Kurz vor dem Deal: Yamaha angelt sich Remy Gardner
Remy Gardner wechselt in die Superbike-WM
Moto2-Weltmeister Remy Gardner wusste seit Mai, dass sein Platz bei KTM Tech3 Factory Racing für 2023 in Gefahr ist. Denn erstens hatte sich sein Manager Paco Sanchez über die technische Qualität des Teams von Hervé Poncharal öffentlich abschätzig geäußert, obwohl Miguel Oliveira dort 2020 zwei MotoGP-Rennen gewonnen hat. Außerdem wetterte Sanchez über das unzureichende Gagenangebot von KTM für die nächste Saison, obwohl Gardners Ergebnisse im ersten Saisondrittel arg zu wünschen übrigließen.
Trotzdem unternahmen KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer, Red Bull KTM-Teammanager Francesco Guidotti und Teamchef Poncharal einiges, um Gardner eine zweite MotoGP-Saison zu ermöglichen, denn das Fahrkönnen des 24-jährigen Australiers ist unbestritten. Anfang August wurden die Chancen von Gardner für 2023 bei KTM noch mit «50 Prozent» beziffert. Doch je stärker Augusto Fernández in der Moto2-WM 2022 wurde, desto größer wurden die Chancen des Spaniers auf einen Platz bei Tech3, das 2023 als GASGAS Factory Team antritt.
Seit vergangenem Wochenende ist klar: Gardner bleibt nur der Wechsel in die Superbike-WM oder die Rückkehr in die Moto2-Klasse. Während des MotoGP-Tests am Dienstag und Mittwoch in Misano wollte er sich nicht dazu äußern, welche Lösung er bevorzugt.
In Magny-Cours, wo an diesem Wochenende die Superbike-WM in die zweite Saisonhälfte geht, brachte SPEEDWEEK.com in Erfahrung, dass Gardner kurz vor der Unterschrift mit Yamaha steht und nächstes Jahr für das Giansanti Racing Team (GRT) fahren wird.
Die Verpflichtung des Australiers entspricht nicht unbedingt dem Gedanken des Nachwuchsprogramms, das Yamaha seit einigen Jahren mit viel Aufwand betreibt. Über nationale R3-Cups werden die besten Fahrer in die 300er-WM gebracht und sollen es von dort bis in die Supersport- und Superbike-WM schaffen.
Yamaha hat aber auch immer wieder starke Fahrer aus nationalen Meisterschaften in die Superbike-WM gebracht, wie zuletzt Garrett Gerloff aus den USA und den Japaner Kohta Nozane.
Einmalig ist der Fall Gardner auch nicht: 2020 verpflichtete Yamaha den Türken Toprak Razgatlioglu, Kawasaki wollte ihm damals keinen Platz im Werksteam neben Jonathan Rea geben. Nach einem Eingewöhnungsjahr auf der R1 wurde der inzwischen 25-Jährige Champion und beendete die sechsjährige Siegesserie von Rea.
Wer Teamkollege von Gardner wird, dessen Vater Wayne gewann 1987 auf der Rothmans-Honda die 500er-Weltmeisterschaft, ist offen.
Der Japaner Nozane galt bei GRT für 2023 bislang als gesetzt, weil er die Unterstützung von Yamaha Japan genoss. Doch nach 53 Rennen hat er nur zwei einstellige Ergebnisse vorzuweisen, Platz 7 im zweiten Hauptrennen in Indonesien im Vorjahr ist sein Glanzstück. Weil keine Fortschritte ersichtlich sind, fragen sich die Verantwortlichen bei Yamaha inzwischen, ob seine Weiterbeschäftigung erfolgversprechend ist.
Denn mit Dominique Aegerter hat Yamaha den überragenden Supersport-Fahrer dieser und der vorangegangenen Saison, der unbedingt aufsteigen will. Der Schweizer gewann dieses Jahr auch den MotoE-Weltcup. Der Britische Superbike-Champion Tarran Mackenzie will ebenfalls Weltmeisterschaft fahren und Lorenzo Baldassarri, der Zweite der laufenden Supersport-WM, hat auch Aufstiegsgedanken.
Mit solchen fahrerischen Kalibern in der Rückhand macht das Festhalten an Nozane keinen Sinn; seine Zukunft hängt vom Wohlwollen Yamaha Japans ab. Bleibt Nozane, muss Aegerter seine Superbike-Träume begraben.