MV Agusta: Mit mehr Power wurden die Probleme größer
Der Highsider von Niki Tuuli im Warm-up am Sonntagvormittag beim Supersport-Meeting in Estoril am 22. Mai war an sich nicht schlimm. Doch der Finne geriet mit dem Fuß ins Hinterrad zwischen Kette und Zahnrad; die Quetschungen und offenen Brüche an drei Zehen waren so verheerend, dass diese wenige Tage später amputiert werden mussten.
Die Rennen in Misano verpasste der 26-Jährige, auch in Donington Park am kommenden Wochenende wird Mattia Casadei die F3 800 RC fahren. Der Italiener schlug sich in Misano mit zwei achten Plätzen (von Startplatz 17!) beachtlich, hauptberuflich bestreitet der 23-Jährige die italienische Supersport-Serie mit Yamaha sowie den MotoE-Weltcup, in dem er Gesamtvierter ist.
Für MV Agusta wiegt die Abstinenz von Tuuli besonders schwer. Die Nobelmarke aus Varese hat nur zwei Motorräder in der Startaufstellung und von Rookie Bahattin Sofuoglu (18), der lediglich die Europarennen bestreitet, kann niemand Wunderdinge erwarten.
Tuuli ist die klare Nummer 1 bei MV Agusta, in den ersten vier Rennen fuhr er trotz der wenig beeindruckenden Startplätze 10 und 12 auf die Ränge 6, 5, 6 und 7 und lag vor seinem Estoril-Crash in der Weltmeisterschaft auf der fünften Position.
Seither müssen die Italiener ohne ihn auskommen, Tuuli kehrt frühestens Ende Juli in Most zurück. Dabei wären seine Ideen und Analysen bei der Entwicklung besonders wichtig.
Vor Misano im Juni hat MV Agusta mit verschiedenen Fahrern vier Tage lang intensiv getestet, zwei in Cremona und zwei in Mugello. «Dafür haben sie ihr Team aus der Italienischen Meisterschaft und der WM genützt, was es etwas kompliziert machte», erzählte Scott Smart, der Technische Direktor für die Superbike-WM und ihre Rahmenklassen, im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Sie haben uns sämtliche Daten mitgeteilt und alles offengelegt, damit wir damit arbeiten können. Dabei haben wir festgestellt, dass mehr Drosselklappenöffnung an der F3 800 zwar für höheren Topspeed sorgt, das Bike über die Runde aber nicht schneller wurde. Was deutlich mehr gebracht hat, ist, dass sie jetzt die Lichtmaschine von der 675 aus dem Vorjahr benützen. Dadurch wurde der Charakter ein bisschen aggressiver, das Motorrad lässt sich jetzt etwas besser abbremsen und einlenken. Die Fahrer können jetzt am Kurvenausgang aggressiver ans Gas gehen und die Kurve besser zu Ende fahren. Sobald sich die Fahrer daran gewöhnt hatten, wurden die Rundenzeiten besser.»
Weil die Motorräder in der Supersport-WM technisch so unterschiedlich sind, von 600-ccm-Vierzylindern über Dreizylinder mit bis zu 800 und Twins mit 955 ccm, gibt es eine ausgeklügelte Balance-Regel, welche über die elektronischen Mappings und die maximalen Drosselklappenöffnungen für Chancengleichheit sorgen soll.
Keine leichte Aufgabe für Scott Smart vom Motorrad-Weltverband FIM: «Gemeinsam mit MV Agusta hatten wir viel Arbeit, um zu entscheiden, welche Richtung die beste ist. Was die Motorleistung betrifft, haben wir mit diesem Motorrad viel Spielraum. Es hat sich aber gezeigt, dass zusätzliche Motorleistung die Rundenzeit nicht verbessert. Im Gegenteil, einige Probleme wurden dadurch noch schlimmer.»