Unlauterer Wettbewerb: Skandal vor dem Saisonstart
Die Motorsteuerung von MecTronik bekam eine neue Firmware
Seit 2019 ist in der Supersport-WM die Einheitselektronik von MecTronik vorgeschrieben. Sie war Voraussetzung, um 2022 die neuen Balance-Regeln einzuführen.
Seither können Motorräder unterschiedlicher Konfiguration in der mittleren Kategorie mitfahren und werden über die maximale Drosselklappenöffnung auf ein nahezu identisches Level gebracht. Dieses Jahr sehen wir die Vierzylinder von Yamaha, Kawasaki und neu Honda mit 600 ccm gegen Dreizylinder von Triumph mit 765 und MV Agusta mit 800 ccm sowie die Twins von Ducati mit 955 ccm kämpfen.
Am Sonntag herrschte helle Aufregung im Fahrerlager von Phillip Island, denn MecTronik brachte eine neue Firmware. Firmware beschreibt Software, die in elektronische Geräte fest implementiert und für den Anwender unveränderbar ist.
Wie sich herausgestellt hatte, haben die Yamaha-Teams Ten Kate und Evan Bros sowie Aruba Ducati die neue Firmware schon vor Wochen erhalten und bereits mehrere Tage damit getestet. Der Großteil der restlichen Teams bekam sie vergangene Woche oder erst an diesem Wochenende.
Wie es dazu kam, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Fest steht nur, dass die Teams keine Schuld trifft. Es gab zu keiner Zeit einen Informationsfluss durch die Hintertüre.
2021 und 2022 war es so, dass MecTronik die Updates vor der Saison online zur Verfügung stellte. Wer auf deren Website klickte, konnte sie herunterladen.
Dieses Jahr gab es die Neuerungen nicht online. Aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Saisons waren aber einige Teams clever genug, bei MecTronik nachzufragen. Die italienische Firma gab ihnen die Upgrades erstaunlicherweise – und war wohl froh, so Gratis-Testteams zu haben.
Als das erste Team von MecTronik die neue Firmware erhielt, hätte der Motorrad-Weltverband FIM dafür sorgen müssen, dass sie auch allen anderen zugänglich gemacht wird.
Doch der neue SBK Technical Director Ludovic Reignier versäumte das. Ob im stillen Einvernehmen oder mangels Kenntnis der Vorgänge, lässt sich von außen nicht beurteilen.
Jedenfalls wurde der Franzose am Sonntag von allen Seiten bestürmt und hatte einen ersten Arbeitstag in offizieller Funktion an der Rennstrecke, wie man ihn niemandem wünscht.
Nach vielen Diskussionen wurde der Vorschlag gemacht, dass auf Phillip Island und Lombok alle mit der letztjährigen Firmware fahren sollen und erst für den dritten Event in Assen umgestellt wird. Dann hätten die Teams vor dem Europa-Auftakt gute sechs Wochen Zeit, um testen zu gehen und sich auf die neue Elektronik einzustellen.
«Es muss viel eingestellt werden, die Kanäle im Hintergrund arbeiten anders», erzählte ein Teammanager, der nicht genannt werden will. «Wer jetzt in Phillip Island damit anfängt, hat verloren. Man braucht mindestens zwei Tage, um alles korrekt zum Laufen zu bringen.»
Trotz dieser Argumente entschied die FIM am Sonntagabend anders: Die neue Firmware kann ab Phillip Island genutzt werden, ab Assen ist sie verpflichtend.
Die übergangenen Teams haben zwei Möglichkeiten: Entweder vergeuden sie die beiden Testtage in Australien am Montag und Dienstag, um die neue Firmware zu etablieren. Oder sie verzichten bewusst auf eventuelle Vorteile, die sie bringt – woraus sich ein unlauterer Wettbewerb ergibt.
«Selbst wenn die neue Firmware nur ein Prozent bringt, haben wir dieses nicht», kritisierte ein Teamchef. «Wir sind im Spitzensport, da kommt es auf jedes Prozent an. Die FIM hätte die Firmware erst ab Assen erlauben dürfen, so ist es unfair.»