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Kiefer Racing in der SSP-WM: Kalkulation offengelegt

Von Ivo Schützbach
Trotz intensiver Bemühungen musste Teamchef Jochen Kiefer Mitte Januar schweren Herzens die Entscheidung treffen, 2020 nicht in der Supersport-WM zu fahren. Doch das Vorhaben ist lediglich verschoben.

Ursprünglich plante Kiefer Racing mit dem Wechsel in die Supersport-WM einen Neustart. Denn für 2020 bekam Teameigentümer Jochen Kiefer keinen Moto2-WM-Startplatz mehr. Als Fahrer waren der Österreicher Thomas Gradinger und Lukas Tulovic aus dem baden-württembergischen Eberbach vorgesehen.

Die Finanzierung gestaltete sich allerdings sehr schwierig. Nach dem Startschuss des Projekts Ende November 2019 war es von Beginn an ein Spießrutenlauf gegen die Zeit. Eine kurzfristig gestartete Unterstützungsaktion über die Social-Media-Kanäle des Teams war ein ungeahnter Erfolg, vermochte aber die 300.000-Euro-Lücke im 800.000-Euro-Budget nicht zu schließen. Kiefer Racing musste daher schweren Herzens die Handbremse ziehen, um das Budget nicht dramatisch zu überziehen und womöglich nicht die ganze Saison bestreiten zu können. «Ich heiße Kiefer. Ich habe einen Ruf zu verlieren», sagte Jochen.

Kiefer Racing hat immerhin mit Stefan Bradl (Moto2) und Danny Kent (Moto3) zwei WM-Titel im Grand-Prix-Sport gewonnen.

Im Supersport-WM-Fahrerlager war damals zu hören, Kiefers finanzielle Planungen seien stark überzogen, man könne eine Saison mit zwei Fahrern auch mit 550.000 Euro bestreiten. Selbst das Team Bardahl Evan Bros Yamaha, das die Weltmeisterschaft 2019 mit Randy Krummenacher und Federico Caricasulo auf den Plätzen 1 und 2 beendete und sie nach dem Saisonstart 2020 auf Phillip Island mit Andrea Locatelli anführt, brauchte letztes Jahr «nur» 750.000 Euro.

«Meine Rechnung ist deswegen höher, weil ich alles einrechne», erklärte Kiefer SPEEDWEEK.com. «Ich habe eine Halle gemietet, ich rechne meine Nebenkosten und die Steuern mit rein, einfach alles. Ich habe nur dieses eine Standbein und muss damit meine Familie ernähren. Meine Kostenstruktur geht in die genannte Richtung, ich kam auch in den letzten zwei Jahren in der Moto2-WM genau dorthin, was ich kalkuliert hatte. Vielleicht habe ich für die Supersport-WM tendenziell ein bisschen mehr veranschlagt, weil ich das nicht 100-prozentig einschätzen kann. Also hätte ich unterm Strich vielleicht 100.000 Euro weniger gebraucht. Aber eine grobe Nummer von 800.000 Euro musst du haben, um das ordentlich zu machen.»

Kiefer vermutet, dass die Kostendiskrepanz auch dadurch zustande kommt, dass viele Teams nur mit den laufenden Kosten rechnen, aber nicht mit den buchhalterisch korrekten Ausgaben.

Im Gegensatz zu den etablierten Supersport-Teams muss Kiefer auch jedes Motorrad, jedes Rad, jeden Ersatzmotor, jede Schraube und jede Verkleidung neu kaufen, einfach alles für diese Klasse.

«Außerdem muss man die Abschreibungen einkalkulieren», weiß der Teamchef. «Mein Lkw wird ein Jahr älter und ist damit weniger wert. Versicherung, Steuer, TÜV – in meiner Kalkulation habe ich das alles drin. Wir verfolgen das Thema Supersport-WM auf jeden Fall weiter. Unser Plan war, dieses Jahr die Europameisterschaft zu fahren und parallel eine ordentliche Akquise für 2021 zu machen. Damit wir ein finanziell gut dastehendes Team für die Supersport-WM machen können. Wir wollten im Frühjahr richtig Gas geben, damit wir im Herbst etwas auf die Beine gestellt haben.»

Dann kam die Coronakrise.

«Im Moment ist es ganz schlecht, bei Firmen anzufragen und für 2021 über eine Weltmeisterschaftssaison zu reden – niemand wird mir jetzt grünes Licht für Geld geben», meint der Rheinland-Pfälzer. «Für nächstes Jahr wird es schwierig. In der ersten Jahreshälfte wird sich alles nur um Corona drehen, in der zweiten wird es Richtung Aufbau gehen. Im August, September, Oktober müssen wir versuchen, etwas für die WM aufzubauen.»

Bei Promoter Dorna ist Kiefer Racing nach wie vor willkommen. «Sie haben sich sogar bedankt, dass wir frühzeitig die Handbremse gezogen haben», bemerkte Jochen Kiefer. «Sie hatten Verständnis, Yamaha auch. Jeder konnte nachvollziehen, was passiert ist. Wir bekamen erst im November die Zusage für die Supersport-WM, es war wenig Zeit, um das Ganze auf die Beine zu stellen. Ich glaube, wenn wir noch mal einen Antrag stellen, dass das begrüßt wird.»

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