Pirelli: Schmaler Grat zwischen lahm und lächerlich
2012 musste wir zum ersten Mal erleben, dass Pirelli WM-Vermarkter Dorna und den Motorrad-Weltverband FIM bat, das Supersport-Rennen auf dem Phillip Island Circuit von 21 auf 15 Runden zu kürzen, weil die Reifen die Distanz nicht überlebt hätten. Diesbezügliche Diskussionen haben wir in Australien Jahr für Jahr, auch 2017 werden die Fans vom Reifen-Monopolisten um einige Runden betrogen.
Pirelli wandert auf einem schmalen Grat. Die Philosophie der Italiener sieht vor, dass mit möglichst seriennahen Reifen gefahren wird.
Pirelli nützt die Superbike- und Supersport-WM als Entwicklungsspielplatz und bringt regelmäßige Evolutionen der bestehenden Reifen.
Pirelli will dafür Sorge tragen, dass die Fahrer auf ordentliche Rundenzeiten kommen.
In Phillip Island sind sie mit dem Problem konfrontiert, dass die Strecke reifenmordend ist. Trotzdem will Pirelli möglichst wenige Kompromisse eingehen, was die Performance betrifft.
Bringen die Italiener langlebigere Reifen, steigt die Rundenzeit und Fahrer sowie Teams schimpfen. Schafft es der Reifen bei maximaler Forderung durch den Fahrer nicht über die Distanz, schimpfen die gleichen Leute. Stürzen Fahrer, weil sie das Nachlassen des Reifens nicht einkalkulieren, schimpfen Fahrer, Teams und Zuschauer. Und wird das Rennen gekürzt, weil es Pirelli nicht gelingt die eierlegende Wollmilchsau zu produzieren, maulen zurecht die Zuschauer, weil sie nicht das zu sehen kriegen, wofür sie bezahlt haben.
Für den heutigen Sonntag wurde das Supersport-Rennen von 18 auf 15 Runden verkürzt, früher wurden 21 Runden gefahren!
SPEEDWEEK.com sprach mit Pirelli-Rennchef Giorgio Barbier.
Giorgio, weshalb habt ihr darum gebeten, das Rennen um drei Runden zu verkürzen?
Wir möchten ein Signal setzen. Am Freitag testeten wir einen neuen Reifen, der hat nicht funktioniert und warf Blasen. Einer unserer zwei Reifentypen fiel damit weg.
Phillip Island ist der schlimmste Platz auf Erden. Das ist das erste Rennen des Jahres, die Teams haben keine ausgereiften Set-ups für ihre Motorräder, viele Fahrer sind neu auf den Maschinen. Und wir dürfen uns keinen Fehler erlauben.
Im ersten Superbike-Rennen am Samstag konnte man gut sehen, dass die Fahrer sehr auf die Reifen achteten. Den Supersport-Piloten ist so eine Herangehensweise fremd.
Technisch haben wir hier ein ganz anderes Problem. In Supersport sind wir mit dem Reifen immer am Limit. Warum? Weil die Motorräder immer mehr Leistung haben und die Felgen zu schmal sind. Wir können keine größeren Reifen bauen, um das Problem zu lösen. Dadurch ist der Fahrer zu lange auf der Kante und überhitzt den Reifen.
Ich habe bei der Dorna angefragt, ob man nicht breitere Felgen erlauben könnte, dann hätten wir diese Sorge nicht mehr.
Warum bringt ihr keinen Reifen, der länger hält? Für mindestens 18 Runden.
Das hier ist Racing, da können wir nicht einen Standardreifen bringen.
Der zahlende Zuschauer will aber das ganze Rennen sehen. Pirelli muss doch in der Lage sein einen Reifen zu bauen, der die normale Renndistanz durchhält?
Zwei Dinge auf Phillip Island setzen uns Limits. Das Layout ist speziell. Wäre diese Rennstrecke in Deutschland, wäre die letzte Kurve schon vor 20 Jahren geändert worden. Dort sind heute alle schnellen Kurven Schikanen. Warum? Weil der Speed der Autos und Motorräder immer höher wurde. Wir können davor nicht unsere Augen verschließen.
Für mich ist das keine Entschuldigung. Ihr habt diese Probleme in Phillip Island seit Jahren, weshalb bringt ihr keinen passenden Reifen mit?
Schau dir andere Hersteller an, sie schaffen das auch nicht.
Für diese Art Motorräder und auf dieser Rennstrecke haben wir nicht die richtige Reifengröße. Die jetzigen Reifen heizen sich in der letzten Kurve bis auf 200 Grad Celsius auf, wenn das Hinterrad durchdreht. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt.
Und wenn ihr einen «Holzreifen» mitbringt?
Der würde auch nicht funktionieren. Wenn ein Reifen weniger Grip bietet, dreht er mehr durch und wird immer heißer. Sobald die Temperatur zu hoch wird, beginnt sich die Gummimischung aufzulösen. Es braucht das richtige Mittel zwischen Performance und rutschen.
Es ist ja nicht so, dass unsere Reifen keine 18 Runden durchhalten. Das Rennen wurde aus psychologischen Gründen auf 15 Runden verkürzt.
Natürlich können wir den Supersport-Piloten sagen, dass sie mit ihrem Reifen haushalten müssen – sie fahren aber trotzdem gleich.
Nächstes Jahr scheren wir uns um nichts mehr und bringen einen Reifen, der 2 sec langsamer ist pro Runde. Mal sehen, was dann geschieht. Wir haben das vor Jahren schon einmal gemacht. Dann haben sich alle beschwert, dass der Reifen nicht schnell ist.
In meinen Augen ist es nicht gut für den Sport, wenn wir ein künstliches Limit setzen.