Machtverschiebung bei BMW: MotoGP das finale Ziel?
Unter der Leitung von Markus Schramm erlebte BMW Motorrad die erfolgreichsten Jahre der Unternehmensgeschichte. Die Einführung der Marke M bei BMW Motorrad, mit der R18 die Erweiterung des Modellprogramms in die Cruiser-Sparte und der Einstieg in die zweirädrige Elektromobilität fielen in seine Ära.
Dazu sorgte Schramm zusammen mit Motorsport-Direktor Marc Bongers 2019 für die werksseitige Rückkehr von BMW in die Superbike-WM mit Shaun Muir Racing als Partner. Seit 2021 gibt es mit Bonovo action ein zweites, gleichwertig ausgerüstetes Team.
Trotz drei neuen Homologationsmodellen seit 2019 ist es BMW bis heute nicht gelungen, den Anschluss an die Spitze zu schaffen. Zwar eroberten BMW-Fahrer immer wieder Pole-Positions, Podestplätze und Michael van der Mark gewann das Sprintrennen 2021 im Regen in Portimao. In der Gesamtwertung der Weltmeisterschaft gehörten sie aber nie zu den Protagonisten.
Mit der Verpflichtung von Toprak Razgatlioglu für 2024 und 2025 gelang BMW im Frühjahr 2023 ein Coup, der Türke soll den Titel endlich nach Deutschland holen.
Bongers weiß, dass er unter Zugzwang steht: Hat er mit Razgatlioglu keinen Erfolg, wird jeder Fan die Schuld auf BMW schieben.
Deshalb wurde im Vorjahr die gesamte Rennabteilung neu strukturiert, personell stark erweitert und zusätzliche Synergien zur Autoabteilung geschaffen. Bongers holte sich den Bochumer Christian Gonschor als Technischen Direktor an seine Seite, vergangenen Sommer wurde ein Testteam installiert und mit Ex-Superbike-Weltmeister Sylvain Guintoli und Bradley Smith wurden zwei ehemalige MotoGP-Piloten an Bord geholt.
Zum 1. November 2023 löste der Österreicher Markus Flasch den Rheinländer Markus Schramm als Leiter von BMW Motorrad ab. Bis dahin war er als Produktlinienleiter für die Entwicklung und Konzeption aller Fahrzeuge der Marke BMW in der Mittel- und Oberklasse sowie Rolls-Royce verantwortlich.
Flasch ist seit 2015 für die BMW Group tätig und war zuvor unter anderem Leiter der BMW M GmbH. Aus dieser Zeit kennt er Sven Blusch bestens, der ab 1. Juni neuer Leiter BMW Motorrad Motorsport wird und damit den Job von Bongers übernimmt.
Auch die Mitglieder der beiden BMW-Werksteams wurden von dieser Entscheidung überrascht, wie sie SPEEDWEEK.com im Fahrerlager des Circuit de Catalunya am Mittwoch erzählten. Am Donnerstag und Freitag findet auf der Strecke nahe Barcelona ein großer Test mit sämtlichen Superbike-WM-Teams statt.
Blusch wird Bongers als Chef vor die Nase gesetzt, der Niederländer soll sich ab 1. Juni vollumfänglich auf die operative Leitung des Engagements in der Superbike-WM fokussieren und das Projekt vorantreiben.
Sven Blusch wird sein Hauptaugenmerk auf die «strategische Neuausrichtung» legen und soll «das Fundament für zukunftsorientierten Motorsport weiter ausbauen». Ziel sei, «den Rennsportgeist weiter zu leben» und «die Marke auf und abseits der Rennstrecke zu stärken».
Was «zukunftsorientiert» bedeutet, bleibt unausgesprochen.
Flasch ist bekennender MotoGP-Fan und hatte schon als Chef der M GmbH viel Freude daran, dass BMW seit 1999 die offiziellen Autos in der MotoGP zur Verfügung stellt. Zu Promoter Dorna und deren Chef Carmelo Ezpeleta pflegt er gute Verbindungen und hat mehrfach im BMW-Vorstand und bei seinem Vorgänger Schramm heftig dafür geworben, in die Königsklasse einzusteigen. Schramm hat das konsequent abgelehnt, jetzt hat Flasch freie Hand. Sein exzellenter Kontakt zum Group-Vorstand soll für den nötigen Rückhalt auf höchster Managementebene sorgen.
Bei BMW wurde das Thema MotoGP immer wieder diskutiert, zuletzt nach dem Suzuki-Ausstieg Mitte 2022.
Bei BMW lässt sich im Moment niemand zu einer Aussage bezüglich eines möglichen MotoGP-Einstiegs hinreißen. Ein ehemaliger BMW-Spitzenmanager versicherte gegenüber SPEEDWEEK.com jedoch, dass bei BMW Motorrad und in der BMW AG «immer über MotoGP nachgedacht wird».