.
Eigens für den Einsatz in der seriennahen Weltmeisterschaft entwickelten die Italiener die Panigale V4R mit 998 ccm. Das Massenprodukt, die V4S, hat 1103 ccm. Und so ist es auch bei Aprilia, deren aktuelle RSV4 mit 1078 ccm vom Band rollt.
Weil Aprilia nicht zweigleisig fahren wollte, machte sich das Werk aus Noale hinter den Kulissen für eine Hubraumerhöhung stark und hoffte auf Unterstützung durch Promoter Dorna. Vor zwei Jahren fanden erste Gespräche über 1100 ccm zwischen Dorna, Aprilia und dem Motorrad-Weltverband FIM statt, wurden aber nicht konkret. Die Folge: Seit 2020 sahen wir keine Aprilia in der Superbike-WM.
Erfolgreicher agierte Aprilia in Italien. Seit 2020 erlaubt das Reglement der nationalen Serie für Drei- und Vierzylinder-Motorräder einen Hubraum von 750 ccm bis 1100 ccm. V2-Motorräder dürfen weiterhin maximal 1200 ccm haben.
Das Reglement der CIV sieht eine Balanceregel über Drehzahllimit und Gewicht vor. Der 1100er sind aktuell 600/min weniger erlaubt als der 1000er (14.200 zu 14.800/min) und sie muss 5 kg mehr wiegen (177 zu 172 kg) – gestartet war man 2020 mit 500/min weniger und 7 kg mehr Gewicht.
Tatsächlich gewann Aprilia mit Lorenzo Savadori 2020 souverän, was aber auch an der Verletzung von Ducati-Top-Pilot Michele Pirro lag. 2021 dominierte Pirro und liegt auch in diesem Jahr deutlich vor Aprilia-Pilot Alessandro Delbianco. Die Öffnung des Reglements sorgte also nicht für eine plötzliche Übermacht von Aprilia, was angesichts nur 78 ccm mehr auch nicht zu erwarten war.
In der Weltmeisterschaft bahnt sich auch eine Abkehr von der starren Hubraumgrenze an. Die Supersport-WM 2022 wird zweigleisig ausgetragen. Die traditionellen 600er-Bikes starten unter dem gewohnten Regelwerk, Motorräder mit größerem Hubraum wie die Ducati 955 V2, MV Agusta F3 800 und die Triumph Street Triple 765 RS als ‹next generation›, das eine komplexe Balanceregel beinhaltet. Beim Meeting in Most standen im zweiten Rennen erstmals in diesem Jahr zwei Fahrer mit einem Next-Generation-Bike auf dem Podium, auf Ducati und Triumph. In den Top-5 sahen wir sogar alle fünf Hersteller Yamaha, Ducati, Triumph, Kawasaki und MV Agusta.
Es ist davon auszugehen, dass das Reglement der Superbike-WM langfristig nachziehen wird, um neue Hersteller in die Top-Kategorie zu locken. Unter den Herstellern ist zu hören, dass es vom Beschluss eines solchen Reglements bis zur Umsetzung zirka fünf Jahre braucht, damit jeder die Chance hat, auf die geänderten Voraussetzungen zu reagieren und ein entsprechendes Motorrad an den Start zu bringen.